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Ausgabe:

Juli/August/2001

Spalte:

744–746

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Brenner, Athalya, and Carole R. Fontaine [Eds.]

Titel/Untertitel:

The Song of Songs.

Verlag:

Sheffield: Sheffield Academic Press 2000. 211 S. gr.8 = A Feminist Companion to the Bible (Second Series), 6. Kart. £ 16.95. ISBN 1-84127-0520.

Rezensent:

Eckart Reinmuth

Das Hohelied Salomos (Cant) bildet seit über 10 Jahren einen Schwerpunkt feministischer Exegese. Diese Entwicklung ist eng mit dem Namen der in Amsterdam lehrenden jüdischen Theologin Athalya Brenner verbunden. 1989 erschien ihre knappe und kompakte Einführung zu Cant in der Reihe Old Testament Guides. Weitere Veröffentlichungen zum Hohelied und feministischer Auslegung der hebräischen Bibel folgten (neben früheren Veröffentlichungen und diversen Aufsätzen sind hervorzuheben: Hg. zusammen mit Fokkelien van Dijk-Hemmes 19931: On Gendering Texts: Female and Male Voices in the Hebrew Bible; Hrsg. zusammen mit Carole F. Fontaine 1997: A Feminist Companion to Reading the Bible: Approaches, Methods and Strategies; 1997: The Intercourse of Knowledge: On Gendering Desire and "Sexuality" in the Hebrew Bible). Nach dem ersten Feminist Companion zu Cant, der 1993 als erster Band der von A. Brenner herausgegebenen Reihe Feminist Companion to the Bible erschienen war, ist nun als Bd. 7 der zweiten Reihe gleichen Namens ein neuer Aufsatzband zu Cant anzuzeigen. Er beansprucht gegenüber dem Buch von 1993, die Weiterentwicklung feministischer Bibelexegese zu veranschaulichen (13), und er zeigt dies v. a. mit spannungsreicher Vielfalt, kultureller Kontextualität und selbstbewusster Konstruktivität.

Das Buch ist - nach einem Vorwort (C. R. Fontaine) und einer Einführung (A. Brenner) - in drei Teile gegliedert und wird durch zwei Indices und eine Bibliographie geschlossen. Der Band enthält nicht nur Originale2 und nicht nur fachexegetische (vgl. 14) Beiträge. Die vier Aufsätze des ersten Teils sind in sehr unterschiedlicher Weise grundsätzlichen Fragen einer feministischen Auseinandersetzung mit Cant gewidmet (eine aufschlussreiche allgemeine Einführung in feministische Exegese findet sich im Beitrag von Jonneke Brekkenkamp, 55-62). Im zweiten Teil geht es um drei "specific readings"; sie bieten exemplarische Einzelstudien zu Cant 7,1-8 (vergleichende Diskussion allegorischer und feministischer Lektüren; Tendenzen zur Allegorese zeigen sich ebf. 36-54.142-151), zur Übersetzung des Cant durch Luis de León (1527-1591) sowie zu Fragen einer feministischen Applikation von Cant 2,8-14. Der dritte Teil enthält zwei autobiographische Studien der beiden Herausgeberinnen zu Cant (sie sind als das "newest methodological venture" [14] dem "autobiographical biblical criticism" gewidmet; vgl. zur Einführung das Themenheft Semeia 72, 1995) und einen Bericht zu einem eintägigen Frauenseminar (Cant 4,1-7; 4,12-5,1).

Die sehr verschiedenartigen Beiträge des Bandes machen in aufschlussreicher Weise deutlich, welche Herausforderungen und Potentiale mit der feministischen "Neuentdeckung" des Cant sichtbar werden. Feministisch engagierte Bibelwissenschaft unterschiedlicher Provenienz findet ihre Anliegen auf überraschende Weise in Cant wieder und entdeckt damit einen eigenen "Schlüssel" biblischer Theologie (vgl. 13 sowie die programmatischen "Ten Things" von Cheryl Exum, 24-35). Meine kritische Frage richtet sich an die wissenschaftliche "Anschlussfähigkeit" der vorgelegten Interpretationen und Impressionen. Kann die feministische Auslegung einerseits von der wissenschaftlich gesicherten Voraussetzung ausgehen, dass Cant nicht allegorische, sondern erotische Literatur enthält (umstritten ist indessen auch im vorliegenden Band die Frage, ob es um eine Liedersammlung oder eine geschlossene Komposition geht, ob männliche oder weibliche Verfasserschaft vorliegt u.ä.), so fällt andererseits das hohe Maß an Selbstreferenzialität im Blick auf eigene oder andere feministische Beiträge auf. Von den wegweisenden Arbeiten Othmar Keels zu Cant wird beispielsweise lediglich sein knapper Kommentar (ZBK 1986) erwähnt, und das nur in den beiden (übersetzten) Texten der drei deutschsprachigen Autorinnen (vgl. 150 A 17; 187-189 A 1-12.14). So wirkt z. B. die Diskussion des "Grotesken"3 im sog. Beschreibungslied (wasf) 7,1-8 und seine ironische Lektüre (111-129) merkwürdig und eigenwillig, wenn sie nicht zumindest in Auseinandersetzung mit anderen wissenschaftlich begründeten Positionen erfolgt. Ähnliches gilt für die Suche nach weiblichen Gottheiten im Text (vgl. 180). Die Befürchtung ideologischer Anfälligkeit liegt nahe; sie verstärkt sich, wenn man beobachtet, wie die Wandlungen in den französischen und amerikanischen feministischen Diskursen ihren Niederschlag in entsprechenden exegetischen Ergebnissen finden. Mir scheint der Austausch über die intentio operis und die "Grenzen der Interpretation" (um die Begrifflichkeit Ecos zu verwenden) unabdingbar zu sein und dringlicher zu werden. Aber hier liegt das Interesse dieses Buches offenbar nicht. Es geht ihm kaum um historische Rekonstruktionen der ursprünglich intendierten Rezeption dieser Texte, vielmehr um Möglichkeiten seiner feministischen Rezeption heute (vgl. z. B. 35. 90 f. 164.182 und die kurze Diskussion zu den Stichworten "authorial or readerly construction" 115 A 57). Entsprechend zeugen alle Beiträge auf eigene Weise von den "pleasures of reading as women", die in der Beschäftigung mit dem Hohelied Salomos zu finden sind (13; vgl. 35); sie sind auch diesem "Companion to the Bible" zu wünschen.

Fussnoten:

1) F. van Dijk-Hemmes starb 1994; ihrem Andenken ist der vorliegende Band gewidmet.

2) Die entsprechende Angabe zum Beitrag von Klara Butting ist offenbar entfallen; vgl. dies., Die Buchstaben werden sich noch wundern. Innerbiblische Kritik als Wegweisung feministischer Hermeneutik, Wittingen 21998 (Diss. Amsterdam 1993), 117-133; ferner dies./Gerard Minnaard, Auf den Spuren Abrahams und Sara. Überlegungen zu Hoheslied 2,8-14, Texte und Kontexte 55, 1992, 17-27.

3) Vgl. dazu grundlegend Margaret R. Miles, Carnal Knowing. Female Nakedness and Religious Meaning in the Christian West, Boston 1989, bes. 145-168.