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Ausgabe:

Juli/August/2001

Spalte:

804–806

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Heintel, Erich

Titel/Untertitel:

Gesammelte Abhandlungen. 7 u. 8: Zur Geschichte der Philosophie I u. II.

Verlag:

Stuttgart-Bad Cannstatt: Frommann-Holzboog 2000. 401 S. u. 455 S. 8. Lw. DM je 110,-. ISBN 3-7728-1894-3 u. 3-7728-1895-1.

Rezensent:

Heimo Hofmeister

Diese beiden Bände der gesammelten Abhandlungen sind die letzten beiden, deren Erscheinen Erich Heintel noch erlebt hat. Erich Heintel ist im Dezember 2000 verstorben. Mit dem Erscheinen des 9. Bandes, der im Manuskript vorliegt, ist zu rechnen. Ob in diesen gesammelten Abhandlungen auch noch H.s zum Teil vergriffene Hauptwerke erscheinen, ist dem Rez. nicht bekannt. Als Wunsch darf dies geäußert werden, da viele der in diesen beiden Bänden abgedruckten Aufsätze, Vorträge, ja selbst Sammelbesprechungen nur im Kontext des Gesamtwerkes dieses österreichischen Philosophen eingeordnet und in ihrer Bedeutung gewürdigt werden können. Insgesamt handelt es sich um Beiträge, die in der Zeit von 1962 bis 1994 entstanden sind. Einige der Sammelbesprechungen und einige der hier abgedruckten Reden, beispielsweise "Zur Geschichte der Philosophie in Österreich", und andere, österreichischen Persönlichkeiten gewidmete Abhandlungen sind sogar schon 1950 verfasst worden.

Der Band 7 ist ausschließlich der Geschichte der Philosophie in Österreich gewidmet und gibt Aufschluss über ein halbes Jahrhundert philosophischen Denkens, innerhalb dessen die Philosophie nach ihrem Niedergang während des Zweiten Weltkrieges neu entstand. Er spiegelt die Bemühungen wieder, den Anschluss an die philosophia perennis des abendländischen Denkens zu finden und zeigt H. in der Auseinandersetzung mit dem Philosophieverständnis des Wiener Kreises und dem spezifischen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit des logischen Empirismus. Dass über Jahre hinaus zwischen einer sich an Kant und Hegel orientierenden, von H. inaugurierten Wiener Schule und dem im Gefolge des Wiener Kreises und auch Wittgensteins stehenden Denken kein Gespräch stattfand, ist nicht H. alleine anzulasten. Manche Schrift in diesem Band zeigt H.s Bemühungen, ein Denken zu verstehen, das ihm in seinem eigentlichen Anliegen fremd geblieben ist. Dies ist insofern bedauerlich, als H. zu den Pionieren der modernen Sprachphilosophie zählt und mit seinem 1950 publizierten Aufsatz "Sprachphilosophie" allgemeine Beachtung errang (abgedruckt in Band 1). Als Zeichen dieser Auseinandersetzungen und Bemühungen sei hingewiesen auf die Aufsätze: "Die Philosophie in Österreich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs", "Österreichische Philosophie der Zwischenkriegszeit", "Österreichische Philosophie von 1945 bis 1985" wie auf den Nachruf für Wolfgang Stegmüller, Nachwort und Nachruf für Alfred Stern und die Rezensionen zu Büchern über Ludwig Wittgenstein. Circa zwei Drittel der Abhandlungen sind Weggefährten gewidmet und setzen sich mit ihnen philosophisch auseinander. An erster Stelle ist hier Josef Derbolav zu nennen, mit dem es immer ein freundschaftliches, wenn auch kritisches Gespräch gab. Kollegen an der Universität Wien wie Leo Gabriel, Friedrich Kainz, Victor Kraft, aber auch anderer wie Alois Höfler, Peter R. Hofstetter, Richard Hönigswald, Walter Schmied-Kowarcik, Othmar Spann, Eduard Rossi und auch dem früh verstorbenen Heintel-Schüler Franz Fischer ist gedacht.

Vom besonderem Interesse sind der Aufsatz über "Robert Musil (1818-1942), der Mann ohne Eigenschaften" sowie die Überlegungen "Zum Begriff der ,Leistung' im Gesamtraum der Humanität". Im Anhang dieses Bandes finden wir eine "Selbstdarstellung" Erich Heintels.

Nach H.s eigenen Worten bringen der Band 8 und der noch nicht erschienene Band 9 "eine ,Horizonterweiterung', insofern sie allgemein auf das Problem von Philosophie und Geschichte und der Philosophiegeschichte eingehen" (5). Die in diesem Band gesammelten Aufsätze zeichnet eine Einfachheit der Sprache und damit große Verständlichkeit aus. Die Themen, die sie behandeln, sind nicht immer neu. So hat beispielsweise gleich der erste Aufsatz "Zeigt die Historie, wie es eigentlich gewesen ist?" bereits im Band 6 einen Vorläufer mit dem Titel ",Wie es eigentlich gewesen ist'". Der Aufsatz "Einige Gedanken zur Logik der Dialektik" erinnert an H.s zweibändiges Werk Grundriß der Dialektik. Die prägnante Darstellung des Gedankens und die Kürze lassen nicht nur H.s Intention, sondern auch seine Gesamtpositionierung in der Philosophie klar zum Ausdruck kommen und machen diese Abhandlungen lesens- und beachtenswert. Die Weitläufigkeit von H.s Denken zeigt sich immer wieder in Aufsätzen, mit denen er die "naturrechtliche Fundierung des Ordogedankens in der Tradition" bedenkt, so auch in der Abhandlung zum "Aristotelismus- und Transzendentalismus- ,Begriff' bei Hegel". In dem Aufsatz ",Einheit' als fundamentalphilosophisches Problem" spricht der Vf. selbst aus, was seine Intention ist: Der Versuch einer systematischen Erörterung eines Problems, das ohne den Rückbezug auf die Geschichte nicht gelöst werden kann, wobei es die hier versammelten Aufsätze nicht unternehmen, die Entwicklungen im Einzelnen auszuführen. Gerade in der Gegenüberstellung von antiker und neuzeitlicher Philosophie, Aristotelismus und Transzendentalismus, kommt dem Begriff der Erscheinung eine Schlüsselstellung zu. H. greift diesen Begriff daher immer wieder auf und versucht, ihn in seinen verschiedenen Bedeutungsweisen zu explizieren. Von diesem Bemühen her ist auch die in diesem Abschnitt eingestreute Besprechung der beiden Hauptwerke von Heinrich Barth zu sehen: Philosophie der Erscheinung und Erkenntnis und Existenz.

Wer H.s philosophische Gesprächspartner sind, zeigt sich nicht in den Überschriften der Beiträge, hier kommen die Namen Hegel und Kant maximal zweimal vor, sondern erschließt sich durch das Personenregister. Platon, Aristoteles, Leibniz, Kant und Hegel werden nicht aufgeführt, da sie, wie der Autor schreibt, "in direkten Nennungen und indirekten Bezügen gewissermaßen durchgehend präsent" sind. Besonders hervorzuheben sind die beiden religionsphilosophisch orientierten Aufsätze. Der eine ist ein Vortrag aus Anlass des 450-jährigen Jubiläums des Thesenanschlags in Wittenberg mit dem Titel "Von der Freiheit eines Christenmenschen", der andere behandelt "Die Positivität des Christentums in Hegels Religionsphilosophie". Auch der Aufsatz "Die Narrheit Don Quichotes" ist der Auseinandersetzung mit Glauben und Religion zuzuzählen. Ansetzend mit einem Wort Franz Kafkas versucht H. im Ausgang von Don Quichotes Narrheit über Luther und Schelling die "Narrheit des Apostel Paulus" zu verstehen und mit kurzen Hinweisen auf Kierkegaard, Fichte und Goethe sein Verständnis zu untermauern. Der letzte Aufsatz mit dem Titel "Zum Begriff der Erziehungslehre im Rahmen der Freiheitlichkeit menschlicher Existenz" ist in breit angelegter Weise der Frage von Bildung und Erziehung gewidmet. Dieser 8. Band, der mit Register und Quellennachweis 429 Seiten umfasst, enthält ab S. 289 sowohl Sammel- als auch Einzelbesprechungen zu Bänden der "Philosophischen Bibliothek" im Felix Meiner Verlag Hamburg. Eingeleitet werden diese Rezensionen mit einem Aufsatz "100 Jahre ,Philosophische Bibliothek' (1969)". Anschließend folgen 50 Buchbesprechungen in unterschiedlicher Länge. Die Werke der Philosophischen Bibliothek, die rezensiert sind, umfassen die zwischen 1969 und 1994 erschienenen Bände. Viele dieser Besprechungen sind noch immer lesenswert und geben einen guten Einblick in das rezensierte Buch.

Die Bände 7 und 8 sind sowohl mit einem ausführlichen Namenregister als auch einem Sachregister versehen.