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Ausgabe:

Juni/2001

Spalte:

652 f

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Mohr, Daniela

Titel/Untertitel:

Existenz im Herzen der Kirche. Zur Theologie der Säkularinstitute in Leben und Werk Hans Urs von Balthasars.

Verlag:

Würzburg: Echter 2000. XIV, 471 S. 8 = Studien zur systematischen und spirituellen Theologie, 28. Kart. DM 58,-. ISBN 3-429-02223-1.

Rezensent:

Wolfgang Beinert

Die Rezeption des immensen Werkes des Schweizer Theologen im deutschen Sprachgebiet hält sich, so weit zu sehen, in maßvollen Grenzen; in den USA erlebt es derzeit eine erstaunliche Renaissance. Dank verdient jedenfalls das Unternehmen der jungen Mainzer Pastoralassistentin, mit der in Frankfurt (St. Georgen) unter der Betreuung von M. Kehl erarbeiteten umfänglichen Dissertation erneut die Aufmerksamkeit auf einen der fruchtbarsten Theologen des 20. Jh.s gelenkt zu haben. Selbst dezidiertes Mitglied einer Säkulargemeinschaft (Frauen von Schönstatt), untersucht sie die Ortung dieser jüngsten Rechtsform des geweihten Lebens (vita consecrata) durch Balthasar, der seinerseits zu den Begründern der Johannesgemeinschaft, eines Säkularinstituts also, gehört.

Im ersten Teil des Werkes unternimmt die Vfn. einen historischen Gang durch Leben und literarisches Opus ihres Protagonisten (10-164), der sich durch die Verflechtung der Biographie Balthasars mit der Johannesgemeinschaft von selber anbietet. In ziemlich unkritischer Weise stellt sie seine Prägung durch den Jesuitenorden wie auch durch Adrienne von Speyr, die der Grund für die Lösung von jenem wurde, heraus. Ein Querschnitt durch das Monumentalwerk liefert die nötigen Subsidien, um den spirituellen Ort der Räte-Theologie aufzuweisen - kein leichtes Unterfangen, hat doch Balthasar nur wenige Seiten hinterlassen, die sich ausdrücklich mit der Thematik befassen; um so mehr steht sie allerdings im bleibenden Licht seiner zahllosen Erwägungen über das christliche Mysterium. Diese Tatsache erhebt einlässlich und nun auch mit der erforderlichen wissenschaftlichen Kritikbereitschaft der zweite Teil mit der Überschrift Systematischer Gang. Er gliedert sich seinerseits in eine Untersuchung der Ekklesiologie (Ekklesiologische Bestimmung der Lebensform, 167-264) und den Versuch einer Integration des Themas in die Gesamtdogmatik des Basler Denkers (Trinitarisch-theologische Bestimmung der Lebensform, 265-447). Ein knappes Schlusskapitel bietet die Zusammenfassung der Analyse (448-455). Das angesprochene Fehlen einer einlässlichen Thematisierung der Säkularinstitute wie das ständige Umkreisen der damit verbundenen Theologumena durch die Autorin bedingt den Verzicht der Darstellung auf die Chronologie zu Gunsten einer durchgreifend systematischen Erörterung. Eine Bibliographie steht am Ende des Buches. Schwer anzukreiden ist, meint der Rez., gerade für diese Arbeit das Fehlen jeglicher Register, die sie verfügbarer für die weitere Forschung hätte werden lassen.

Welcher Beitrag für die Forschung ist inhaltlich geleistet? An sich war die Idee einer Christusnachfolge auf Grund der so genannten Evangelischen Räte mitten in der Welt ein grandioser Gedanke unter der Perspektive der wachsenden Säkularisierung, die sich um die Mitte und in der 2. Hälfte des 20. Jh.s immer markanter abgezeichnet hat. Balthasar hat das erkannt und gewissermaßen das gesamte Arsenal seiner theologischen Waffen zur Verteidigung aktiviert. Ein in seiner Bedeutung noch gar nicht ganz eingeholter Leitgedanke war die Erkenntnis von der immanenten Christlichkeit der Verweltlichung der Welt im Sinn des Bewusstseins von der Eigenwertigkeit der Schöpfung. Wenn die Vfn. am Ende doch ein eher resigniertes Urteil über den Erfolg seiner ebenso frommen wie tiefen Erwägungen auf dem Hintergrund der Trinitätstheologie und Christologie abzugeben sich veranlasst fühlt, so liegt der Grund darin, dass Balthasar schlussendlich nie ganz die ignatianisch-ordenschristliche Prägung überwinden konnte, die in einem letztlich doch unüberwundenen Dualismus zwischen der hierarchisch höherrangigen Räte-Existenz und der Laikalität (verdichtet in der Ehe) gründet. Alle Versuche einer Höherwertung des Welt-Lebens konterkarieren die Überzeugung, der eigentliche Adelsstand in der Kirche bestehe aus den Befolgern der vita consecrata. Laikalität ist per Saldo lediglich ein Nichtgerufensein zu einer qualitativen Sendung (Balthasar, Christlicher Stand, 133), also ein Negativum. Die Vfn. stellt das sehr klar heraus und verweist bei der Ursachensuche zu Recht auf das Fehlen einer ausgearbeiteten Theologie der Taufe im Werk des Schweizers. Heute, ein gutes Jahrzehnt nach seinem Tod (1988), sind die restriktiven Implikationen der traditionellen Ständeordnung so sehr bewusst geworden, dass dessen Ansätze, sie von der klassischen Theologie her zu überwinden, sich mehr und mehr als Sackgassen herausstellen. Damit aber bricht auch die Frage auf, die auf den letzten Seiten der Dissertation angesprochen wird: Haben die Säkularinstitute ausgedient? (454 f.).

Weil die Vfn. in klarer, didaktisch gut aufgebauter, informierter und instruktiver Art nicht nur einen bedeutenden Theologen nahebringt, dessen Leben mehr oder weniger mit dem 20. Jh. zusammenfällt, sondern auch auf nach wie vor kirchenwichtige und immer noch nicht einlässlich analysierte theologische Probleme den Finger legt, darf die Arbeit begrüßt und den Interessierten guten Gewissens empfohlen werden.