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Ausgabe:

Juni/2001

Spalte:

619–621

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Sekine, Seizo

Titel/Untertitel:

Transcendency and Symbols in the Old Testament. A Genealogy of the Hermeneutical Experiences.

Verlag:

Berlin-New York: de Gruyter 1999. IX, 441 S. gr. 8 = Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft, 275. Lw. DM 198,-. ISBN 3-11-016098-6.

Rezensent:

Magne Sæbø

Mit diesem aus dem Japanischen übersetzten Buch hat Seizo Sekine seine 1994 in Tokio veröffentlichte und 1995 und 1998 daselbst preisgekrönte Sammlung alttestamentlicher Studien vor einem größeren Kreis von Fachkollegen vorlegen können. Das Buch, das auf einige seiner früheren Arbeiten baut, jedoch größtenteils neu geschrieben ist, hat eine Form erhalten, die in gewissem Grad von einem inneren Spannungsverhältnis zwischen den einzelnen Teilen und dem Ganzen des Buches geprägt zu sein scheint.

Einerseits begegnet man dem alttestamentlichen Forscher Sekine, der hier fünf relativ umfassende Studien zu fünf zentralen, aber weit auseinanderliegenden Themen im Alten Testament herausbringt; diese fünf Studien, die dem Buch eine fünfgeteilte Struktur verleihen, machen die wesentliche Bedeutung des Buches aus. Andererseits aber will der Vf., dass es nicht bei den multa der fünf Studien bleibt, sondern dass durch sie hindurch vielmehr ein roter Faden erkennbar sein soll; dies multum, das über die multa der einzelnen Studien hinausführt, hat einen theologischen - und zum Teil philosophischen - Charakter. Zu diesem Zweck hat der Vf. eine einführende und verbindende Introduction" (1-15) geschrieben. Dazu soll aber auch die besondere Form des Titels des Buches, die er extra kommentiert (9-15), beitragen. Dabei ergibt sich, dass hier 'transcendency' anstatt ,Gott' verwendet wird, weil God is not a relative entity trapped in the time and space of this world, but an absolute being transcending this" (9), und doch sagt er in seinen Studien meistens ,Gott'; weiter ist das Wort 'symbols' auf dem Hintergrund der neueren hermeneutischen Diskussion zu verstehen, wobei er vielfach auf K. Jaspers, P. Ricoeur, auch J. Habermas, vor allem aber auf H.-G. Gadamer verweist - von ihm hat er auch den Begriff der 'hermeneutical experiences' übernommen.

Die fünf Studien werden mit einer eingehenden Untersuchung der Zehn Gebote, the so-called 'ethical Decalogue', which forms the nucleus of the law", eröffnet: The Ten Commandments: An Old Testament-Based [sic] Exegesis and their Ethical Grounds" (16-90). Er behandelt zunächst die Gebote 6-9, die universal guidelines on human relations" (73) darstellen, wobei auch Kants Kategorischer Imperativ im Hinblick auf die 'basis (grounds)' der Gebote kritisch herangezogen wird (26-31). Danach bearbeitet er die Gebote 1-4, die auf Grund ihrer unconditional transcendency" die theologische Begründung der folgenden geben, und schließlich, als Rahmen der Gebote 6-9, das 5. und das 10. Gebot. Dabei verweist er vielfach auf A. Alt und F.-L. Hossfeld, dazu noch auf P. Tillich und Masao Sekine sowie T. Watsuji und dessen ethische Theorie, which ultimately seeks the grounds for ethics in the form of a prohibition on betraying trust", die er doch in Frage stellt (2). Dem transcendental principle" folgend wendet sich das zweite Kapitel des Buches dem Prediger zu: Qohelet as a Nihilist" (91-128). Bevor der Vf. sich den Textanalysen zuwendet, setzt er sich mit neueren Deutungen des Kohelet auseinander und meint: in a time when the value system represented by traditional dogma was collapsing, Qohelet rejected these values. In this respect he is not just a pessimist or a skeptic, but a nihilist" (95). Unter Verweis auf Nietzsche und Heidegger sucht der Vf. sodann den Begriff ,Nihilist' zu erklären und ihn für Kohelet verwendbar zu machen, was sich aber diskutieren lässt. Darüber hinaus will er den Begriff in kanonischer Hinsicht positiv verstehen: as a self-critical perspective within the Old Testament Qohelet's nihilism acted as an important bridge to the New Testament. If we did away with the sharp way in which Qohelet raised this issue, the Old Testament would lack its present expanse and flexibility ...". Fragt man schließlich danach, was Kohelet fehlt, erhält man zur Antwort: it would be the issue of love for others" (126).

Dieser issue of love for others" wird dann im dritten Kapitel anhand eines sehr komplexen Themas erörtert: Sin, Forgiveness and Atonement in David: Focussing specifically [sic] on 2Samuel 12 and Psalm 51" (129-214). As a contrast to Qohelet", dessen ,Gottesbegegnung' im individuellen Alltagsleben geschieht, wird hier die David-Geschichte mit ihrem Geflecht von menschlichen Relationen von Sünde und Schuld, Sühne und Vergebung ins Blickfeld gerückt. Das geschieht zunächst an Hand von 2Sam 12 als Zentraltext; doch arbeitet Sekines Erörterung dieses Textes in überraschend hohem Grad mit einem Vergleich hebräischer und griechischer Historiographie, wobei er für die erste S. Hatano und für die zweite R. G. Collingwood, zum ganzen Vergleich auch noch T. Boman herbeizieht. Vor allem kommt die Problematik der Sünde durch Davids encounter with God" in seinem Sündenbekenntnis in Ps 51 zum Vorschein; daher bezieht er diesen Psalm auf die David-Geschichte von 2Sam 12, und zwar mit Hilfe der- gegen Gunkel aber mit Goulder - als 'echt' angesehenen Überschrift sowie des Inhalts des Psalms; zugleich erfolgt eine Erörterung des Psalms unter Anwendung von P. Ricurs Hermeneutik und Symbol-Verständnis. Weiterführend wird im vierten Kapitel eine basale Frage der menschlichen Existenz aufgegriffen: A Symbolism-based Interpretation of the Adamic Myth" (215-283). Da will er consider the original source of humankind's sin"; denn im Kontrast zu dem im vorigen Kapitel erörterten Sündenbekenntnis ist es den Myhen eigen, dass sie take a step back to arrange and structure in an objective and universal way the language of symbols ... As in the previous chapter, Ricur's hermeneutics of symbolism again offers appropriate and useful suggestions" (6); doch setzt er sich mit seinem Symbol-Verständnis auch auseinander (216-227 und 277-283). Schließlich enthält das fünfte Kapitel seines Buches eine theologisch wichtige und um zwei Appendizes erweiterte Studie zur Frage der Erlösung, die die Ebed-Jahwe-Lieder und vor allem Jesaja 53 im Blick hat: The Concept of Redemption in Second Isaiah: A Redactional Study" (284-398). In Bezug auf das Hauptthema der Gottesbegegnung sagt der Vf. im Rückblick auf ,die Sünde Davids' (Kap. 3): it is in the very forgiveness for this sin that God encounters humankind" (7); von da wendet er sich der Problematik des Leidens in den Ebed-Jahwe-Liedern zu. Die umfassende Studie ist zweigeteilt: Zunächst erörtert er ,die Theodizee des Leidens' (284-339), wobei er sich mit Max Webers Theorie einer Unheilstheodizee (285) anhand seiner eigenen redaktionellen Analyse der Texte auseinandersetzt. Danach behandelt er das Thema der ,Stellvertretung' (On Vicariousness", 339-392). Im Lichte der Geschichte der sehr komplexen Ebed-Jahwe-Forschung (341-361) und auf Grund seiner eigenen Textanalyse (361-372) enden die Erörterungen damit: to position redemption theology as the ultimate answer to the question of the time and place of transcendency" (9).

Aufs Ganze gesehen hat der Vf. hier eine theologisch sowie teilweise auch philosophisch beziehungsreiche und vielfach tiefsinnige Exegese zentraler Texte des Alten Testaments vorgelegt; und sein Buch besitzt eine größere Kohärenz, als es auf den ersten Blick scheinen mag. Darüber hinaus hat S. nicht nur bekannte westliche Theologen und Philosophen, sondern oft auch japanische Denker herbeigezogen. Auf diese Weise hat er als theologischer Brückenbauer einiges dazu beigetragen, dass Rudyard Kiplings bekannte Aussage von 1890: East is East, and West is West, and never the twain shall meet" etwas an Wahrheit verloren hat.

Das Buch von Seizo Sekine, das durch eine Bibliographie samt Registern für Namen, Bibelstellen und hebräische Wörter abgeschlossen wird (399-441), kann sich insgesamt sehen lassen. Es nimmt aber sehr wunder, dass die Bibliographie (und einige Anmerkungen) gerade in einem Band der hoch angesehenen Reihe BZAW so unglaublich viele Fehler haben kann (vor allem in deutschen, aber auch in französischen und nordischen Titeln); hier muss die Korrektur leider völlig schief gegangen sein.