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Ausgabe:

Mai/2001

Spalte:

505–507

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

MacDonald, Burton and Randall W. Younker [Eds.]

Titel/Untertitel:

Ancient Ammon.

Verlag:

Leiden: Brill 1999. VIII, 247 S., 17 ungez. Taf. gr.8 = Studies in the History and Culture of the Ancient Near East, 17. Lw. hfl. 160,-. ISBN 90-04-10762-2.

Rezensent:

Ernst Axel Knauf

Es ist nicht leicht, einen Sammelband zu besprechen, der kein Vorwort aufweist, das über dessen Entstehung und Absicht Rechenschaft gäbe. Es handelt sich um Aufsätze zu den meisten, nicht allen Aspekten der ammonitischen Kultur und Geschichte von Verfassern, die durch das "Madaba Plains Project" in der gegenwärtigen Feldforschung in der südlichen Ammonitis aktiv sind. Für Mit-Forscher, die mit der Denkweise der New Archeology vertraut sind, enthält er wichtige Informationen und Anregungen. Ein Handbuch über die alten Ammoniter für ein breiteres Publikum (wie es der Titel suggerieren könnte) ist nicht entstanden.

Zu monieren sind, besonders angesichts des hohen Preises, die quantitativ und überwiegend auch qualitativ ganz unzureichenden Abbildungen und Pläne. Archäologie wird nun einmal primär visuell vermittelt. Eine Crux, nicht nur dieses Bandes, sind die unprofessionellen Wiedergaben der arabischen Ortsnamen. Ohne Angabe der Koordinaten bzw. ohne detaillierte Karten ist so oft nicht festzustellen, um welchen Punkt auf der Landkarte es sich überhaupt handelt. Nur der Ortskenner kann erraten, dass es sich bei "Tia al Ali" (6) um Tla-c al-cAli- handeln wird, einen nördlichen Stadtteil von Amman; hübsch ist auch Frau (?) "Margaret al-Warde" (45), hinter der sich die bekannte "Rosenhöhle" Mug.a-ret al-Warde verbirgt.

Die "Review of archaeological research in Ammon" (R. W. Youncker, 1-29) beginnt mit H. C. Butler, verschweigt aber R. Brünnow - A. v. Domaszewski (deren Bedeutung auf S. 199 immerhin anerkannt wird, eine Gerechtigkeit, die A. Musil in diesem Band nicht widerfährt). Die Wiedergabe der Datierungen der jeweiligen Feldforscherinnen und -forscher ist, wie unter Produzenten und Rezipienten archäologischer Tertiär- und Quartär-Literatur zu wenig bekannt, ohne kalibrierenden Maßstab des Berichterstatters wenig sinnvoll, da schon vor der "Low Chronology"-Debatte (die in diesem Buch nicht vorkommt) das 10. Jh. des Ausgräbers A u. U. das 9. oder 11. Jh. der Ausgräberin B war. Der Exkurs S. 19-23, "Salient features of Iron Age tribal kingdoms" von Ø. LaBianca gehört auf Grund der Literaturangaben offensichtlich zu S. 189-218, "The Emergence of the Ammonites" (R. W. Youncker).

Auf S. 30-56, "Ammonite Territory and Sites" (B. MacDonald) verschweigt der Vf. nicht, dass die Zugehörigkeit von Orten im Süden (Heschbon) und im Jordantal zur Ammonitis umstritten ist (die meisten Beiträge in diesem Band beruhen freilich auf dieser Annahme). Aber hier wie sonst werden abweichende Meinungen europäischer Forscher zitiert (bzw. bibliographiert), aber kaum diskutiert. Bei den Quellen (hier: AT, die Archäologie und die ammonitischen Inschriften) sind die assyrischen Texte und Flavius Josephus vergessen. Im letzten Kapitel erfährt man, dass Ammon 582 von den Babyloniern annektiert wurde, aber nicht, wo dieses Datum herkommt.

S. 57-102 "Central Jordanian ceramic traditions" (G. London) bietet kein Korpus der ammonitischen Keramik (für das der Rez., gerade aus der Feder der Verfasserin, dankbar wäre), stellt aber methodologische Beobachtungen zum archäologischen Umgang mit Keramik an, die weit über den Kreis der Ammoniter-Forschung hinaus Beachtung verdienen.

S. 103-112, "'Ammonite' Monumental Architecture" (M. Najjar) sagt fast nichts zum Thema. Hier wäre endlich der vollständig freigelegte Langraumtempel von Rugm al-Kursi- zu erwähnen gewesen, der durch zwei Reliefs eindeutig als Tempel des Sin von Harran (damit wohl aus dem 7. Jh. v. Chr.) identifiziert werden kann.

S. 113-136, "Domestic architecture in Iron Age Ammon: building materials, construction techniques, and room arrangement" (P. M. M. Daviau) ist ein weiterer Höhepunkt des Bandes und spricht alle Feldarchäologinnen und -archäologen an.

S. 137-151, "Burial customs and practices in ancient Ammon" (Kh. Yassine) behandelt einmal mehr den perserzeitlichen Friedhof von Tell el-Maza-r. Weder ist die Zugehörigkeit der Siedlung zu einer achämenidischen Provinz Ammon geklärt noch die Zugehörigkeit des Friedhofs zur gleichzeitigen Siedlung (cf. Rez., Zur Ethnolinguistik des Tell el-Maza-r: Biblische Notizen 97 [1999] 31-34). Für die Gender-Archäologie ist wichtig, dass die Korrelation zwischen kulturell als weiblich bestimmten Bestattungen und humananthropologisch als weiblich identifizierten Skeletten nur 0.7 beträgt (148).

S. 152-162, "The religion of the Ammonites" (W. E. Aufrecht) vernachlässigt leider weitgehend das ikonographische Material. Mit seiner These, El sei der Hauptgott der Ammoniter gewesen, hat er zwar teilweise I. Kottsieper auf seiner Seite, aber den Rez. nicht überzeugt (die Bileam-Inschrift von Sukkot aus dem 9./8. Jh. kann nicht für die ammonitische Religion in Anspruch genommen werden).

S. 163-188, "Ammonite texts and language" (W. E. Aufrecht) führt dankenswerterweise die Textzählung seines "Corpus of Ammonite Inscriptions" bis Nr. 214 fort, wodurch sich (durch a- und b-Nummern) der Bestand von möglicherweise ammonitischen Texten auf 274 erhöht. Ca. 100 davon sind nach Anzicht des Rez. sicher oder höchstwahrscheinlich ammonitisch. Ein Korpus, in dem die Relativpartikel sowohl s- wie Ås heißt, und in dem für "(unter)stützen" sowohl smk wie tmk gebraucht wird (Wurzelvarianten!), ist linguistisch schwerlich eine Einheit. Dass die paläographisch als "ammonitisch" klassifizierten Texte eine schriftgeschichtliche Einheit bilden, ist unbestritten, nur ob "ammonitisch" die richtige Bezeichnung für diese Klasse sei, ist fraglich (der Rez. würde hier von einer "zentralpalästinischen Schrift der Eisen IIC-Zeit" sprechen).

S. 189-218, "The emergence of the Ammonites" (R. W. Youncker) rekonstruiert die Entstehung der Ammoniter parallel zur Entstehung Israels aus den s3s'w und den capiru- der Spätbronzezeit. Das würde implizieren, dass sich die Rückzugsbewegungen der 2. Hälfte des 2. Jts. v. Chr. im Westjordanland bis ins Ostjordanland erstreckt hätten, denn eine mittelbronzezeitliche Stadtkultur gab es in der Ammonitis augenscheinlich nicht. Wenn die Keramik-Korpora der jetzt laufenden Grabungen einmal veröffentlich sein werden, wird man untersuchen können, ob der Beginn des Siedlungsprozesses der verstärkten ägyptischen Präsenz im Jordantal ca. 1210-1175 parallel geht oder ihr folgt. Nach Youncker hätten wir in der Eisen-I-Zeit in Ammon bereits eine vierstufige Siedlungshierarchie, was ein Indiz für einen frühen Staat wäre. Andere Indizien, wie etwa Schriftzeugnisse, fehlen allerdings. Diese Hierarchisierung beruht nun auf der Schätzung der besiedelten Fläche von Amman mit 10-12.4 ha. Diese Schätzung ist kaum zu verifizieren. Die Abwesenheit eines Unterzentrums im Norden von Amman lässt den Rez. vermuten, dass im 11. und frühen 10. Jh. in der Ammonitis drei komplexe Häuptlingstümer bestanden (mit den Zentren Amman, Tell el-cUme-ri- und Sah.a-b), von denen dann Amman im 9. Jh. "das Rennen machte".

S. 218-237, "The Ammonites in the late Iron Age and in the Persian period" (L. G. Herr) kann auch von Nichtspezialisten mit Gewinn konsultiert werden. Er beschreibt das Ammon des 7. Jh.s v. Chr. nach Ansicht des Rez. zutreffend als Stadtstaat. Beim Übergang unter babylonische (582 v. Chr.) und später persische Herrschaft kam es weder zu Zerstörungen noch - vorerst - zu einem nennenswerten Bevölkerungsrückgang.

Der Rez. sieht nach Lektüre des Bandes den Schlussberichten der Grabungen von H.isba-n (Eisenzeit), ga-wa-, Tell el-cUme-ri- und ga-lu-l mit umso größerer Erwartung entgegen. Wer als Bibelwissenschaftler oder Historiker ein Handbuch zu den Ammonitern sucht, wird weiter zu U. Hübner, Die Ammoniter (ADPV 16; Wiesbaden 1992) greifen können. Als Ergänzung dazu sind Ø. S. LaBianca/R. W. Youncker, The Kingdoms of Ammon, Moab and Edom, in: T. Levy [Ed.], The Archaeology of Society in the Holy Land (London 1995) 399-415 eher zu empfehlen als der vorliegende Band.