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Ausgabe:

Mai/2001

Spalte:

576 f

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Schnorrenberg, Jo E. [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Spiritualität. Orientierung - Klärung - Vertiefung.

Verlag:

Frankfurt-Bockenheim: Verlag für Akademische Schriften 1999. 148 S. m. Abb. 8. Kart. DM 29,80. ISBN 3-88864-275-2.

Rezensent:

Gerhard Marcel Martin

Im gegenwärtigen freien Diskurs über Religion, aber auch in der innertheologischen und ökumenischen Diskussion steht das Stich- und Sammelwort "Spiritualität" hoch im Kurs; dabei bleibt es oft diffus und unterbestimmt. Die von Jo E. Schnorrenberg herausgegebene Dokumentation einer Tagung der Kölner Melanchthon-Akademie trägt tatsächlich - wie der Untertitel verspricht - zur "Orientierung, Klärung und Vertiefung" der Wort- und Sachbedeutung bei und ist darum für die theologische Arbeit an einem Konzept von "Spiritualität" hoch relevant. Dies vor allem darum, weil hier die Theologen und Theologinnen nicht unter sich bleiben, sondern durchaus repräsentative theologische Traditionen (z. B. Theresa von Avila) und gegenwärtige Positionen mit Beiträgen von Medizinern, Psychologen und Sozialwissenschaftlern verbunden sind. So steht am Anfang ein Beitrag zu einer "Tiefen-Ökologie", der gegen den "spirituellen Irrtum" des "Anthropozentrismus" (17) kämpft und Körper, Natur und andere Geschöpfe in die spirituellen Perspektiven aufzunehmen für dringend nötig hält; und am Ende entfaltet ein Ökonom, wie gerade in der Wahrnehmung gesellschaftlicher und persönlicher Konflikte Spiritualität im Alltag gelebt werden kann und muss.

Der Band bietet - auch mittels zahlreicher qualifizierter Literaturverweise - nüchterne Bestandsaufnahmen (etwa zur Erforschung außergewöhnlicher Bewusstseinszustände; 27 ff.); dazu kommen Protokolle aus der Therapie und Texte, die zu einem eher kontemplativen Mitvollzug von Gedankengängen zum Thema einladen (bes. Franz-Xaver Jans-Scheidegger).

In einer für die theologische Debatte ausgesprochen wichtigen Diskussion geht es in vielen Beiträgen um die Rolle des Ich und seine Öffnung hin zur Transpersonalität (bes. 40 ff., die Diskussion, die der Herausgeber selbst beisteuert [105 ff.], und 131ff.). Thematisiert wird die Spannung zwischen Autonomie und umfassender Abhängigkeit, zwischen einem letztlich doch noch metaphysisch-intellektuellen Verständnis von "Spiritualität" und einer Theologie, die die Beziehung, das Fremde und die "Radikal-Transzendenz" im Gegensatz zu einer "Binnen-Transzendenz" (J. Sudbrack) in den Blick bekommen will. Zu dieser Fragestellung gehört auch der Beitrag von Sylvia Kolk aus der buddhistischen Meditationsschule von Ayya Khema.

Josef Sudbracks Beitrag - die Kurzfassung seines 1999 erschienenen Buches "Gottes Geist ist konkret" - ist darum so anregend, weil er (zwar) klassische theologische Positionen durchzusetzen versucht, dies aber in kritischer Aufnahme von Repräsentanten offener spiritueller Konzepte betreibt, die in innertheologischen Debatten bisher gar nicht oder jedenfalls viel zu wenig als Gesprächspartner zur Kenntnis genommen worden sind: Stanislav Grof und Ken Wilber. Beide tauchen erfreulicherweise auch in anderen Beiträgen des Sammelbandes auf, so bei Joachim Galuska, der als Mitbegründer des SEN-Deutschland (Netzwerk spiritueller Krisenbegleitung) phänomennah und ausdifferenziert einen wichtigen Beitrag zu dem Konzept einer kritischen, auch sich selbst gegenüber kritischen Spiritualität leistet.