Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Juli/August/2001

Spalte:

750–752

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Levine, Baruch A.

Titel/Untertitel:

Numbers 21-36. A New Translation with Introduction and Commentary.

Verlag:

New York-London-Toronto-Sydney-Auckland: Doubleday 2000. XXII m. 4 Ktn. 612 S. gr.8 = The Anchor Bible. Lw. $ 45,-. ISBN 0-385-41256-8.

Rezensent:

Horst Seebass

Der hier anzuzeigende Band ist die Fortsetzung des ersten Bandes "Numbers 1-20" (1993), den der Rez. in der BZ 41, 1997, 121 f. hat besprechen können. Das dort Gesagte muss hier nicht im Detail wiederholt werden. Zum Verständnis des Folgenden darf man jedoch in Erinnerung rufen, dass Levine entgegen einem vor allem in Deutschland und der Schweiz herrschenden Trend m. R. an den Grundlinien der Quellenscheidung auch im Buch Numeri festhält. Wie schon zum 1. Band hervorgehoben, geht L. dabei gern an der Kommentierung von G. B. Gray, Numbers, ICC (1903), entlang.

Deutlicher als im 1. Band wurde m. E. nun der Sinn der von L. angenommenen Quelle T (Transjordanisch) profiliert. L. sieht sie nicht in Konkurrenz zu JE, sondern findet, dass JE in Num 21; 25,1-5; 32 von dieser transjordanischen Quelle Gebrauch machte. Sie liege auch der Bileamperikope zu Grunde, die aber nicht von JE überliefert werde (s. u.). Wie im 1. Band legt L. großen Wert auf eine ganz eigene Übersetzung (von JPS abweichend), für die er viel altorientalisches Material heranzieht, und damit auf umfangreiche Worterklärungen. Gegenüber dem 1. Band sind die den philologisch-exegetischen "Notes" folgenden "Comments" stark erweitert. Enthielt der 1. Band sie nur zu Num 3 f.; 5; 6; 7; 8; 10,29-12,16; 13 f., 16 f.; 19, so fehlen sie jetzt bei keinem Kap. außer zu Num 33 - der "Comment" zu Num 36 steht bei 27,1-11. Diese Vermehrung der "Comments" im 2. Band ist sicher sachgerecht.

Wie im 1. Band scheint L. keine Notwendigkeit zu sehen, dem biblischen Buch insgesamt einen irgendwie gearteten Zusammenhang entnehmen zu müssen (s. dagegen M. Douglas, In the Wilderness. The Doctrine of Defilement in the Book of Numbers, JSOT 158, 1993, 21-101; H. Seebass, Numeri, BK IV/2,2, 1995, 148-152 und die Gliederung von O. Artus, Études sur le livre des Nombres. Récit, Histoire et Loi en Nb 13,1-20,13, OBO 157, 1997). Vielmehr widmet sich L. gründlich jedem Einzelstück und verweist dabei gelegentlich auf mangelnde Verbindungen zwischen ihnen. Einführend gibt er neben einer zusammenhängenden Übersetzung (1-34) eine Übersicht über die zu exegesierenden Stücke (35-60). Von den ca. 500 Seiten Kommentierung sind 140 allein der Bileamperikope gewidmet. Besondere Aufmerksamkeit genießen auch Num 21 (60 S.), der Festkalender Num 28 f. (60 S.) und Num 32 (35 S.).

Noch stärker als im 1. Band konfrontiert L. den Leser/die Leserin mit seinen eigenen Hypothesen. Zweifellos sind sie durchweg lesenswert, und man erfährt reiche Belehrung. Zu den Eigenheiten seiner Kommentierung gehören der häufige Rückgriff auf mesopotamische und ugaritische Traditionen, die auch bei der Diskussion einzelner Wörter eine erhebliche Rolle spielen und damit zur Lexikographie beitragen sollen.

Aus der Fülle der Thesen seien wenigstens einige markante genannt. Zu 21,1-3, das L. für eine Alternativtradition zu 14, 44f. hält, behält er den König v. Arad neben dem Negebbewohner bei und bekommt dadurch Erklärungsschwierigkeiten (83 f.123; S. 84 scheinen der w und der ö Negeb vertauscht). 21,10-11 trennt er nicht von 21,4-9. Zu 21,21-31 geht er auf die relativ gut zu begründende Spätdatierung von V. 27b-30 nicht ein. In der Bileam-Perikope trennt er die seiner Meinung nach relativ alten Sprüche 23,7b-10.18b-24;24,3b-9.14b-19 (9.Jh., polytheistisch) radikal von der spätdatierten umgebenden Erzählung (exilisch-frünachexilisch). Zu 25,1-18 erörtert er ganz allgemein "Retribution and Expiation" (300-303), aber nicht, inwiefern die Tötung des Simeoniten und der Midianiterin die Ankündigungen von V. 4 f. ersetzen können. 27,1-11 und 36,1-13 werden wie häufig als Grundsatz und Ergänzung gelesen. Zu 27,12-23 fehlen empfindlich Erwägungen zu einer diachronen Analyse. Zu Num 32 und 33 bleibt die Kommentierung m. E. hinter der Forschungsdiskussion zurück. Der Abschnitt "Requiting the Debit of Blood" (561-565) zu Num 35 erklärt das alttestamentliche Prinzip "Leben für Leben" mit einem kaum belegbaren Blutmythus.

Der Vorzug einer sehr geschlossenen Kommentierung auf Grund eigener Hypothesen hat leider einen nicht geringen Nachteil. L. schreibt, als hätte er auf der weiten Welt keine Kollegen und Kolleginnen, die jedoch zu den gerade in diesem Band äußerst wichtigen Traditionen manches Bedenkenswerte in die Diskussion eingebracht haben. Die Literaturliste S. 61-76 spricht für sich: Außer amerikanischen und israelischen Autoren und Autorinnen findet man hauptsächlich noch Angelsächsisches (möglichst nicht J. Milgrom) mit ein paar geringfügigen Ausnahmen. Obwohl L. auf seine Weise viel diskutiert, redet er nicht zureichend mit der Zunft. Ein Musterbeispiel ist die Exegese der Bileamperikope. Der Leser/die Leserin wird nur auf die sehr spezifische Auffassung L.s zu Kombination I und II der Texte von Tell Der Alla festgelegt, ohne die erheblichen Unsicherheiten vieler Lesungen erwähnt zu finden (s. B. A. Levine, The plaster inscriptions from Deir Alla: general interpretation, in: J. Hoftijzer and G. van der Kooij, The Balaam Text from Deir Alla Re-evaluated. Proceedings of the International Symposium held at Leiden 21-24 August 1989 [1991] 58-72 im Vergleich mit den anderen Beiträgen). Analoges gilt für L.s polytheistische Interpretation der ersten vier Sprüche und den Exkurs zur Geschichte des israelitischen Monotheismus (225-230; das Feld der altisraelitischen Religionsgeschichte ist hoffnungslos umstritten).

Zu den höchst erfreulichen Zügen seiner Kommentierung darf man zählen, dass L. sich durchweg um topographische Probleme und den Bezug zum Land jenseits des Jordans gemüht hat- der Kommentierung sind 4 Karten beigegeben. M. R. macht L. von einschlägigen neueren Artikeln im Anchor Bible's Dictionary Gebrauch. Aber hierzu gäbe es auch weitere hilfreiche Literatur, die unberücksichtigt bleibt.

So entsteht m. E. insgesamt ein zwiespältiger Eindruck. Einerseits findet man hier eine durchweg sehr gelehrte, spezifisch Levinesche Auslegung wichtigster Texte aus dem immer wichtiger werdenden Buch Numeri, die in Anlehnung an G. B. Gray gewiss auf dem richtigen Wege ist - trotz mangelnder communis opinio, die die ganze Pentateuchforschung trifft. Andererseits fehlt eine ganze Dimension alttestamentlicher Wissenschaft, und es ist sehr bedauerlich, dass ein so gewichtiger Kollege wie B. A. Levine der in Amerika, aber nicht mehr nur dort verbreiteten Haltung folgt, lediglich Meinungen zu erwähnen, die die eigene Haltung unterstützen.