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Ausgabe:

Juni/2001

Spalte:

616 f

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Grenholm, Christina

Titel/Untertitel:

The Old Testament, Christianity and Pluralism.

Verlag:

Tübingen: Mohr 1996. X, 293 S. gr. 8 = Beiträge zur Geschichte der biblischen Exegese, 33. Lw. DM 168,-. ISBN 3-16-146587-3.

Rezensent:

Magne Sæbø

In der vorliegenden Studie, deren Titel treffend eine thematische Dreiheit angibt, geht es eben um die Probleme der christlichen Interpretation des Alten Testaments, und zwar im pluralistischen Kontext.

Die Arbeit wurzelt teilweise in der Dissertation der Vfn. (Romans Interpreted, Uppsala 1990) und teilweise in einem interdisziplinären Projekt in Uppsala, an dem sie teilgenommen hat (Criteria of biblical interpretation", von Lars Hartman 1990 in Gang gesetzt). Zudem ist sie von den Exegeten Manfred Oeming (Gesamtbiblische Theologien der Gegenwart, 1985) und Heikki Räisänen (Beyond New Testament Theology, 1990) einigermaßen beeinflusst. Aufs Ganze ist es sehr beachtenswert und positiv, dass die Vfn., die von Haus aus Systematische Theologin ist, sich so energisch auf das nicht leicht zugängliche Feld der alttestamentlichen Exegese begibt bzw. den exegetischen Gebrauch des Alten Testaments von Seiten namhafter Theologen untersucht.

Das besondere Verfahren der Studie wird in der Introduction" (1-12) dargelegt, während die Untersuchung selbst in 10 Kapiteln erfolgt, die sich auf drei Hauptteile verteilen. Die analytische Diskussion wird besonders in den zwei ersten Teilen (15-157, 161-229) vorgenommen, während ihr eigener synthetischer approach" im dritten Teil (233-280) entfaltet wird. Der Ausgangspunkt ihrer Studie ist ein doppelter, und zwar einerseits die gegebenen Interpretationen des Alten Testaments (vor allem im Raum der Kirche) und andererseits das moderne Phänomen des Pluralismus (das eigentlich eher vorausgesetzt als explizit oder ausführlich erörtert wird); die Beziehung zwischen diesen zwei Seiten drängt sich als das wesentliche Problem auf, oder aber wie die Vfn. selbst das Hauptproblem ihrer Studie formuliert (3): how can we give acceptable contemporary Christian Old Testament interpretations which do justice to pluralism?"

Dem Problem wird nicht historisch oder etwa forschungsgeschichtlich nachgegangen, sondern der methodische Griff der Vfn. ist grundsätzlich systematisch. Doch durch eine interessante Auswahl sechs sehr unterschiedlicher Exegeten oder Theologen nähert sie sich sowohl der modernen Exegese des Alten Testaments als auch dem heutigen Pluralismus. Die sechs Figuranten sind christlicherseits zunächst Gerhard von Rad, James Barr und Brevard Childs, denen die größte Aufmerksamkeit erwiesen wird, sodann Phyllis Trible (one of the most well-known feminist Old Testament scholars") und der lateinamerikanische Gelehrte J. Severino Croatto als Repräsentant des challenge of liberation theology"; schließlich kommt von jüdischer Seite her Jon D. Levenson noch hinzu, der übrigens in mehreren Punkten mit Childs übereinstimmt. Auf Grund seiner critique of a mere historical study of the Old Testament" steht aber Gerhard von Rad an erster Stelle: Von Rad's approach to Christian Old Testament interpretation is thus the starting point of this study and the other approaches can be regarded as challenges to it" (8); das gilt vor allem für Barr. Zudem macht sie eine methodisch grundlegende (aber nicht sehr präzise) Unterscheidung von critical and creative purposes", wobei es sich im ersten Fall um eine deskriptive historische Analyse und im zweiten Fall um purposes of relating biblical texts to religious faith", und zwar besonders in einer contemporary situation", handelt (5-6); davon hängt im Folgenden sehr viel ab.

Die kritische Analyse verläuft in zwei Linien, und zwar findet sich im thematischen ersten Hauptteil (Six Approaches to Old Testament Interpretation Today", 15-157) eine ausführliche Auswertung der interpretativen Verfahren der sechs Theologen und danach im zweiten Hauptteil (Six Approaches to Interpretations of Old Testament Texts", 161-229) eine textbezogene Analyse derselben - vor allem an Hand der Hagar-Geschichte in Gen 16, der aqedah-Geschichte in Gen 22 sowie der Erzählungen von Ex 1-15. Im ersten (und längsten) Hauptteil werden nicht nur die einschlägigen Werke und Gesichtspunkte der erwähnten Forscher je für sich erörtert, sondern die Diskussion spitzt sich auf die Diskussion und Einschätzung einiger grundlegender Themen zu; es geht da um das Thema der Vielfalt versus Einheit des Alten Testaments (49-79), das Verhältnis von Altem Testament und Christentum (80-120, und dann besonders in Bezug auf die Christologie, das Neue Testament, die christliche Tradition und Erfahrung) sowie die Fragen nach Offenbarung (121-137) und Autorität (137-157).

Im abschließenden dritten Hauptteil (Problems, Criteria and a Suggestion", 231-280) werden zunächst im 9. Kapitel wichtige Fragen ihrer Analysen (Teile I-II) an Hand von six sets of problems" und six criteria" zusammengefasst und kritisch eingeschätzt, wobei Barr teilweise gegen von Rad ausgespielt wird. Sodann erörtert die Vfn. im Kap. 10 (264-280) kurz den inevitale pluralism of interpretations", wobei aber eben das Problem des Unumgänglichen am Pluralismus hätte ausführlicher erörtert werden sollen; auch wäre hier ihre Bezugnahme auf das, was sie Gabler's gap" nennt, deutlicher von Lessings bekanntem Graben-Problem (vgl. Lessing, Werke VIII, Darmstadt 1979, 9-14) abzugrenzen gewesen. Die gut geschriebene Studie (mit einigen Fehlschreibungen) wird durch Bibliographie und drei Register abgeschlossen.