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Ausgabe:

März/1999

Spalte:

332–335

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Torrance, Thomas F.

Titel/Untertitel:

(1)Divine and Contingent Order.
(2)Space, Time and Resurrection.

Verlag:

(1)Edinburgh: Clark 1998. X, 162 S. 8. Kart. £ 13.95. ISBN 0-567-08608-9.
(2)Edinburgh: Clark 1998. XV, 196 S. 8. Kart. £ 12.50. ISBN 0-567-08609-7.

Rezensent:

Thomas Zeilinger

T&T Clark hat im Jahr seines 85. Geburtstages zwei Bücher von Thomas F. Torrance neu aufgelegt, die je auf ihre Weise sein beeindruckendes wie ehrgeiziges Programm einer "objektiven" und "realistischen" Theologie zur Darstellung bringen. Dabei unterstreichen die beiden Bände die zwei Pole, um die das uvre des 1979 emeritierten Edinburgher Theologen kreist: In "Space, Time and Resurrection" (ursprünglich 1976 bei The Hendsel Press erschienen) steht die biblische Botschaft von Inkarnation und Auferstehung im Zentrum der Überlegungen des Autors, in "Divine and Contingent Order" (zuerst 1981 bei Oxford University Press verlegt) die Frage einer zeitgemäßen, theologisch wie naturwissenschaftlich verantworteten Kosmologie.

"Space, Time and Resurrection" dokumentiert die kirchliche Verbundenheit des Pfarrers und zeitweiligen Moderators der (reformierten) Kirche von Schottland. In diesem aus seinen Christologie-Vorlesungen an der Universität von Edinburgh erwachsenen Buch wendet er sich bewußt an ein weiteres kirchliches Publikum. Ziel ist eine in sich stimmige Darstellung der Auferstehung in Treue gegenüber ihrer biblischen Bezeugung, die Tatsächlichkeit der leiblichen Auferstehung und des leeren Grabes eingeschlossen (XI f.).

Bereits die Einleitung verrät freilich, wie wenig man T. dabei einfach naiv-biblizistisch (miß-)verstehen darf. Die göttliche Offenbarung mag bestimmten menschlichen Verstandes- und Anschauungsformen widersprechen, doch ist es T. gerade darum zu tun, die Vereinbarkeit der christlichen Offenbarung mit den verstandesmäßig faßbaren Strukturen von Raum und Zeit zu erweisen: "Divine revelation and intelligible content belong inseparably together" (2). Dabei gerät nun freilich gerade die Rich tung moderner Theologie unter das Verdikt von T., die die Verstehbarkeit der Auferstehung durch Übersetzung in andere, zeitgemäßere Horizonte gewährleisten will, allen voran die existenziale Interpretation R. Bultmanns (4 ff.). Ihr - wie aber (m. E. zu Unrecht) überhaupt allen phänomenologisch oder nominalistisch sich entwerfenden Theorien - hält T. entgegen, daß der Glaube allein in der objektiven Wirklichkeit der Selbstoffenbarung Gottes gründet: "The only proper ground of faith is the reality to which it is correlated as its objective pole" (19).

Als für die christliche Theologie entscheidende Letztgültigkeiten ("ultimates") setzen die Inkarnation und die Auferstehung dabei in der Interaktion von Gott und Mensch in Raum und Zeit den Rahmen, innerhalb dessen das ganze Evangelium zu interpretieren ist. Die Auferstehung kann deshalb nicht ihrerseits auf der Basis anderer Begründungshorizonte expliziert werden, sondern expliziert sich selbst.

Methodisch impliziert dies bei T. ein zirkuläres Verfahren, das s ich gleichermaßen auf axiomatische Setzungen rückbezieht, wie es diese in sich konsistent auszulegen sucht (15). Dem entspricht, daß Inkarnation und Auferstehung als ein Handeln Gottes innerhalb der Strukturen von Raum und Zeit einerseits für eine rationale Untersuchung gemäß dieser Strukturen offen sein müssen, (d. h. daß die Theologie den Dialog mit den Naturwissenschaften auch im Blick auf die Auferstehung suchen muß). Als "boundary conditions" entziehen sie sich aber andererseits einer durchgängigen Erklärung und Verifizierung innerhalb der natürlichen Ordnung der Dinge (22).

Im 1. Kapitel des Buches "Das biblische Konzept der Auferstehung" stellt T. diesen prinzipiellen Überlegungen Aussagen des Alten und Neuen Testamentes zur Seite. Dabei unterstreicht er besonders die Bedeutung der Auferstehung Christi für die ganze Schöpfung.

Das 2. Kapitel befaßt sich mit dem Zusammenhang der Auferstehung zur Person und den beiden Naturen Christi. Erniedrigung und Erhöhung, Kreuzigung und Auferweckung sieht T. nicht als aufeinander folgende Ereignisse, sondern als zwei Seiten desselben Geschehens, in dem Gott im Menschen an der gefallenen Schöpfung heilvoll handelt (46 ff.) Die Auferstehung tritt nicht akzidentiell zu Person und Wesen Christi hinzu, sie bringt diese vielmehr entscheidend zum Ausdruck. "What Jesus Christ is in his resurrection, he is in himself ... the whole Jesus Christ ... is the content of the resurrection." (60)

Das Werk Christi steht im Mittelpunkt des 3. Kapitels. T. plädiert darin für ein effektives Verständnis der Rechtfertigung. Die Auferstehung Christi muß als Erlösung und Befreiung des Menschen in derselben Sphäre des einen, raumzeitlichen Lebens gedacht werden, zu dem das Menschsein in seiner Geschöpflichkeit gehört. "Everything depends on the resurrection of the body, otherwise all we have is a Ghost for a Saviour." (87)

Wie aber ist dann die Natur des Auferstehungsereignisses zu denken? Die A. ist als historisches Ereignis in Raum und Zeit zu verstehen, dabei kehrt sie jedoch als "ultimate" und "boundary condition" die Zeitrichtung um: Während die Zeit unter der Macht der Sünde rückwärts, zum Tode hin, verläuft, wird sie mit der Auferstehung nach vorne geöffnet - so das 4. Kap. "Jesus remains live and a real historical happening, more real and more historical than any other historical event, for this is the only historical event that does not suffer from decay and is not threatened by annihilation and illusion." (95)

Der Himmelfahrt Christi und ihren theologischen Implikationen, wie sie sich in der Diskussion um das Extra-Calvinisticum verdichten, widmen sich die beiden folgenden Abschnitte des Buches, es folgen historische, sakramentale und eschatologische Aspekte der Parusiethematik (Kap. 7). Im letzten Kapitel "The Lord of Space and Time" faßt T. sein Anliegen in den Stichworten "objectivity of the resurrection" und "interrelation between redemption and creation" zusammen. Entscheidend ist für ihn dabei die Überwindung falscher dualistischer Vorstellungen, die einem angemessenen Erfassen der Wirklichkeit der Auferstehung im Wege stehen.

Die naturwissenschaftlichen Einsichten, die nach T. heute ein rationales Nachvollziehen der christlichen Botschaft von Inkarnation und Auferweckung ermöglichen, stehen nicht nur knapp gefaßt am Ende dieses, sondern bilden zugleich den Focus des zweiten anzuzeigenden Buches. In "Divine and contingent Order" - "an essay in the tradition of Scottish realist theological and epistemological thought" (X) - wendet T. sich bewußt an ein naturwissenschaftlich und wissenschaftstheoretisch interessiertes Publikum. Die ersten 3 Kapitel geben Vorträge wieder, die T. zwischen 1977 und 1979 bei internationalen Konferenzen gehalten hat. Darin sucht er in unterschiedlichen Anläufen zu zeigen, daß der jüdisch-christliche Gedanke einer kontingenten Schöpfung und die zeitgenössische physikalische Theorie sich gegenseitig zur rationalen Erfassung des Universums helfen:

Anders als ein deterministisches Weltbild, wie es im Gefolge Newtons die Naturwissenschaften lange Zeit bestimmt hatte, bietet das Weltbild der modernen Physik (im Gefolge Einsteins) der Theologie eine Möglichkeit, ihr genuines Anliegen - göttliche Freiheit und die Freiheit der Schöpfung - jenseits der Alternative von Willkür und Notwendigkeit wissenschaftlich zu entfalten. Umgekehrt ermöglicht im Unterschied zu einer deistischen Gottesauffassung das christliche Gottesverständnis, wie es im Inkarnationsgedanken kulminiert, der Naturwissenschaft die Integration ihrer Wirklichkeitssicht (24). Es bietet ihr einen Grund, den diese sich nicht selbst geben kann, der sie aber zugleich dazu befreit, sie selbst zu sein, d. h. die Welt zu erforschen "acsi deus non daretur" (26). In geschichtlicher Perspektive findet T. diesen Sachverhalt dadurch belegt, daß die christliche Konzeption der creatio ex nihilo als einer aus dem Liebeswillen Gottes entspringenden kontingenten Ordnung überhaupt erst die empirische und experimentelle Erforschung der Welt ermöglicht hat (26; 71; u. ö.).

So bildet das "Konzept der kontingenten Ordnung" den gemeinsamen Faktor, auf den sich die theologische wie die naturwissenschaftliche Perspektive beziehen: die Theologie, um die Voraussetzungshaftigkeit aller empirischen Annäherungen an diese Ordnung einzuschärfen (und damit zur Kritik aller Verstellungen dieser Ordnung beizutragen), die Naturwissenschaft, um an der - theologisch notwendigen! - Aufgabe der fundamentalen Verstehbarkeit ("intelligibility") der Strukturen des Universums zu arbeiten.

Im 4. Teil des Buches bearbeitet T. das Problem, wie denn in dieser kontingenten Ordnung die Unordnung und das Böse verstanden werden können. Wie in den anderen Kapiteln erörtert er die damit verbundenen Fragen - etwa des Verhältnisses von malum morale und naturale - unter intensivem und souveränem Einbezug zahlreicher Denkansätze der Philosophie- wie der Theologiegeschichte. Im Mittelpunkt steht dabei die Einsicht, daß nicht eine Erklärung der Herkunft des Bösen, sondern das inkarnatorische Handeln Gottes zur Überwindung des Bösen der Ausgangspunkt aller weiteren Überlegungen sein muß (114 f.). Von hier aus unterstreicht T. zum Ende seines Buches die besondere "priesterliche" Rolle des (gerechtfertigten) Menschen zur Versöhnung (mit) der Natur: "It is in this light that Christian theology must regard man’s God-given role in natural scientific inquiry, ... to be the instrument under God whereby physical evil and disorder are rectified and are made, contrary to what they may actually be, to serve the whole created order." (138)

Beide Bücher belegen die enzyklopädische Weite und die systematische Tiefe, die die Theologie von T. gleichermaßen auszeichnen. Die Originalität, in der er Dogmengeschichte und moderne Wissenschaftstheorie aufeinander bezieht, sucht ihresgleichen in der Theologie dieses Jahrhunderts. Wieweit sie allerdings für den binnentheologischen wie für den interdisziplinären Diskurs an der Schwelle zum dritten Jahrtausend vorwärtsweisende Impulse zu eröffnen vermag, hängt davon ab, ob die Voraussetzungen seines Entwurfs tragen: Gewährleistet die moderne Physik in ihrer Einsteinschen Richtung auch zukünftig die Integration eines wissenschaftlichen Weltbildes? Läßt sich für die Explikation des christlichen Glaubens material wie hermeneutisch ein so hohes Maß an "Ordnung", "Rationalität" "Objektivität" und "Realität" beanspruchen, wie T. dies der Theologie zutraut?