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Ausgabe:

Juli/August/2001

Spalte:

822 f

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Heitink, Gerben

Titel/Untertitel:

Practical Theology. History - Theory - Action Domains. Manual for Practical Theology. Transl. by R. Bruinsma.

Verlag:

Grand Rapids: Eerdmans 1999. XIX, 358 S. gr.8 = Studies in Practical Theology. Kart. $ 45,-. ISBN 0-8028-4291-1.

Rezensent:

Michael Meyer-Blanck

Das Handbuch von Gerben Heitink, einem der renommiertesten protestantischen Praktischen Theologen in den Niederlanden, erschien 1993 als erste niederländische Einführung in die Praktische Theologie seit langer Zeit (XVIII) und ist nun durch die Übersetzung von R. Bruinsma für englisch- und damit auch für deutschsprachige Leserinnen und Leser zugänglich. Ermöglicht wird damit ein Blick über die deutsche, angelsächsische und frankophone Praktische Theologie (PT) hinaus in den niederländischen Kontext (dazu s. etwa 171-177 zu den gegenwärtigen niederländischen Ansätzen).

Konzeptionell ist das Buch einer PT als Handlungstheorie verpflichtet, wie sie besonders von H. Peukert und N. Mette (104 ff.124 ff.) in den 70er und 80er Jahren, u. a. im Anschluss an J. Habermas formuliert wurde. Die Theorie des kommunikativen Handelns spielt neben der Handlungstheorie Ricurs (140-146) auch bei H. eine herausgehobene Rolle (132-140, vgl. dazu den Index zu Habermas sowie 138 f. zur Habermas-Rezeption in der niederländischen PT). Die hermeneutischen Theorien besetzen insgesamt in H.s Sicht der PT "the most important place" (200).

In Aufnahme mit der jüngeren Diskussion im Umfeld von D. Rösslers PT wird weiter die Unterscheidung des individuellen, kirchlichen und gesellschaftlichen Christentums aufgenommen (s. dazu das Tableau 252) und im Gespräch mit der amerikanischen PT besonders vor der Verengung des "clerical paradigm" (109) gewarnt. Die neueste ästhetische Diskussion um Phänomenologie, Semiotik und Wahrnehmung in der PT spielt in dem Anfang der 90er Jahre geschriebenen Buch verständlicher Weise noch keine Rolle.

Die PT wird von H. wesentlich als empirische Sozialwissenschaft zu formulieren gesucht - allerdings bedeute das keinesfalls "to cut all ties with dogmatics" (127). Empirische Forschung innerhalb der PT wird dabei von religionssoziologischer Forschung abgesetzt: "Improvement of the situation toward the desired praxis is the underlying interest of practical theology research. In this respect it differs from socioreligious research. The focus and mediative action must result in concrete suggestions for action." (225) Dies entspricht dem dreifach beschriebenen handlungstheoretischen Zirkel von Verstehen - Erklären- Verändern (165).

Die "Praxis" der PT wird von H. in zweifacher Weise bestimmt als Vermittlung christlichen Glaubens (=Praxis 1) und als Praxis in der modernen Gesellschaft (=Praxis 2, vgl. 8 f.149ff.168 f.). Das führt zu der folgenden Definition: "In this book practical theology as a theory of action is the empirically oriented theological theory of the mediation of the Christian faith in the praxis of modern society" (8, dort kursiv). Die Definition ist von N. Mette inspiriert (104.124) und von derjenigen G. Ottos (PT als "kritische Theorie religiös vermittelter Praxis in der Gesellschaft", G. Otto, Grundlegung der PT, München 1986, 21 f.) erkennbar beeinflusst wie charakteristisch verschieden.

In diesem Handbuch spielen konfessionelle Profilierungen eine untergeordnete Rolle. Durchgängig ist der Autor im Gespräch mit der katholischen PT, darüber hinaus mit der deutschen und amerikanischen Diskussion. Das führt allerdings bisweilen auch dazu, dass die Position des Autors hinter der ungeheuren Breite der referierten Theorien und Positionen undeutlich zu werden droht. Das Buch ist nach der Einleitung (1-13) klar gegliedert (dazu vgl. den aussagekräftigen "floor plan", 12): Dem historischen Teil (Part I: "The development of practical theology", 15-99) folgen das konzeptionelle Herzstück (Part II: "Practical theology as a theological theory of action", 101-240) sowie die Handlungsfelder (Part III: "Domains of action within practical theology", 241-324). Die Gliederung zeigt, dass es sich tatsächlich stärker um eine Einführung in die PT handelt als um einen Grundriss der PT. Die Gewichtsverteilung wird auch eigens begründet (245 f.) und weitere Bände in der Reihe werden in Aussicht gestellt (243.324). Für jede praktisch-theologische Abteilung werden übrigens fünf (!) Vertreter für notwendig gehalten: je ein Pastoralpsychologe, Religionspädagoge, Kybernetiker, Homiletiker/Liturgiker und Diakoniker/Missionstheoretiker (257 f.).

Das Buch vermittelt einen guten Eindruck der niederländischen evangelischen PT auf hohem methodologischem Niveau. Fragen kann man allerdings, ob der dritte Teil über die Handlungsfelder in dieser Kürze sinnvoll ist. Am greifbarsten ist dabei noch das pastoraltheologische Schlusskapitel, während etwa die Aussagen zu Liturgik und Homiletik auf drei Seiten (288-291) besser durch kommentierte Literaturhinweise vertreten wären. Positiv hervorzuheben sind hingegen die leicht lesbare Übersetzung, das ausführliche Register und insgesamt das sorgfältige Lektorat des Bandes.

Dem Anliegen dieser Einführung kann insgesamt nur zugestimmt werden. Denn nur die Grundlagendiskussion der PT kann zum Gespräch der Spezialisten in den einzelnen Handlungsfeldern helfen, was H. in einem sprechenden Vergleich einschärft: "Each specialty tends to go his own way ... They still meet in the corridors, but they no longer speak a common language." (245)