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Ausgabe:

Mai/2001

Spalte:

538–540

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Schweizer, Eduard

Titel/Untertitel:

Der erste Petrusbrief.

Verlag:

4., vollst. neubearb. Aufl. Zürich: Theologischer Verlag 1998. 107 S. gr.8 = Zürcher Bibelkommentare, 15. Kart. DM 32,-. ISBN 3-290-17189-2.

Rezensent:

Rudolf Hoppe

Schon im Jahre 1942 hatte Eduard Schweizer eine Kommentierung des ersten Petrusbriefes vorgelegt, die 1972 in der dritten Auflage erschien. Der vorliegende Kommentar in der bewährten Reihe der Zürcher Bibelkommentare (ZBK) ist indes eigentlich nicht als "4. Auflage" zu bezeichnen, sondern eine völlige Neubearbeitung, besser: eine Neuauslegung des 1Petr. - Mit der gegenwärtigen Forschung bestimmt der Vf. den Brief als ein pseudonymes Schreiben im kleinasiatischen Raum aus nachpaulinischer Zeit in einer schon entwickelten Gemeindesituation (15-17). Sowohl die Erfahrung von Bedrängnissen in der Diasporasituation als auch die schon geordnete Gemeindestruktur weisen auf eine nachpetrinische Abfassungszeit hin, die aber nicht zu spät anzusetzen ist, da eine "dogmatische" Auseinandersetzung in der Schrift fehlt und der Brief dem Verfasser des 1Klem schon bekannt gewesen sein dürfte (17).

Nun zur Auslegung: Sch. schickt jeder Texteinheit eine (ausgezeichnete) eigene Übersetzung voran und hält sich in seinen Erklärungen strikt an den von ihm übersetzten Text. Einer ausgefeilten Gliederung, die den jeweiligen Abschnitt in seiner theologischen Linienführung durchsichtig macht, folgt eine Einzelexegese, die dadurch überzeugt, dass der Vf. immer den gesamtneutestamentlichen Horizont im Blick hat. Das ist vor allem deshalb begründet, weil der 1Petr als Dokument neutestamentlicher Spätbriefe die Sprachmuster der nachpaulinischen Briefliteratur teilt (vgl. 1,6 f. mit Jak 1,2 f.), andererseits anerkanntermaßen aber auch in der Nähe zu Paulus selbst steht (vgl. 1Petr 3,9 mit Röm 12,14 ff.; 1Petr 2,13 ff. mit Röm 13,1-7).

Sch. hebt durchgängig den theo-logischen Grundzug des Briefes hervor: Gott bleibt auch für Jesus Gott (vgl. 24), Gott ist in dieser Welt ein Fremder, und deshalb sind die Christen von Gott her Fremdlinge (49), Jesus ist der Maßstab, den Gott für unser Leben gesetzt hat (vgl. 32). Die Christologie wird dadurch nicht reduziert, sondern mit der ihr eigenen Funktion versehen: In Leben, Wirken, Sterben und Auferstehen Jesu begegnet der Gott Israels (vgl. 24).

Die theologischen Schwerpunkte des Briefes werden durch sieben thematische Exkurse sowie durch einen die Botschaft des Verfassers zusammenfassenden Rückblick deutlich. Dabei verselbständigen sich die Exkurse nie, sondern haben ihren Bezug zu den entsprechenden Texterklärungen. So stellt der Exkurs "Blut Christi/Passalamm" (35 f.) die vorhergehende Auslegung von 1,13-21 in den alttestamentlich-jüdischen Kontext und lässt der Exkurs "Christusgemeinde und Bürgergemeinde" (52f.) das Milieu der schwierigen Weisung 2,13-17 geschichtlich verstehen. Hervorzuheben ist auch der Exkurs "Das allgemeine Priestertum" (46 f.).

In sich logisch scheint mir zu sein, dass Sch. erst innerhalb des "Rückblickes" (100-104) und nicht schon in der Einleitung den Aufbau des Briefes strukturiert (100). Er geht davon aus, dass der Leser/die Leserin den Kommentar als Ganzes liest und so die Botschaft des 1Petr in der Gesamtschau ihre Prägnanz gewinnt. Damit trägt Sch. mit Sicherheit dem Anliegen des Briefschreibers selbst Rechnung, denn der 1Petr-Autor hat seinen Brief textpragmatisch als Zusammenhang verfasst, nicht als eine Aneinanderreihung von kleinen Einheiten.

Dem Charakter der ZBK entspricht es, dass Sch. auf Anmerkungen und Literaturverweise im Text weitgehend verzichtet. Wer das Buch aufmerksam liest, wird indes feststellen, dass der Autor seine Auslegung aus der fundierten Kenntnis der Literatur zum 1Petr und aus einer souveränen Übersicht über die jüdische und zeitgenössische hellenistische Literatur gewonnen hat.

Für Predigerinnen und Prediger ist hervorzuheben, dass der Kommentar nie zwischen "Textauslegung" und "Anwendung" unterscheidet, sondern beide Aspekte immer miteinander verbindet, nie künstlich, sondern vom Verstehensversuch des zeitgenössischen Bibellesers her. Das ist für die praktische Arbeit mit dem Buch außerordentlich hilfreich.

Eine Anregung bleibt anzufügen: Man sollte m. E. bei den Qumran-Frommen nicht mehr von "Mönchen" sprechen (so 20.24), weil das falsche Assoziationen weckt. Ansonsten kann man dem hochverdienten Autor nur dankbar für seine ansprechende Auslegung sein und dem Buch eine weite Verbreitung wünschen.