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Ausgabe:

Juni/2001

Spalte:

690–692

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Oeldemann, Johannes

Titel/Untertitel:

Die Apostolizität der Kirche im ökumenischen Dialog mit der Orthodoxie. Der Beitrag russischer orthodoxer Theologen zum ökumenischen Gespräch über die apostolische Tradition und die Sukzession in der Kirche.

Verlag:

Paderborn: Bonifatius 2000. 434 S. gr.8 = Konfessionskundliche und kontroverstheologische Studien, 71. Lw. DM 120,-. ISBN 3-89710-131-9.

Rezensent:

Martin Tamcke

Die hier vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 1999 von der Katholisch-Theologischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster als Dissertation angenommen. Angeregt wurde sie vom mittlerweile verstorbenen Prof. Garijo-Guembe, betreut dann von Prof. Wagner (Zweitgutachten: Bremer).

Im Vorwort bereits beschreibt der Vf. Erfahrungen - möglicherweise wäre besser von Erlebnissen zu sprechen - aus der Erwachsenenbildung, die den praktischen Hintergrund verdeutlichen und die theologische Forschung an den Dienst der Kirche (im Sinne der Verantwortlichen und im Sinne der Gläubigen auf ihrem Weg zur Einheit der Kirchen, 11) binden. Der Verfasser, der seit Juli 1988 Referent bei RENOVABIS in Freising ist, entspricht diesen Hinweisen mit einer klaren, unkomplizierten Sprache und einem methodisch transparenten Verfahren. Als Theologe und Slawist mag die Konzentration auf den Beitrag russischer orthodoxer Theologen zum ökumenischen Gespräch über die apostolische Tradition und Sukzession in der Kirche auch pragmatische Gründe gehabt haben, benannt werden aber sachlich greifbare wie die starke Verflechtung der russischen Kirche in die ökumenischen Gespräche und die damit breite Quellenbasis für die Erhebungen (17).

Bestimmte Fragestellungen werden von vornherein ausgeschlossen: etwa die Frage des Offenbarungsverständnisses, die Beziehung zwischen Amt und Gemeinde, das Verhältnis von Orts- und Universalkirche und - man beachte! - die Funktion, die das Papstamt nach römisch-katholischem Verständnis für die Formulierung und Ausgestaltung der apostolischen Tradition hat (19). Ein Katalog heuristischer Fragestellungen zu den Dokumenten wird entworfen (etwa: Welches Verständnis der apostolischen Sukzession zeigt sich in den Dokumenten?, 20), der ein zweiter der Position der ROK dient, in dem etwa nach der Erkennbarkeit von Grundlinien oder der Spiegelung des Selbstverständnisses gefragt wird (21). Der Analyse liegen die deutschen Übersetzungen (mit Originalfassung verglichen) zu Grunde. Einbezogen werden die bilateralen Dialoge der ROK wie die Dialoge der Orthodoxen Kirchen auf Weltebene und etwa bei der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung. Es ist schon beeindruckend, wie stark hier die Quellenbasis den Kontext protestantisch-orthodoxer Kontakte heranzieht. Der internationale Dialog mit der römisch-katholischen Kirche umfaßt lediglich 22 Seiten (317-339), der mit den Anglikanern 18 (281-299), der mit den Altkatholiken 18 (299-317) und der mit den Lutheranern 15 (339-354). 130 Jahre ökumenischer Gespräche der ROK überblickt die Arbeit, indem sie mit den Dialogen mit den anglikanischen Nonjurors des 18. Jh.s (26-47) und denen mit den Altkatholiken im 19. Jh. beginnt (47-67), um dann mit der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen fortzufahren, in der besonders die Exiltheologen Großes leisten (68-112). Frühere Kontakte zwischen Lutheranern und der russischen Orthodoxie (vgl. Arbeiten von Kahle, Amburger) bleiben außen vor. Übrigens spricht der Verfasser u. a. derentwegen vom Beitrag russischer orthodoxer Theologen. Unter der ROK versteht er die anerkannte Kirche des Moskauer Patriarchats und schließt ausdrücklich die Russische Orthodoxe Kirche im Ausland aus, die dem ökumenischen Dialog bis heute insgesamt ablehnend gegenüberstehe (20).

In dem Abschnitt über die Gespräche nach dem Zweiten Weltkrieg werden sowohl die Dialoge der EKD (140-168) als auch die des Bundes Evangelischer Kirchen in der DDR (168-186) einbezogen, begleitet von den Dialogen mit der Evangelisch-Lutherischen Kirche Finnlands (187-202). Ein kurzer Blick auf die weiteren ökumenischen Dialoge (mit der römisch-katholischen Kirche, der Church of Brethren, den Disciples of Christ und der United Methodist Church) runden den Durchgang ab, um sodann die multilateralen (214-280) und die bilateralen Dialoge auf Weltebene (281-362) ins Auge zu fassen. Daß die in den Dokumenten oft hervortretende harmonisierende Sichtweise Probleme mit sich bringt, verhehlt der Autor nicht, wenn er auch besonders den Mangel reformatorischen Profils in den lutherisch-orthodoxen Dialogen versteht als Versuch, sich auf neue Worte einzulassen, um alte Probleme zu überwinden, um der Erkenntnis Rechnung zu tragen, daß das Beharren auf dem je eigenen Konfessionsprofil von vornherein möglicherweise zu erzielenden Erfolgen abträglich sein kann (362).

O. glaubt, dass sich auf der Basis der erreichten Ergebnisse beim römisch-katholischen/orthodoxen Dialog Lösungen auch für die umstrittenen Gegenwartsfragen finden lassen und verweist ausdrücklich auf Balamand, dessen Nicht-Rezeption eine Folge psychologischer Barrieren sei, die erst durch einen neuen Dialog der Liebe zu überwinden seien, der die mit Rom unierten Kirchen mit einbeziehe. Wertungen der Dialoge als hoffnungsvolle Beispiele für den Beitrag theologischer Dialoge zur Annäherung der getrennten Kirchen (362) verhindern nicht, daß eine der fundamentalen Anfragen der jüngeren Zeit immerhin noch in den Blick kommt. Die Dialoge seien wenig bis gar nicht in das kirchliche Leben der russischen Orthodoxie eingebettet, sondern einem kleinen Kreis von Experten vorbehalten gewesen (402). Die fatalen Folgen seien nach dem Zusammenbruch des Sowjetregimes zu erkennen, wenn etwa das Bild der römisch-katholischen Kirche in den Seminaren der ROK heute oft noch das von vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil sei (403), und fordern daher die Förderung von Kontakten auf Gemeindeebene (405). Die Reflexion über die Apostolizität der Kirche diene dazu, sich der Identität des christlichen Glaubens zu vergewissern. Mit einer ökumenischen Vision endet der Autor: Wenn es den Kirchen gelänge, das apostolische Kerygma den Menschen von heute nahe zu bringen, werde ihr Zeugnis vor der Welt umso deutlicher (409). Was aber ist zeitgemäß, wenn man nicht einfach den Zeitgeist bedienen will? Und was bedeutet eine Orientierung am Ursprungszeugnis der Apostel? Der Lutheraner Risto Saarinen hatte 1997 die lutherisch-orthodoxen Dialoge von 1959-1994 einer gründlichen Bearbeitung unterzogen.

O.s Arbeit liefert nun katholischerseits mit Rückgriff auf das Gesamtgeschehen anhand der Dialoge mit einer einzelnen orthodoxen Kirche für die Apostolizität der Kirche eine für die Ökumene engagierte und lesenswerte Detailstudie, die helfen kann, schon Errungenes in den Turbulenzen der Gegenwart nicht einfach zu verlieren, sondern mit den Erfordernissen der heutigen Situation möglichst zu verbinden. Zugleich bietet er anhand seiner Leitfrage einen beachtenswerten Überblick zur Gesamtgeschichte der ökumenischen Dialoge mit der Russisch-Orthodoxen Kirche.