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Ausgabe: | Juni/2001 |
Spalte: | 665 f |
Kategorie: | Systematische Theologie: Ethik |
Autor/Hrsg.: | Knoepffler, Nikolaus |
Titel/Untertitel: | Forschung an menschlichen Embryonen. Was ist verantwortbar? |
Verlag: | Stuttgart-Leipzig: Hirzel 1999. 203 S. gr.8. Pp. DM 78,-. ISBN 3-7776-0960-9. |
Rezensent: | Christian Schwarke |
Ob Forschung an menschlichen Embryonen erlaubt sei oder nicht, beschäftigt seit Jahren die ethische Diskussion. 1985 legte in Großbritannien die sog. Warnock-Kommission dazu einen Bericht vor, in dem eine Erlaubnis zur Forschung unter bestimmten Voraussetzungen bis zum 14. Tag nach der Befruchtung der Eizelle empfohlen wurde. Im Gegensatz dazu wurde solche Forschung in der Bundesrepublik mit dem Embryonenschutzgesetz von 1990 rigoros verboten. Dennoch riss die Diskussion um das Problem nicht ab. Dahinter stehen einerseits gewichtige Interessen an möglichen Forschungsergebnissen, andererseits der Zweifel daran, ob sich das Verbot rational halten lässt angesichts einer Praxis des Schwangerschaftsabbruches, die weit über jedes in der Forschung diskutierte Datum hinaus eine Tötung in Kauf nimmt.
K. hat sich in seiner Münchner Habilitationsschrift mit diesem Problem in überaus klarer und für alle beteiligten Disziplinen verständlichen Weise auseinandergesetzt. Zu Beginn nimmt K. eine Positionsbestimmung seines ethischen Ausgangspunktes vor. Hier werden Emotivismus, Relativismus, Naturalismus und eine Deduktionsethik ausgeschlossen, um anschließend kurz zum Kern der ethischen Diskussion um die Embryonenforschung, dem Personbegriff, Stellung zu nehmen. Die Würde der Person wird als Instrumentalisierungsverbot ausgelegt und dies im Anschluss an Gewirth ethisch begründet. Letztlich handelt es sich dabei um eine mit Elementen des Utilitarismus verbundene handlungstheoretische Rekonstruktion der Goldenen Regel.
Insofern ein menschliches Wesen nach K. durch einen menschlichen Chromosomensatz definiert wird, ist klar, dass ihm prinzipiell ein entsprechender Status zukommt. Schwieriger ist die Frage zu klären, ob es sich bei einem Embryo auch um eine Person handelt. Diese zentrale Frage der ethischen Debatte wird im folgenden von K. in drei Anläufen behandelt:
Da philosophische Ausführungen heute nicht mehr gegen den naturwissenschaftlichen Befund Plausibilität erreichen können, wird zunächst der Stand der naturwissenschaftlichen Forschung referiert. Hierbei legt K. Wert auf die Feststellung, dass bereits vor der Befruchtung ein geordneter, strukturierter Prozess abläuft. Es gibt keinen Zeitpunkt, der die Entstehung menschlichen Lebens kategorial abheben würde. Freilich gibt es mehrere signifikante Zeitpunkte (55), die für eine ethische Urteilsbildung relevant sein können.
Der nächste Abschnitt ist der Frage nach dem ontologischen Status des Embryo gewidmet. Eine seit dem 18. Jh. die Diskussion begleitende Unterscheidung aufgreifend, stellt K. präformistische und epigenetische Theorien dar. Der Autor favorisiert dabei eine organismische Theorie, die den Embryo als Teil des Lebensprozesses begreift, der prinzipiell erst mit seinem Ende voll erfasst werden kann. Individuelles Leben ist als Einheit zu begreifen, ohne diese Einheit freilich substanziell verstehen zu wollen. Das unterscheide eine organismische Theorie vom klassischen Potentialitätsargument. Da jedwede Klärung der ontologischen Frage noch keine Entscheidung über den moralischen Status des Embryo mit sich bringt, bildet dieses Problem den dritten Zugang. K. unterscheidet hier drei mögliche Argumentationsweisen: eine personale, eine antipersonale und eine mittlere Position. Letztere Option hält der Autor dabei für die angemessene, da sie es erlaubt, sowohl dem naturwissenschaftlichen Befund als auch den ontologischen und moralischen Unsicherheiten Rechnung zu tragen. Da letztlich weder naturwissenschaftlich, noch ontologisch, noch moralisch eindeutig und konsensfähig geklärt werden könne, was ein Embryo sei, könne eine mittlere Position die unterschiedlichen Erkenntnisse am besten integrieren. Im Prinzip wird damit eine Plattform etabliert, die einerseits Entscheidungsfreiraum bietet, andererseits aber klare Grenzfälle des ethisch nicht mehr Begründbaren markieren kann.
Da es in der Frage der ethischen Bewertung der Embryonenforschung wesentlich auf die Zielsetzung ankommt, entfaltet K. abschließend mögliche Entscheidungen in Bezug auf konkrete Forschungsvorhaben wie die Reproduktionsmedizin, Transplantation oder Klonierung.
Das Buch ist von großer Vorsicht gekennzeichnet, vorschnell Position zu beziehen. Der Leser bekommt einen Überblick über die möglichen Optionen, der in seiner Klarheit seinesgleichen sucht. Davon ausgehend wird erarbeitet, zu welchen Lösungen die jeweiligen Optionen führen. Da es dem Autor um Konsensfindung geht, wird eine Vermittlungsposition eingenommen, aber nicht aufgedrängt.
Das Buch ermöglicht es nicht, die Diskussion zu beenden, aber es klärt, worauf sie beruht. Das ist- gerade in seiner auch für Naturwissenschaftler verständlichen Form - ein erhebliches Stück Aufklärung.