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Ausgabe:

Juli/August/2001

Spalte:

834 f

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Ratzmann, Wolfgang [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Der Kirchentag und seine Liturgien. Auf der Suche nach dem Gottesdienst von morgen.

Verlag:

Leipzig: Evang. Verlagsanstalt 1999. 176 S. 8 = Beiträge zu Liturgie und Spiritualität, 4. Kart. DM 29,80. ISBN 3-374-01739-8.

Rezensent:

Karl-Friedrich Wiggermann

Es lohnt sich, alle Kräfte in Theologie und Kirche aufzubieten, wenn der "Gottesdienst von morgen" im theologischen Diskurs und in praktischer Vorbereitung thematisiert werden soll. Beispiele gelingender Arbeit brauchen sich weder sorgender Mühe noch geschenkter Einsicht zu schämen. Hinzuweisen ist auf die Gottesdienste auf den deutschen Kirchentagen.

Im Jahr 1997 war in Leipzig der 27. Deutsche Evangelische Kirchentag zu Gast - zum ersten Mal seit der deutschen Einheit in einer Großstadt der früheren DDR. Es fanden - neben vielen anderen Veranstaltungen - zahlreiche recht unterschiedliche Gottesdienste statt: Eröffnungsgottesdienste, Abendmahlsfeiern, "Liturgische Tage" und "Liturgische Nächte", der große Abschlussgottesdienst im Leipziger Zentralstadion. Bei vielen Menschen entstand - neben der spontanen Freude über diese Gottesdienste - die Furcht, diese Feiern könnten im Alltag der Gemeinden versickern.

Ein Jahr nach dem Leipziger Kirchentag war vom Liturgiewissenschaftlichen Institut der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche bei der Theologischen Fakultät Leipzig zu einer Fachtagung zum Thema "Der Kirchentag und seine Liturgien" eingeladen worden. Die im vorliegenden Buch gedruckten Beiträge sind die nach der Tagung überarbeiteten Fassungen der Vorträge sowie ein Gespräch von Hans-Günther Heimbrock und Wolfgang Ratzmann zur liturgiewissenschaftlichen Methodik, das gleichermaßen Impuls und Abschluss des Tagungsthemas ist.

Der Band enthält die folgenden Beiträge: Hans-Günther Heimbrock: "Gottesdienst in der Unterhaltungsgesellschaft"; Peter Bubmann: "PfingstWallfahrt und Konfirmationsritual. Der Kirchentag als Zeitansage in der Erlebnisgesellschaft"; Wolfgang Ratzmann: "Der evangelische Gottesdienst an der Schwelle zum dritten Jahrtausend"; Hans Bauernfeind: "Der römischkatholische Gottesdienst an der Schwelle zum dritten Jahrtausend - Reflexionen zum ,semper reformanda' der Liturgie"; Günter Ruddat und Henning Schröer: "Lebendige Liturgie - ein Programmwort und seine Geschichte"; Jörg Neijenhuis: ",Lebendige Liturgie' als Gemeindeliturgie? Reflexion einer Umfrage zum Leipziger Kirchentag 1997".

Die Autoren beeindrucken durch kritische Nähe zur liturgischen Praxis, die mit kulturtheologischer Thematik, konfessioneller Statuierung und situativer Konkretisierung zur Sprache gebracht wird - als Reflexion über den Gottesdienst. Es ergeben sich freilich Fragen, die vor dem Gottesdienst zu platzieren sind- als Fragen nach inszenierter Wirklichkeit bzw. wirklicher Inszenierung, als Fragen nach der Lust des Wiedererkennens, als Fragen nach - (vor-)neuzeitlicher - Identitätsproblematik, als Fragen nach der - metatheoretischen - Kunst der Prognose, alles in allem nach dem - wie Heinrich Vogel sagte - "Herrengeheimnis der Wahrheit". Die Beiträge des vorliegenden Bandes setzen Vorstudien zu solchen Fragen voraus - nicht mehr und nicht weniger.

Günter Ruddat und Henning Schröer schreiben mit Recht: "Lebendige Liturgie ist Entdeckung und Entwicklung von Ritus und Symbol als wahrhaft ökumenisch evangelisch. In ihr übt sich Volkskirche als Berufung ein, zum Volk Gottes gehören zu können. In lebendiger Liturgie wird Leben erlebbar lebendig. Jede Liturgie fragt: Hast du schon gelebt?" (111) In einem Nachwort weist Wolfgang Ratzmann auf die Kontinuität des Gottesdienstes, auf das Bleibende hin. Es sei aber auch die Ruhe genannt, die der Gemeinde längst bereitet ist. Die feiernde Gemeinde wird hineingenommen in den Lobpreis. Er ist allemal größer als religiöses Räsonieren und liturgisches Voltigieren.