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Ausgabe:

Juli/August/2001

Spalte:

843–845

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Guder, Darrell L.

Titel/Untertitel:

The Continuing Conversion of the Church.

Verlag:

Grand RapidsCambridge: Eerdmans 2000. XVI, 222 S. 8 = The Gospel and our Culture Series. Kart. $ 20.-. ISBN 0-8028-4703-X.

Rezensent:

Henning Wrogemann

Nach den Angaben des Autors stellt dieses Werk die Fortsetzung seines 1985 erschienenen Buches "Be My Witnesses: The Church's Mission, Messenger, and Messengers" dar. Es ist Teil der aktuellen missionstheologischen Diskussion in den Vereinigten Staaten. Angesichts des stetigen Mitgliederverlustes der Mainline Churches (bei gleichzeitiger Zunahme stark konservativer Kirchen und sog. Parachurches) werden die Möglichkeiten und Probleme missionarischer Verkündigung im kulturellen Kontext Nordamerikas reflektiert. Ein durch den Theologen George Hunsberger initiiertes Team von Missionswissenschaftlern hat dazu in den letzten Jahren mehrere einschlägige Werke vorgelegt (Verlag Eerdmans).

Guders Werk gliedert sich in drei Kapitel: I. Foundations: The Church's Calling to Evangelistic Ministry, II. Challenges: The Church's Need for Conversion, III. Implications: The Conversion of the Church. Schon an dieser Grobgliederung wird deutlich erkennbar, dass es G. um den Ansatz zu einer Ekklesiologie in missionstheologischer Perspektive geht. Sicherlich kann man das Buch nicht mit dem Terminus "Ekklesiologie" belegen, denn dazu fehlt ein systematischtheologischer Bezugsrahmen. Dennoch finden sich Bausteine zu einer missionstheologisch verantworteten Lehre von der Kirche. Zu den Kapiteln im Einzelnen:

I. Foundations. Im ersten Abschnitt (Mission and Evangelism: The Emergence of the Theological Challenge) arbeitet G. heraus, dass im Verlauf der Christentumsgeschichte für Jahrhunderte der missionarische Auftrag der christlichen Kirche(n) nur eine Randexistenz führte. Der Autor sieht dies in einer "kulturellen Gefangenschaft" (cultural captivity) des Evangeliums und der Kirche(n) begründet. In den zwei weiteren Abschnitten wird unter den Überschriften "God's Mission Is Good News" und "Mission as Witness" im Rückgriff auf AT und NT eine biblische Begründung der Mission vom Gedanken des Reiches Gottes her versucht.

Schon hier deutet sich die theologische Verortung G.s an: (a) Seine theologie-, kirchen- und missionsgeschichtlichen Rekurse zeigen enge Berührung mit den sehr viel detaillierter und breiter ausgeführten Analysen von David Bosch in seinem opus magnum "Transforming Mission". (b) Systematisch-theologisch und zugleich missionstheologisch knüpft G. an das Verständnis von Mission bei Karl Barth an: Mission als Zeugnis. Das wird im breiteren Konzept der missio Dei - das bekanntlich seit der zweiten Hälfte des 20. Jh.s zum missionstheologischen common sense gehört - verankert. (c) Die grundlegende Argumentation von G. wird auf diesem Hintergrund unter engem Rückbezug auf Lesslie Newbigin (in: The Gospel in a Pluralist Society) und Lamin Sanneh (in seinem Werk Translating the Message) entfaltet.

Die Grundgedanken lassen sich - in aller Kürze - wie folgt umschreiben: 1. Menschen versuchen auf Grund ihres sündigen Wesens immer wieder, das Evangelium unter ihre Kontrolle zu bekommen. 2. Das führt zu einer Reduktion des Evangeliums auf bestimmte Aspekte. 3. Eine solche Reduktion ist im Kontext Nordamerikas und Europas die Überbetonung des Heils der Seele gewesen bei gleichzeitiger Vernachlässigung der ReichGottes-Dimension, genauer: Vernachlässigung der grundlegenden theologischen Einsicht, dass das Evangelium nur in Gemeinschaft gelebt und als missionarische Gemeinschaft bezeugt werden kann. 4. Eine der Folgen solcher Reduktion ist im Kontext Nordamerikas das Phänomen der sog. evangelistischen "Parachurches". Darunter werden solche Organisationen verstanden, die zwar Mission betreiben, aber nicht im eigentlichen Sinne Gemeinde sind, oder dort, wo sie es durch Gemeindegründungen zu werden versuchen, die bestehenden Ortsgemeinden spalten bzw. ausdünnen und damit zur immer weiteren Zersplitterung der kirchlichen Landschaft beitragen.

II. Challenges. Der eben im Vorgriff bereits skizzierte Gedankengang wird im II. Kapitel behandelt. Im Unterabschnitt Translation in Mission wird die grundsätzliche Ambivalenz des Übersetzungsprozesses hervorgehoben: Übersetzungen des Evangeliums stehen permanent in der Spannung zwischen Nichtangepasstsein und Überangepasstsein. In The Challenge of Reductionism geht es in einem missionsgeschichtlichen Parforceritt um einige spezifische Formen solcher Überanpassungen. Unter The Reduction of Salvation and Mission wird nochmals auf den Zusammenhang von Evangelium und Gemeinschaft der Glaubenden abgehoben. Die These lautet: Das Evangelium kann nur in sozialen Bezügen gelebt werden. Gleichzeitig sind diese sozialen Bezüge selbst das Medium des missionarischen Zeugnisses in Wort, Tat und gemeinsamem Leben. G. plädiert damit für ein inkarnatorisches Verständnis von Mission als Zeugnis: "As the love of God in Jesus Christ is incarnated in the faith community, that love is demonstrated to the world. Witness happens in all that the church is, does, and says, but always in and through its forgiveness, and its dependence upon God's grace." (144)

III. Implications. In den letzten zwei Unterkapiteln - Converting the Church: The Local Congregation und The Conversion of the Institutional Church versucht G. einige Konsequenzen seines Ansatzes zu benennen, bleibt dabei jedoch sehr allgemein. Der Ruf nach einer missiology of the institutional church (200) mag berechtigt sein, man hätte allerdings gerne gewusst, woran genau der Autor in diesem Zusammenhang denkt. Dies geht aus seinen Ausführungen nicht hervor.

G.s Werk ist im guten Sinne ein theologisches Buch: Der Autor grenzt sich von der Methodengläubigkeit rein pragmatisch orientierter Church Growth-Konzepte wohltuend ab. Seinem eigenen Anspruch, den Zusammenhang von Mission und kulturellem Kontext zu erheben, wird er jedoch nur sehr bedingt gerecht. Man hätte bei einem Buch, das in The Gospel and Our Culture Series erschienen ist, erwartet, eine genauere Aufschlüsselung des Kontextes unter Einbeziehung historischer, soziologischer und kulturwissenschaftlicher Daten zu erhalten. Auch das eingangs angedeutete Phänomen der Parachurches wird lediglich konstatiert, nicht jedoch wirklich behandelt. Statt dessen gründet die Analyse im Wesentlichen auf theologiegeschichtlichen Allgemeinplätzen. Auch manche der beigebrachten Beispiele aus der Praxis wirken gezwungen. (Wenn z. B. eine Schülergruppe, die nach einer Taizéfahrt religiöses Interesse bekundet, schon als Beginn einer mission community bezeichnet wird, löst dies bei Praktikern wohl allenfalls Stirnrunzeln aus.) Des Weiteren hätte eine umfangreichere Rezeption neuerer missionstheologischer Ansätze - auch aus dem deutschsprachigen Bereich - fruchtbringend sein können. Trotz dieser monita ist das Buch eine ernsthafte Anfrage an das theologische Profil etablierter Kirchen und Gemeinden. Als solches verdient es, Gehör zu finden.