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Ausgabe:

Mai/2001

Spalte:

535

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Räisänen, Heikki

Titel/Untertitel:

Neutestamentliche Theologie? Eine religionswissenschaftliche Alternative.

Verlag:

Stuttgart: Katholisches Bibelwerk 2000. 130 S. 8 = Stuttgarter Bibelstudien, 186. Kart. DM 41,80. ISBN 3-460-04861-1.

Rezensent:

Eduard Lohse

Der Vf., Professor für Neues Testament in Helsinki, greift ein Problem auf, das in der neutestamentlichen Wissenschaft immer wieder erörtert wurde. In gründlicher Kenntnis des Verlaufs, den die Debatte das ganze vorige Jahrhundert hindurch genommen hat, formuliert er die Fragestellung, um die es ihm geht, in Auseinandersetzung mit Bultmanns klassischem Werk, seiner Theologie des Neuen Testaments.

Bultmann war sich der Spannung deutlich bewusst, die zwischen einer theologischen und einer religionswissenschaftlichen Darstellung neutestamentlicher Theologie besteht. Für ihn liegt jedoch die wahre Aufgabe der Exegese darin, zur eigentlichen Sache des Textes vorzudringen: "Das in den Texten zum Ausdruck kommende Verständnis menschlicher Existenz müsse so zur Sprache gebracht werden, dass auch dem gegenwärtigen Menschen eine ähnliche Möglichkeit seines Selbstverständnisses erschlossen werde." (23)

Diesem Verständnis von der Aufgabe einer neutestamentlichen Theologie widerspricht der Vf. mit Entschiedenheit und bezieht sich dabei insbesondere auf die Thesen, die W. Wrede vor mehr als 100 Jahren vorgetragen hat: Neutestamentliche Theologie sei von urchristlicher Religionsgeschichte streng zu unterscheiden. Darum müssen zwei, deutlich voneinander abgehobene Arbeitsgänge vorgenommen werden: zuerst so sachbezogen wie irgend möglich herauszuarbeiten, was der jeweilige Text zu seiner Zeit bedeutet hat - und erst dann danach zu fragen, was er uns bedeuten mag. Religionswissenschaftliche Darstellung müsse notwendig darauf verzichten, für eine bestimmte Religion einen Absolutheitsanspruch zu stellen. Daher habe Bibelwissenschaft unparteiisch zu bleiben und sich eigener Stellungnahme zu enthalten. Komme es doch darauf an, die Bibel so auszulegen, dass sie möglichst jeder verstehen kann, auch wenn er kein Christ ist (so 75 mit G. Theissen).

Die Mahnung, bei religionswissenschaftlichen Vergleichen wirklich fair zu sein (76), ist gewiss berechtigt. Ob jedoch ein Exeget des Neuen Testaments sich so weit zurücknehmen darf oder soll, wie der Vf. es für wünschenswert hält, wird strittig bleiben. Der Vf. erwartet daher durchaus, dass sein Plädoyer, strikt zwischen Rekonstruktion und Aktualisierung zu unterscheiden, auf Widerspruch stoßen wird.