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Ausgabe:

Juli/August/2001

Spalte:

772–774

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Conrad, Anne [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

"In Christo ist weder man noch Weyb". Frauen in der Zeit der Reformation und der katholischen Reform.

Verlag:

Münster: Aschendorff 1999. 232 S. 8 = Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung 59. Kart. DM 39,80. ISBN 3-402-02980-4.

Rezensent:

Gerhard Müller

Während der letzten Jahrzehnte hat die Frauenforschung zur Frühen Neuzeit einen enormen Aufschwung genommen. Dazu trugen überspitzte Thesen bei, etwa die von Joan Kelly-Gadol: "Did women have a Renaissance?" Wenn, wie die Frage beantwortet wurde, die Renaissance völlig an den Frauen vorbeigegangen war, dann konnte dies auch für die Reformation gelten. Auch für sie wurde diese These aufgestellt. Inzwischen geschieht das genaue Gegenteil: Es wird der Einfluß betont, den Frauen sowohl auf die Reformation als auch auf die katholische Reform ausgeübt haben.

Die vorliegende Publikation ist eine Zusammenfassung des Forschungsstandes und gibt auch Hinweise auf Lücken in der Erforschung einzelner Themen.

Die Hgn. betont, viele "Frauen aus unterschiedlichen Ständen" hätten "selbstbewußt und reflektiert an den konfessionellen Auseinandersetzungen" teilgenommen und "ihre Glau-bensentscheidung" getroffen. "Ehemann, Familie und gesellschaftliches Umfeld waren ... in den Entscheidungsprozeß involviert", der "nicht immer konfliktfrei" ablief. Weil sich im Spätmittelalter Laien selbstbewusster in die Kirche einbrachten- und zwar "Männer und Frauen" -, wurden "neue Handlungsräume" eröffnet. "Christozentrik, der stringente Rekurs auf die Bibel sowie ... spiritualistische Tendenzen" verbanden Frauen, die sich für die Reformation oder für die katholische Reform einsetzten. Anne Conrad ist zuzustimmen: "Die ,allgemeine' Forschung kommt nicht mehr umhin, in ihre Analysen die Fragestellungen und Ergebnisse der Frauen- und Geschlechtergeschichte einzubeziehen."

Die einzelnen Beiträge, alle von Frauen geschrieben, befassen sich mit "Humanistinnen zwischen Renaissance und Reformation" (Irene Leicht), mit Flugschriften (Silke Halbach und Antje Rüttgardt), mit Frauen im Täufertum und "als Anhängerinnen Schwenckfelds" (Nicole Grochowina) und Caroline Gritschke), mit dem Verständnis der Ehe (Barbara Henze), mit der Kirchenzucht (Siegrid Westphal), den katholischen weiblichen Orden (Gisela Muschiol) und den protestantischen Damenstiften (Lucia Koch). Dabei stehen häufig die Geschehnisse in Deutschland im Mittelpunkt (z. B. bei den weiblichen Orden in der röm.-kath. Kirche) oder es wird auf ältere, ausführliche eigene Arbeiten zurückgegriffen (etwa von S. Westphal). Insgesamt wird trotz aller Gemeinsamkeiten ein differenziertes Bild gezeichnet.

So wird deutlich, dass der gesellschaftliche Stand wichtiger war als das Geschlecht: Territorialherrinnen und adlige Damen hatten größeren Einfluss als Männer niederen Standes. Solchen Frauen wurden recht große Freiheiten eingeräumt, wenn sie sich religiös anders verhielten als die Mehrheit in ihrer Umgebung. Herausgehoben werden Vittoria Colonna, die der italienischen Reformbewegung des Evangelismus zugeordnet wird, oder Margarete von Navarra, eine Schwester von König Franz I. von Frankreich. Ihnen wird in Deutschland die Patrizierin Caritas Pirckheimer an die Seite gestellt, die "das Bild einer gebrochenen Persönlichkeit" abgebe.

Wichtig wurden Frauen, auch wenn sie nicht so hochgestellt waren, wenn sie sich in die Öffentlichkeit begaben und in Flugschriften ihre Meinung zu Gehör brachten: Argula von Grumbach, Katharina Zell oder Ursula Weide, die auf eine gegen Martin Luther gerichtete Schrift antwortete und ihn verteidigte. Thematisch ging es in vielen Flugschriften um das Klosterleben von Frauen. Viele gaben es auf, um nicht den von den Reformatoren kritisierten Eindruck von Selbstgerechtigkeit hervorzurufen und um als Christinnen in der Welt zu leben. Aber es gab auch andere Entscheidungen: "Für viele Nonnen (bot) ein Austritt aus dem Kloster keine attraktive Perspektive. Sie verloren ihren herausgehobenen Status und hatten mit geringerer oder gar keiner Mitgift wenig Chancen, sich standesgemäß zu verheiraten". Deswegen "fand das Modell ,protestantisches Damenstift' schnell Anhängerinnen" (L. Koch). Die Frage der Versorgung spielte also eine Rolle, wenn auch gelegentlich mit Recht betont wird, dass sie nicht das einzige Motiv gewesen sei.

Bei der Kirchenzucht wird auch die "Sozialdisziplinierung" diskutiert und festgestellt, dass es hier nicht allein um den Einfluss des Staates von oben gegangen sei. Vielmehr hätten auch Pfarrer und Gemeinden bei Kirchenzuchtfällen mitgewirkt. Betont wird, dass durch die Aufwertung der Ehe in beiden großen Kirchen die Stellung der Ehefrau gestärkt wurde. Frauen konnten jetzt Rechtsschutz für sich in Anspruch nehmen. Gemeinsam ist allen Gruppen - auch für die Täufer gilt das - die Unterordnung der Frau unter ihren Ehemann. Mehr Einfluss als bei den Täufern erlangten Frauen bei den Schwenckfeldern. Ihre Zahl sei hier wohl auch größer als die der Männer gewesen. "Der geringe Grad der Institutionalisierung" bei den Schwenckfeldern sei "einer der Gründe für die Anziehungskraft ... auf Frauen" gewesen. Wer sich mit dem in diesem Band behandelten Thema befassen will, tut gut daran, diese Arbeit zu beachten.