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Ausgabe:

Juni/2001

Spalte:

689 f

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Titel/Untertitel:

Kirche im Osten. Studien zur osteuropäischen Kirchengeschichte und Kirchenkunde. Im Auftrag des Ostkirchenausschusses der Evangelischen Kirche in Deutschland und in Verbindung mit dem Ostkirchen-Institut der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster hrsg. von G. Schulz. Bd. 42/43 (1999/2000).

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht 2000. 272 S. Geb. DM 110,-. ISBN 3-525-56396-5.

Rezensent:

Friedrich Heyer

Mit diesen Studien wendet das evangelische Deutschland sein Gesicht dem christlichen Osten zu. Von den fünf großen Aufsätzen des Buchanfangs behandeln vier solche Themen, die geschichtsträchtige Geschehnisse im Russland des 20 Jh.s betreffen. Schulzens Landeskonzil der Orthodoxen Kirche in Rußland 1917/18 und seine Folgen untersucht ein in jeder russischen Kirchengeschichte bereits breitgetretenes Thema mit einer Gründlichkeit, die es erlaubt, völlig neue Aspekte zu entdecken. In den Bänden VII bis IX der Deijanija waren gerade 89 Konzilsitzungen neu bekannt geworden. das im Konzil entworfene Programm blieb immer in Geltung. So hat das Konzil Geschichte gemacht, nämlich die Durchhaltekraft der Orthodoxen Kirche durch sieben Jahrzehnte sowjetischer Verfolgung ermöglicht.

Hans-Christian Diedrich gibt dem deutschen Luthertum in Russland, das heute unter der weisen Leitung durch Erzbischof Kretschmar in der Elkras seine Gemeinden sammelt, eine vollständige Vorgeschichte. Michael Skarovskij (St. Petersburg) lässt den Selbstwiderspruch erkennen, in dem unterschiedliche deutsche Instanzen während der Besetzung russischen Gebiets im Zweiten Weltkrieg das orthodoxe Kirchenleben zu fördern oder zu zerstören suchten. Ein erschreckendes Bild! Wünschenswert wäre ein Hinweis gewesen, dass im Operationsgebiet diese Bestimmungen nicht beachtet wurden.

Die langjährige Assistentin in Münster, Frau Gisela Athanasia Schröder, stützt ihre karitative Gründungen und Martyrium einschließende Biographie der Hessendarmstädter Prinzessin Elisabeth (Elizaveta Fedorovna), Schwester des Großherzogs Ernst Ludwig und Gattin des Großfürsten Sergeij, auf eine erstaunliche Quellenkunde. Ein Zug im Leben der Prinzessin, nämlich ihre Klostergründung auf dem Ölberg in Jerusalem, jetzt Ort ihrer Reliquie, fehlt hier. Das ist angesichts der Themabegrenzung aber verständlich.

Indem er das sorbisch-lutherische Vereinswesen Mitte des 19. Jh.s zum Thema wählt, will Peter Hauptmann in einem entlegenen Winkel der Kirchengeschichte eine bemerkenswerte Erscheinung bekannt machen. Neben den politischen Vereinen der Lausitz wurden von Jaromer Hendrich Imis kirchliche Vereine zur geistlichen Erweckung und Befestigung in der Periode der größeren Selbständigkeit der Kirche gegründet. Gerade in den Dörfern ohne Kirche und Pfarrhaus entwickelte sich das neue Vereinsleben, eine ausgesprochene Laienbewegung. Am 2. Mai 1849 erschien mit der ersten Nummer der Zeitschrift Zernicka (der Morgenstern) das Vereinsblatt. Unter den Vereinsvorsitzenden ragt Jan Swora hervor, ein Bauernsohn, der 1851 rund 100 Sorben nach Australien führte. Nach der Vereinsverfassung hatte jeder das Recht zu sprechen und zwar in sorbischer Sprache, nur alles nach der Reihe. Den Glauben betreffende Zwistigkeiten haben einzig durch die Heilige Schrift und die Symbolischen Bücher, nicht aber durch Abstimmung ausgeglichen zu werden. Vorbild für diese Statuten waren diejenigen der Vereine in den anderen sächsischen Landesteilen, wo unter dem Schutz des neuen, im März 1848 vom liberalen Ministerium erlassenen Versammlungsrechtes eine Flut von Vereinsgründungen einsetzte. Als Anfang 1850 Adolf von Harless als Oberhofprediger eingesetzt wurde, begrüßte ihn eine sorbische Vereinsdelegation in Dresden, und Swora betonte, die größten Gerichte Gottes seien nicht fern, wenn im Kirchenregiment die höchsten Ämter mit Ungläubigen besetzt sind. Daß sich hier eine solche Besetzung nicht ereignet hat, haben wir in unseren sorbischen Lausitzen für eine besondere Gnade Gottes erkannt. Die Übersetzung der Symbolischen Bücher ins Sorbische wurde vorangetrieben.

Die Aufgabe, uns über Entwicklungen in den lutherischen Baltenländern und in den orthodoxen Kirchen des Balkans ins Bild zu setzen, kommt Band 42/43 der Tradition entsprechend nach. Der Rumänienbericht leuchtet die Wiedererrichtung des vor 400 Jahren errichteten Bistums Hus.i im Jahre 1996 an, das 1949 von der kommunistischen Regierung aufgelöst worden war. Aus Bulgarien berichtet Döpmann über die andauernde Kirchenspaltung, die im Mai 1992 entstanden ist, als Politiker den Rücktritt der Kirchenführung nach dem Vorbild der Staatsführung forderten und die bulgarische Kirche nur bei Amtsenthebung des Patriarchen Maksim anzuerkennen bereit waren. Drei Metropoliten erhoben den Pimen von Nevrokop zu ihrem Stellvertretenden Vorsitzenden des Sinods und im Juli 1996 zum konkurrierenden Patriarchen, vom Staat legalisiert. Nur 80 von 700 Priestern gehören zu den Schismatikern. Dass die Gesamtorthodoxie unter Anwesenheit des ökumenischen Patriarchen und des Moskauer Patriarchen Aleksij II. am 30. September 1998 in der Aleksandr-Nevskij-Kathedrale zusammentrat, um die Probleme einer autokephalen Kirche zu lösen, erbrachte einen Buß- und Versöhnungsakt, der aber nur fünf Tage hielt.