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Ausgabe:

Mai/2001

Spalte:

507–509

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Meyers, Eric M.

Titel/Untertitel:

The Oxford Encyclopedia of Archaeology in the Near East. Prepared under the Auspices of the American Schools of Oriental Research. Vol. 1-5.

Verlag:

New York-Oxford: Oxford University Press 1997. XVIII, 492 S. m. zahlr. Abb.; VI, 488 S. m. zahlr. Abb.;VI, 489 S. m. zahlr. Abb.; VI, 536 S. m. zahlr. Abb.; VI, 553 S. m. zahlr. Abb. 4. Lw. £ 395.-. ISBN 0-19-506512-3.

Rezensent:

Udo Rüterswörden

Über die Anlage des Werkes gibt das Vorwort Auskunft; als Modell diente das Biblische Reallexikon - erweitert um archäologische Feldarbeit, Epigraphik und literarisch-historische Forschungen. Die Feldarbeit umfasst mehr als nur Ausgrabungsberichte zu einzelnen Orten: "Rather, it was viewed as a means of securing data that would lead to a better understanding of aspects of everyday life such as agriculture, family life, medicine and public health, clothing, diet, and architecture; it was a way of examining how different sorts of material culture shaped and were shaped by the invironment." (IX). Im Zentrum der Enzyklopädie steht der Bereich Syrien-Palästinas, obwohl der gesamte (alte) Vordere Orient mit im Blick ist (XI): Zu den Besonderheiten gehört die Berücksichtgung der Forschungsgeschichte; so finden sich neben Überblicken Artikel zu einzelnen Gelehrten sowie zu wissenschaftlichen Einrichtungen. Ferner werden in eigenen Artikeln die Methoden des Faches vorgestellt; auch die antike Herstellung der Artefakte wird in Übersichten vorgeführt.

Gerade hier liegt einer der Vorzüge des Werkes; die Artikel: "Bone, Ivory, Shell", "Lithics", "Metals", "Vitreous Materials" geben einen guten Überblick mit weiterführender Literatur. Dass die Forschungsgeschichte angemessen berücksichtigt wird, verdient Beachtung - auch die Archäologie ist keine voraussetzungslose Wissenschaft. Zu den Artikeln, die man nicht unbedingt in einer archäologischen Enzyklopädie erwarten würde, gehört der interessante Beitrag "Literacy", neben "Libraries and Archives". Lesenswert sind zusammenfassende Artikel, wie z. B. "Anchors", "Games", "Stables". Die Methodenartikel (z. B. "Stratigraphy", "Stratum") führen in die Arbeitsweisen des Faches ein; ein Highlight ist der Artikel "Photography", vor allem der von Bruce und Kenneth Zuckermann verfasste Teil, der einen Einblick in das Schaffen wohl eines der besten Kenner und Könner in dieser Materie gibt.

Aus der Feder von W. G. Dever stammt der konzise und reflektierte Artikel "Biblical Archaeology"; seine Postulate, vor allem in der Zusammenarbeit von Exegese und Archäologie (I, 319) werden in den Einzelartikeln der Enzyklopädie nicht immer durchgehalten. So sucht die Equipe von Hesbon immer noch vergeblich nach Sichons Reich (III, 19-22). Eine literarische Analyse von Num 21 hätte deutlich machen können, dass diese Suche auch vergeblich bleiben wird,1 doch wird dies als "more extreme option" gekennzeichnet. Schwerer wiegt m. E. dass mit Miller und Van Seters Vertreter dieser Option benannt sind, aber deren einschlägige Publikationen nicht aufgeführt sind, was dem Leser eine eigenständige Prüfung erschwert.

Bei den Artikeln über einzelne Ausgrabungsstätten ergeben sich Überschneidungen mit der New Encyclopedia of Archaeological Excavations in the Holy Land, nicht nur für den Bereich Israels, wie es das Vorwort andeutet. Zwar sind für beide Enzyklopädien oft dieselben Verfasser am Werk, gleichwohl wäre oft der New Encyclopedia der Vorzug zu geben, weil sie ausführlicher ist und wesentlich mehr Pläne und Abbildungen bietet.

Das Problem scheint den Herausgebern der Oxford Encyclopedia bewusst zu sein (XIII); die Beschaffung von Bildmaterial wurde den Autoren überlassen; insgesamt war dies wohl keine günstige Vorgehensweise. Einige Verfasser, wie J. S. Holladay, Jr., haben sich hier sehr bemüht; einige haben Bilder beigesteuert - in der Qualität von Urlaubsphotos (I, 64); viele haben sich zurückgehalten. Eine Möglichkeit besteht darin, ANEP als Referenz zu nehmen; dieses Vorgehen findet sich bei "Clothing"; gerade in diesem Fall ist es besonders nachteilig, dass keine Farbabbildungen vorliegen. Die Abbildungen unter "Coins" leiden unter der Papierqualität; man hätte sich bei diesem Artikel zudem ein Eingehen auf judäische Funde wünschen können, vor allem die Darstellung des Gottes auf dem Flügelrad.

Eine Anzahl von Artikeln geht insofern über die New Encyclopedia hinaus, als sie Ausgrabungsorte in Nordafrika, Ägypten, Arabien, Kleinasien, Syrien und Mesopotamien vorstellen. Wegen der o. g. Schwerpunktsetzung sind sie relativ kurz; gleichwohl dienen sie oft gut zur ersten Orientierung; für ausführliche Behandlungen wird auf die einschlägigen Werke, wie z. B. das Reallexikon der Assyriologie, verwiesen (so unter "Neo-Hittites").

Das von der American Schools of Oriental Research betreute Werk ist nicht völlig frei von Anglozentrismen.2 Sie werden unter "Reference Works" explizit mit der "emphasis on English-language works". Es berührt merkwürdig, wenn z. B. unter "Bible atlasses" der Reader's Digest Atlas of the Bible aufgeführt wird, nicht aber der Tübinger Atlas des Vorderen Orients - bei "Arameans" und "Israelites" fließt der Jordan auch recht ungewohnt. Man rechnet wohl nicht mit einem gebildeten Publikum, das mehr Sprachen beherrscht als nur die englische.

Die Tendenz wird auch in einer Anzahl von Artikeln deutlich; einige Beispiele: "Ugaritic" kommt ohne einen Hinweis auf KTU aus; "Hurrian" ohne M. Dietrich, W. Mayer und vor allem E. Neu; "Hebrew Language and Literature" ohne die von O. Rössler angestoßene Debatte, d. h. ohne die Arbeiten von Richter, Groß und Müller. Nicht einmal die Stätten archäologischer Forschung scheinen geläufig zu sein; so ist die Rede von den Universitäten "Johana Gutenberg" in Mainz, Saarbrucken, Griefswald (III, 265; IV, 48) - die Liste derartiger Versehen ließe sich fortsetzen. Besonders auffällig und der Sache schädlich ist das Übergehen der Arbeitsgebiete, die in Fribourg in vorzüglicher Weise bearbeitet werden. So hätte z. B. der Artikel "Camels" von der Arbeit von Th. Staubli3 profitieren können; auch die Deutung der Bilder aus Beni Hasan (I, 411) ist im Lichte dieser Arbeit veraltet. Unter "Seals" werden die Arbeiten von O. Keel und seinen Mitarbeitern nicht genannt - damit fehlt einiges an wichtiger Information.

In diesem Zusammenhang tut sich eine merkwürdige Lücke auf: Moderne Bibellexika haben Artikel zur Ikonographie.4 Hier liegt einer der Berührungspunkte zwischen Archäologie und Exegese. Ein solcher Artikel fehlt in der Enzyklopädie. Wer weitersucht, stößt auf weitere Lücken: Es gibt z. B. keinen Artikel zu "Pillar Figurines" keinen zu "Figurines", keinen zu "Sculpture", keinen zu "Gods", keinen zu "Images", keinen zu "Emblems". Zumindest Ansätze finden sich unter "Cult" und den Verweisen in V, 482 f. sowie in dem Absatz "Religion and Cult" bei "Canaanites", der indes im Wesentlichen auf Text-, nicht auf Bildinterpretationen beruht. Einerseits werden ganze Denkmälergruppen ausgeblendet - oder zumindest stiefmütterlich behandelt -, andererseits findet ein weitgehender Verzicht auf eine kunsthistorische Klassifikation und Interpretation statt. Die Spärlichkeit der Abbildungen scheint insofern schon fast Programm zu sein. Angesichts der Artikel, für die eigentlich niemand eine archäologische Enzykloädie konsultieren würde - zu Sprachen und Literaturen -, hätte man sich hier ein ausführliches Eingehen gewünscht. Die Ausblendung des Bereichs zeigt sich auch bei den biographischen Einträgen; es fehlen im Bereich der Kunstgeschichte z. B. Artikel zu R. D. Barnett und Edith Porada.

Hinweise auf die mögliche Ursache finden sich im Vorwort und in Devers Artikel "Biblical Archaeology"; es scheint die Abarbeitung an der Frage nach der Historizität biblischer Berichte im Zentrum zu stehen - eine für die amerikanische Diskussion signifikante Problemstellung. Dies allein entspricht aber nicht mehr dem Stand der Debatte in der deutschsprachigen Bibelwissenschaft - und darüber hinaus.

Fussnoten:

1) S. Timm, Moab zwischen den Mächten (ÄAT 17), Wiesbaden 1989, bes. 90-96.

2) vgl. R. Reich, IEJ 49 (1999). 154-157.

3) T. Staubli, Das Image der Nomaden (OBO 107), Freiburg/Schweiz, Göttingen 1991.

4) S. Schroer, Ikonographie, Biblische, NBL II, 219-226; O. Keel, Iconography and the Bible, ADB III, 358-374.