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Ausgabe:

Mai/2001

Spalte:

546 f

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Quilisch, Tobias

Titel/Untertitel:

Das Widerstandsrecht und die Idee des religiösen Bundes bei Thomas Müntzer. Ein Beitrag zur Politischen Theologie.

Verlag:

Berlin: Duncker & Humblot 1999. 255 S. gr.8 = Beiträge zur Politischen Wissenschaft, 113. Kart. DM 98,-. ISBN 3-428-09717-3.

Rezensent:

Hélène Feydy

Die Arbeit wurde 1998 vom Fachbereich Rechtswissenschaft an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg als Dissertation angenommen. Q. untersucht Müntzers Gedanken zum Widerstandsrecht in staatstheoretischer und rechtsphilosophischer Hinsicht. Angeregt durch das aktuelle Problem eines religiös-fundamentalistisch und/oder sozial-revolutionär motivierten und inspirierten Widerstandsrechts unter der Herrschaft des Grundgesetzes versucht der Vf., die mögliche Vorbildfunktion von Müntzers Schriften und Taten für die Entstehung des neuzeitlichen Staatsdenkens herauszustellen. Das ist ein reizvolles Thema für Politologen. Darüber hinaus spricht die Untersuchung, da sie im Grenzbereich zwischen Rechtswissenschaft und Theologie angesiedelt ist, ein breites Publikum an.

Das Buch ist in fünf Abschnitte von unterschiedlicher Länge gegliedert. Auf die Einleitung (A) folgt ein historischer Abriss (B) der wichtigsten Auffassungen zum Widerstandsrecht seit der Antike und im Mittelalter. Der Vf. zeigt, warum das Widerstandsrecht zu einem beherrschenden Problem des Reformationszeitalters wurde. In einem dritten Abschnitt (C) wird Müntzer als Reformator vorgestellt.

Müntzers Leben und Schriften werden in ihren historischen Kontext eingebettet und die wesentlichen Merkmale seiner Theologie hervorgehoben. In einem vierten Abschnitt (D) werden die wichtigsten Aussagen Müntzers zu weltlicher Obrigkeit, den Grenzen der Herrschaftsgewalt und zur Legitimation seines eigenen weltlichen Handelns vorgestellt und analysiert. Der Vf. erörtert die zentrale Frage nach dem Zusammenhang von Müntzers Theologie und dem Widerstandsrecht. Er verdeutlicht, dass sein politischer Ansatz im religiösen Bundesgedanken liegt. Abschließend (E) wird die Legitimität eines theologisch begründeten Widerstandsrechts im säkularen Rechts- und Verfassungsstaat betont.

Die Arbeit erschließt umfangreiches bibliographisches Material zu einem Thema, das seit langem die Müntzerspezialisten beschäftigt und insbesondere die marxistische Müntzerforschung angeregt hat. Nach der Wende ist Müntzer weitgehend aus dem Gesichtskreis der Forschung verschwunden. Es ist ein nicht geringes Verdienst dieser Arbeit, Müntzer wieder in Erinnerung zu bringen, und die Aufmerksamkeit auf zentrale Probleme zu lenken. Doch wäre es eine Überforderung, auf so durchpflügtem Feld wesentlich neue Erkenntnisse zu erwarten. Für Kirchenhistoriker bleibt allerdings auch der Ansatz unbefriedigend.

Der zweite Abschnitt des Buches "Zur Geschichte des Widerstandsrechts" ist ein wenig zu knapp gehalten (20 S.). Zudem wird sehr häufig ältere Literatur verwendet, die im Grunde überholt ist (Meusel, Smirin). Die Diskussion zu Müntzers Bundesdenken fußt auf Hillerbrand, dessen Angaben oft nicht zuverlässig sind. Dagegen fehlen wichtige Autoren wie E. Campi (1970), Thomas Müntzer, teologo e rivoluzionario, in: Giovenu Evangelica, Bd. 20, 3-38, S. Bräuer (1987), Thomas Müntzer und der Allstedter Bund, in: Jean-Georges Rott und Simon Verheus [Hrsg.], Täufertum und radikale Reformation im 16. Jahrhundert, Baden-Baden, S. 85-101 und J. M. Stayer (1969), Thomas Muentzer's Theology and Revolution in Recent Non-Marxist Interpretation, in: MQR, Bd. 43, 142-152.

Die Arbeit ist gut geschrieben, formal gut aufgebaut, angenehm zu lesen und leistet einen nicht unbedeutenden Beitrag zum Verständnis des Verhältnisses von Theologie und Politik. Das Buch eignet sich besonders für eine erste Orientierung zu diesem Problemkomplex.