Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Mai/2001

Spalte:

473–500

Kategorie:

Aufsätze

Autor/Hrsg.:

Kinzig, Wolfram

Titel/Untertitel:

Harnack heute. Neuere Forschungen zu seiner Biographie und dem "Wesen des Christentums"
Zu Harnacks 150. Geburtstag am 7. Mai 20011

"Adolf von Harnack (1851-1930), der große evangelische Kirchen- und Dogmenhistoriker und herausragende Repräsentant des sogenannten ,Kulturprotestantismus', in der wilhelminischen Ära wohl der einflußreichste und weltweit angesehenste deutsche Theologe, spielt in der heutigen evangelischen Theologie kaum oder höchstens ganz am Rande noch eine Rolle."2
Diese jüngst geäußerte Einschätzung des katholischen Kirchenhistorikers Manfred Weitlauff wiederholt - wohl unwissentlich- einen Stoßseufzer des Historikers Peter Rassow aus dem Jahre 1951.3 Man wird Weitlauff insofern zustimmen, als Harnack als führender Repräsentant des Kulturprotestantismus ohne Zweifel unter dem Einfluss der Dialektischen und der Wort-Gottes-Theologie mindestens in Deutschland jahrzehntelang geradezu verfemt war. Dem steht jedoch die bemerkenswerte Tatsache gegenüber, dass der Vf. zur Vorbereitung dieser Zeilen eine Bibliographie der Veröffentlichungen über den berühmten Berliner Kirchenhistoriker aus den letzten fünfzig Jahren angelegt hat, die mittlerweile weit mehr als 200 Nummern umfasst.

Schon ein oberflächlicher Blick auf diese ja nicht unbeträchtliche Zahl von Veröffentlichungen zeigt, dass Harnacks Werk in ganz unterschiedlichen wissenschaftlichen Diskursen thematisiert wird. In der Kirchengeschichtswissenschaft, v. a. der kirchlichen Zeitgeschichte, aber darüber hinaus auch in der "profanen" Historiographie in diversen Kontexten (Geschichte des Wilhelminismus, der gelehrten Institutionen, ja sogar der Bibliothekswissenschaft) muss man derzeit geradezu von einer
Harnack-Renaissance sprechen. Diese Wiederentdeckung des
großen Kirchenhistorikers ist angesichts der Vielfalt und Versatilität seines Lebenswerks nicht verwunderlich, ja überfällig. Gewiss, seine Fachkollegen haben ihn immer gelesen, ihn bekämpft und gefeiert. Aber darüber hinaus hat sich die Harnack-Rezeption seit den sechziger Jahren in charakteristischer Weise verbreitert: Sein Werk und sein Wirken werden heute auch - wenn nicht gar vornehmlich - von Forscherinnen und Forschern studiert, deren Erkenntnisinteresse sich überwiegend an außertheologischen Sachverhalten orientiert. Auch in der Systematischen Theologie stellt man in jüngster Zeit im Rahmen einer noch genauer zu charakterisierenden Neubewertung des Kulturprotestantismus, aber auch unter dem Eindruck des Millenniumswechsels wieder vermehrt die Frage nach dem "Wesen des Christentums" und greift in diesem Zusammenhang auch auf Harnack zurück. Mit Bedauern muss man aber konstatieren, dass diese unterschiedlichen Diskurse im Bereich der Systematischen Theologie, der Kirchen-, der Wissenschafts- und Sozialgeschichte sowie des Bibliothekswesens jeweils ganz eigenen Regeln folgen und weitgehend isoliert voneinander geführt werden.



Im hier vorgegebenen Rahmen kann dieses Defizit wissenschaftlicher Kommunikation in der Harnack-Rezeption nicht behoben werden.4 Doch sollen einige Linien dieser Rezeptionsgeschichte seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs im Folgenden aus Anlass des 150. Geburtstages Adolf von Harnacks am 7. Mai nachgezeichnet werden.5 Die Darstellung erfolgt in der Weise, dass ich zunächst neuere Harnack-Editionen bespreche, sodann kurz auf die Erforschung der Vita des Gelehrten eingehe und schließlich paradigmatisch die Rezeption des WdCh seit dem Zweiten Weltkrieg behandle. Dieses Werk habe ich deshalb ausgewählt, weil an ihm als Harnacks bei weitem populärstem Buch - es dürfte in der Zeit zwischen 1900 und 1950 die, sieht man von der Bibel ab, meistverkaufte theologische Publikation in Deutschland gewesen sein6 - Tendenzen in der Harnack-Rezeption besonders deutlich hervortreten. Damit bleiben die Themenbereiche Wissenschaftsorganisation und (Kirchen-) Politik, Bibliothekswesen, der Apostolikumsstreit, die Debatte mit seinem Schüler Karl Barth, aber auch die in sich äußerst komplexe Diskussion um die "Dogmengeschichte" mit den damit verbundenen Problemen (Frühkatholizismus, Hellenisierung des Christentums usw.) zwangsläufig weitgehend ausgeblendet.7



1. Editionen

1.1 Schriften

Wer sich einen Überblick über Harnacks Schrifttum verschaffen möchte, wird zunächst zu Friedrich Smends Bibliographie greifen, die Jürgen Dummer bis 1985 fortgeführt hat.8 Überdies enthält dieser Band auch die in der "Zeitschrift für Kirchengeschichte" im Jahre 1977 erstmals erschienene Übersicht über die Korrespondenz Harnacks von Jürgen Hönscheid und Michael Schwabe.9 Weitere Nachträge zur Personalbibliographie bis 1994 wurden von Hanns-Christoph Pickert für die Neuausgabe von Harnacks Reden und Schriften durch Kurt Nowak zusammengestellt.10 Einen summarischen Überblick über den handschriftlichen Nachlass in der heutigen Staatsbibliothek zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz, hat Axel von Harnack schon 1939 zusammengestellt11; wichtige Ergänzungen finden sich u. a. in den Harnack-Studien Carl-Jürgen Kaltenborns12 und Karl H. Neufelds13.

Was die Herausgabe von bisher unveröffentlichten Schriften seit 1994 angeht, so hat Christoph Markschies Thesen und Nachschrift eines Vortrages publiziert, den Harnack während einer Norwegenreise im Herbst 1910 in Oslo vor dem Studentenklub der Universität hielt.14

Hier hat Harnack noch einmal in knappster Form seine historiographische Konzeption formuliert: die Absage an eine einseitig betriebene "Entwicklungsgeschichte" ebenso wie eine "Kulturgeschichte", statt dessen das Bekenntnis zu den Institutionen als dem "Knochengerüst der Geschichte" und den "grossen Personen", deren "Freunde und Jünger" zu werden er die Studenten aufruft (153 f. bzw. 157 f.).

Ein geheimes Memorandum Harnacks an Hermann Diels über Harnacks Plan einer Kooperation und eventuellen Fusion der soeben gegründeten Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft mit der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften vom 28. Oktober 1912 ist jetzt ebenfalls bequem zu konsultieren.15
Auch "Adolf Harnacks ,erste Predigt' und sein Examen pro gradu Dorpat 1871/72" liegt - unter eben diesem Titel von Peter C. Bloth herausgegeben - im Druck vor.16

Schließlich hat Stefan Rebenich soeben das von Harnack in den Jahren 1897-1928 geführte Protokollbuch der Kirchenväter-Kommission in einer mustergültigen Edition vorgelegt, zu der Christoph Markschies ein knappes Vorwort sowie einige Anmerkungen beigesteuert hat.17

Die Edition besteht aus einem vollständigen Faksimile des Textes sowie einer diplomatischen Umschrift. Man wird fragen können, ob eine Wiedergabe des Originals überhaupt nötig gewesen wäre. In der vorliegenden Form eignet sich das Büchlein aber vorzüglich als Anschauungsmaterial dafür, wie zeitgeschichtliche Quellen ediert werden sollten. Das Protokollbuch selbst erhält seine Bedeutung aus der Zusammensetzung der legendären Kommission - ihr gehörten neben Harnack einige der größten Altertumswissenschaftler der Zeit wie Hermann Diels, Otto Hirschfeld, Hans Lietzmann, Theodor Mommsen, Eduard Norden, Werner Jaeger und Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff an - , die u. a. für die Betreuung des editorischen Großprojektes "Die griechischen christlichen Schriftsteller der ersten drei Jahrhunderte" verantwortlich zeichnete. Tatsächlich erfährt man auch interessante Details über die Hintergründe dieses Unternehmens und die Schwierigkeiten v. a. finanzieller Art, die im Laufe der Jahre zu überwinden waren, bis die Kommission durch den Bankrott der sie unterstützenden Wenzel-Heckmann-Stiftung ihre Arbeit faktisch weitgehend einstellen musste. Im Anhang des Bändchens findet sich schließlich eine nützliche Liste aller Editionen im Rahmen der GCS samt Nachdrucken und Neuauflagen.18

Das Gros der Harnackiana erschöpft sich indessen in Nach- bzw. Neudrucken19. Bisweilen werden sie allerdings durch wichtige Vorworte ergänzt. Dies gilt vor allem für das "Wesen des Christentums", das mit Geleitworten von Rudolf Bultmann (s. dazu unten), Wolfgang Trillhaas und zuletzt Trutz Rendtorff nach dem Krieg mehrfach neu aufgelegt wurde. Auf die Qualität der von Bultmann und Trillhaas betreuten Ausgaben braucht hier nicht eingegangen zu werden, da Thomas Hübner hierzu das Notwendige gesagt hat.20 Diese kritischen Ansprüchen nicht genügenden Editionen werden jetzt abgelöst durch Rendtorffs Ausgabe.21 Sie basiert auf der letzten von Harnack selbst betreuten Edition von 1929, folgt damit "dem Editionsprinzip der Ausgabe letzter Hand" (36) und nimmt darüber hinaus Hübners Erkenntnisse hinsichtlich der Textgeschichte des Werkes wie auch dessen Zitatnachweise auf. So werden jetzt auch wieder alle bekannten Vorworte Harnacks abgedruckt, auch wenn sie in der Ausgabe von 1929 nicht enthalten waren.
An zwei Stellen wird auch die Vorlesungsmitschrift von Friedrich Israel, die Hübner ediert hatte, berücksichtigt.22 Die Anmerkungen, die Harnack dem Werk seit der Ausgabe von 1908 vorangestellt hatte, sind nun in den Text integriert. Das Vorwort Rendtorffs führt in den zeitgeschichtlichen Hintergrund ein, macht Angaben zum biographischen Kontext der Vorlesungen, vor allem auch zur unmittelbaren Vorgeschichte, dem Apostolikumsstreit,23 resümiert den Inhalt und benennt "unerledigte Fragen", die teilweise weiter unten noch diskutiert werden.24 Die Kommentierung des Herausgebers ist sparsam, dabei auf die Erhellung zentraler Stellen beschränkt. Auch wenn damit nicht eine kritische Edition im strengen Sinne vorliegt, besitzen wir doch immerhin wieder eine zuverlässige Handausgabe, die sich zudem noch durch ihren moderaten Preis empfiehlt.

Die älteren Auswahlbände aus Harnacks kleinen Schriften finden sich samt Inhaltsüberblicken bequem in der Bibliographie Smends und Dummers und müssen darum hier nicht erneut Erwähnung finden. Wohl aber sei Kurt Nowaks gestraffte Neuausgabe von Harnacks "Reden und Aufsätzen" in zwei Bänden aus dem Jahr 1996 genannt, die der Herausgeber mit einem vorzüglichen, neues Quellenmaterial erschließenden Vorwort (s. dazu unten), einem peniblen Nachweis der Drucke und weiteren Ergänzungen zur Personalbibliographie Harnacks (s. oben) versehen hat.25 Die Neuveröffentlichung ist insofern auch programmatisch zu verstehen, als es dem Editor explizit darum geht, "dem Kulturprotestantismus größere theologische und historische Gerechtigkeit widerfahren zu lassen" (98). (Der Verbreitung dieses Anliegens dürfte allerdings die Tatsache im Wege stehen, dass die beiden Bände - wiewohl sorgfältig produziert - auch für den Fachkollegen kaum erschwinglich sind.) Nowak gliedert das Material anders als die Originalausgabe, und zwar thematisch unter den Rubriken "Der Theologe und Historiker" (Bd. I) und "Der Wissenschaftsorganisator und Gelehrtenpolitiker" (Bd. II), wobei eine diesen Rubriken jeweils beigegebene Feingliederung den Überblick über das reiche publizistische Werk Harnacks zusätzlich erleichtert. Ein Index hätte überdies nützliche Dienste geleistet, wäre allerdings sehr aufwendig gewesen.26

1.2 Briefwechsel

Ganz anders sieht die Lage bei den Briefen aus. Die Korrespondenzen des unermüdlichen Briefeschreibers Harnack sind gerade in den letzten Jahren überhaupt erst in größerem Umfang erschlossen worden. Hierüber informieren (auf dem Stand von 1977 bzw. 1979) Jürgen Hönscheid und Michael Schwabe sowie Karl H. Neufeld27. Die Angaben dort sind hier nicht zu

wiederholen. Seither sind aber weitere Briefcorpora im Druck
zugänglich gemacht worden. Zu nennen sind neben den Briefwechseln mit Moritz von Engelhardt28, Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff29, Ivar August Heikel30 und Hans Lietzman31 die jüngsten Publikationen der Korrespondenzen mit Mommsen32 durch Stefan Rebenich und mit Martin Rade33 durch Johanna Jantsch, die auch durch monographische Analysen des Verhältnisses zu den jeweiligen Korrespondenzpartnern begleitet werden und in dieser Zeitschrift bereits völlig zu Recht hervorgehoben wurden.34

Hinzugekommen sind mittlerweile noch die von Uwe Rieske-Braun im Landeskirchlichen Archiv Nürnberg entdeckten Schreiben Harnacks an Christoph Ernst Luthardt, der entsprechende Briefe Luthardts an Harnack im Nachlass des Letzteren in der Berliner Staatsbibliothek gegenübergestellt werden konnten.35 Die Präsentation des mit 29 Nummern relativ schmalen Briefwechsels36, die in der ThLZ noch nicht gewürdigt wurde, erfolgt anders als bei Rebenich und Jantsch thematisch, so dass sie in sechs Kapitel gegliedert ist.

Harnacks Verteidigung Albrecht Ritschls gegen die Kritik des orthodoxen Lutheraners in dessen einflussreichem "Kompendium der Dogmatik" (März 1878 bis April 1881) belegt eindrücklich die Hinwendung zu diesem Vertreter einer "hellen" Theologie während der Leipziger Jahre. Um Ritschls Schrift "Theologie und Metaphysik" kreiste auch eine briefliche Kontroverse im März und April 1882. Dazwischen hatte man sich von April 1881 bis März 1882 über Besprechungen und Artikel ausgetauscht, die in den Organen der beiden Richtungen, den von Luthardt herausgegebenen Blättern "Allgemeine Evangelisch-Lutherische Kirchenzeitung" und "Theologisches Literaturblatt" sowie der von Harnack mit Emil Schürer verantworteten "Theologischen Literaturzeitung", erschienen
waren. Das ohnehin nicht spannungsfreie Verhältnis wurde spürbar getrübt durch die Kontroverse, die durch die scharfe Rezension der von Harnack veranstalteten Edition der Didache durch Theodor Zahn im "Theologischen Literaturblatt" ausgelöst wurde, in die auch Luthardt als Herausgeber der Zeitschrift verwickelt wurde. Schließlich kam es im Frühjahr 1886 über dem ersten Band von Harnacks Dogmengeschichte zum Zerwürfnis. Luthardt nutzte die Dogmengeschichte u. a. dazu, eine anstehende Berufung Harnacks nach Leipzig zu verhindern, indem er nicht nur massiv in den Fakultätsberatungen gegen Harnack Stellung bezog, sondern auch den jungen Kollegen beim sächsischen Kulturminister anschwärzte. Danach wechselt man lediglich noch mehr oder minder herzliche Dankschreiben für erhaltene Publikationen des jeweils anderen. Rieske-Braun stellt diese Zusammenhänge kenntnisreich und auf das Wesentliche konzentriert dar, so dass man einen guten Eindruck von dem Verhältnis der beiden Antipoden gewinnt.37

Doch ist damit bei weitem noch nicht alles ans Licht gehoben worden. So steht die Edition der wichtigen Korrespondenzen mit Friedrich Althoff, Friedrich Schmidt-Ott und Friedrich Loofs, von Jürgen Hönscheid seit längerem angekündigt, noch aus.38 Eine Edition des für die Geschichte des Kulturprotestantismus zentralen Briefwechsels mit Albrecht Ritschl ist ebenso ein dringend zu behebendes Desiderat39 wie die Veröffentlichung der Korrespondenz mit Franz Overbeck.40

2. Biographisches

Vor allem die oben erwähnten Briefeditionen Rebenichs und Jantschs mit den begleitenden Analysen haben auch unsere biographischen Kenntnisse bedeutend erweitert. Leider liegt jedoch bisher keine umfassende Biographie vor, die diesen neuen Erkenntnisstand aufgearbeitet hätte. Hier sind wir immer noch auf die Darstellung von Agnes von Zahn-Harnack angewiesen, die allerdings in ihrer Qualität nicht unterschätzt werden sollte.41 Durch eine gründliche Aufarbeitung des Nachlasses sowie archivalische Studien entstand eine Lebensbeschreibung, die methodisch (im Rahmen der durch Verwandtenbiographien gesetzten Grenzen) durchaus wissenschaftlichen
Standards entsprach, sich dabei gegenüber dem Zeitgeist als erstaunlich resistent erwies.42

Die zahlreichen, seither erschienenen biographischen Arbeiten - meist kürzere Lebensbilder und Lexikonartikel - basieren i. W. auf dieser Lebensbeschreibung und erweitern sie gegebenenfalls um mittlerweile publizierte Archivalien, v. a. Briefwechsel. Neues unveröffentlichtes Material aus dem Nachlaß in der Berliner Staatsbibliothek und dem Universitätsarchiv Leipzig hat für die Biographie Harnacks - wenn ich recht sehe - in größerem Umfang erst Kurt Nowak in seiner umfangreichen Einführung in die Neuausgabe von Harnacks kürzeren Schriften erschlossen.43

Auch die Personen im Umfeld Harnacks - Freunde wie Gegner - hat man in den letzten Jahren intensiver erforscht. Hier seien nur exemplarisch die großen Studien zu Theodor Zahn44, Theodor Mommsen45, Martin Rade46, Ernst Troeltsch47 und Karl Holl48 aus jüngster Zeit genannt, denen sich zahlreiche Einzelheiten entnehmen lassen, die auch für die Biographie Harnacks unmittelbar von Bedeutung sind.

3. Die Rezeption des "Wesen des Christentums" nach dem Zweiten Weltkrieg

3.1 Die fundamentaltheologische Phase

Schon der knappe Überblick über die Herausgabe der Werke Harnacks sowie die Erforschung der Vita belegen die eingangs getroffene Feststellung, dass der berühmte Kirchenhistoriker nicht nur nicht vergessen ist, sondern das Interesse an ihm in den letzten beiden Dezennien sogar deutlich zugenommen hat.

Dies gilt nun auch für das WdCh. Es erreichte nach dem Zweiten Weltkrieg zwar nicht mehr die hohen Auflagen wie in der Weimarer Republik49, aber allein die deutsche Ausgabe
wurde seit 1945 noch fünfmal aufgelegt, darunter auch einmal in der DDR.50 Hinzu kommen wenigstens drei englische und

italienische und je eine japanische, koreanische und französische Ausgabe, Auswahlausgaben nicht mitgerechnet.51 Das WdCh wurde also auch weiterhin gelesen, wenn auch vielleicht nicht mehr in so breiten Bevölkerungsschichten wie vor dem Krieg. Diese Nachkriegsrezeption dürfte nicht zuletzt dadurch befördert worden sein, dass einer der prominentesten und umstrittensten Theologen der Zeit im Jahre 1950 einer Neuausgabe des WdCh ein später viel zitiertes Geleitwort voranstellte: Rudolf Bultmann.

Bultmann sah in dem Werk nicht nur ein "hochbedeutsames theologie-geschichtliches Dokument" (VII), sondern auch einen "Beitrag zur aktuellen theologischen Diskussion" (VIII), wobei er keinen anderen als - Karl Barth als Bundesgenossen für diese Auffassung zitierte. Harnack müsse schon deshalb gehört werden, weil erneut die "Gefahr einer Neuorthodoxie, einer Repristination des Konfessionalismus" (IX), aber auch "eines vulgären ,Barthianismus'" (XVI) drohe. Dies dürfe aber nicht zu unkritischer Lektüre verleiten. Als "Schwäche Harnacks" sieht Bultmann doch wohl zu Recht dessen Widerstand gegen die Religionsgeschichtliche Schule an, wodurch er die Bedeutung der Eschatologie für die Predigt Jesu, aber auch für die Urgemeinde und für Paulus verkannt habe. Dementsprechend habe er die Parusieverzögerung auch nicht als echtes altkirchliches Problem erkannt. Damit hänge seine Verzeichnung der Gnosis zusammen. Christentum und Gnosis seien insofern parallele Erscheinungen, als "hier wie dort dem Menschen das Weltverhältnis fragwürdig geworden war und das Selbst des Menschen, seine eigentliche Existenz, als in radikalem Gegensatz zu allem welthaften Sein verstanden wurde" (XI). Harnacks Versuch, das Wesen des Christentums zu beschreiben, sei im Grunde unhistorisch. Die Aktualität des Christentums lasse sich gerade "nicht mittels seiner lediglich ,induktiven' Methode aufzeigen" (XII). Harnack habe in seiner Beschreibung des christlichen Glaubens "Entscheidendes gesagt, dieses nämlich, daß der christliche Glaube den Menschen in seinem von der Welt unterschiedenen Selbstsein meint und ihn aus der Welt heraushebt" (XII-XIII). Allerdings deute Harnack den "Unterschied des Glaubens von einer ,Weltanschauung'" allenfalls an, bringe ihn aber nicht hinreichend zum Ausdruck, und zwar deshalb nicht, weil er "den Unterschied zwischen dem kerygmatischen Charakter des Evangeliums und einer aufklärenden Belehrung und einem sittlichen Appell nicht klar erfaßt hat". Daher rühre denn auch "der fragmentarische Charakter seiner christologischen Anschauungen" (XIV), denn es gebe bei ihm eine Tendenz, das Evangelium lediglich "als eine Zusammenfassung von Sätzen" zu verstehen, "die den Inhalt der Verkündigung des historischen Jesus wiedergeben, von Sätzen, die sich als ,Lehre' bezeichnen lassen", und insofern gehöre Jesus "nicht in das Evangelium hinein" (XIV). Bultmann teilt aber mit Harnack die Ablehnung der kirchlichen Christologie insoweit, als sie das Kerygma in eine Lehre verkehre. Harnack habe es jedoch unterlassen, "über den legitimen Sinn von Lehre in der christlichen Kirche" nachzudenken, der in der "Analyse des Glaubens" bestehe (XV).

In Bultmanns engagierter, aus der Tagesaktualität des kirchlichen und theologischen Geschehens heraus geschriebener Stellungnahme spürt man noch viel von den älteren Debatten um das Buch, in denen um die Möglichkeit einer Theologie in der Moderne überhaupt gestritten wurde. Mit teilweise veränderter Fragestellung, aber mit demselben Impetus setzte Bultmann diese erste, fundamentaltheologische Rezeptionsphase des WdCh fort. Auch die erneut aufflackernde Diskussion um die Neuauflage zeigte, dass in der Krisensituation der Nachkriegszeit die Frage nach dem Wesen des Christentums unversehens neue Aktualität bekommen hatte.52 Gottfried Voigt gehört noch zu

dieser Phase, der aus einer lutherischen Orientierung heraus 1954 das "Gespräch mit Harnack" zu führen versuchte.53

Gleichwohl beginnt Harnacks Einfluss im Laufe der fünfziger Jahre deutlich zurückzugehen. Hierbei ist gewiss die Dominanz der Wort-Gottes-Theologie an den deutschen Universitäten in der Nachkriegszeit in Rechnung zu stellen. Bei den Autoren, die die Frage nach dem Wesen des Christentums noch thematisieren, spielt er jedenfalls faktisch keine Rolle mehr.

Friedrich Gogarten orientiert sich 1956 in seinen Vorlesungen "Was ist Christentum?" an Troeltsch. In Gerhard Ebelings stark systematisch-theologisch ausgerichteten Vorlesungen zum "Wesen des christlichen Glaubens"54 kommt Harnack nur sehr beiläufig in den Blick und nur, um ihm sogleich Ungenauigkeit in der Fragestellung vorzuwerfen, sei doch die Frage nach dem Wesen des Christentums tatsächlich die Frage "nach dem Wesen des christlichen Glaubens" (17).55

Nach Voigt schweigt die theologische Wissenschaft also lange Zeit auffällig laut zum WdCh. Schon 1952 hatte Heinrich Scholz, der wie sein Freund Karl Barth bei Harnack studiert hatte, gefragt, ob aus dem "unwidersprechlichen Bankerott" der Theologie seines Lehrers auch ihr "wissenschaftlicher Bankerott" gefolgert werden müsse. Scholz stimmte Barths Forderung zu, es müsse erlaubt sein, "unter dem Eindruck der substantiellen Insuffizienz dieser Theologie auch ihre möglichen wissenschaftlichen Defekte einmal planmäßig aufzuzeigen" - allerdings verband Scholz diese Forderung mit der anderen, die evangelische Theologie solle der Frage nicht ausweichen, "ob sie auch dann noch etwas zu sagen hat, wenn sie von der Annahme ausgehen soll, daß die wissenschaftlichen Resultate der Harnack'schen Theologie im wesentlichen zutreffend sind".56 Die erste Forderung wurde in Hans-Georg Fritzsches streitbarer Darstellung der "Strukturtypen der Theologie" gnadenlos, wenn auch nicht durchweg sachkundig exekutiert: Fritzsche ließ an Harnack wohl deshalb nicht ein gutes Haar, weil er das WdCh als "systematische[s] Resumé der liberalen Theologie" sah.57 Der Tiefpunkt schien erreicht in den für ein weiteres Publikum geschriebenen, gleichzeitig im Jahre 1966 veröffentlichten Darstellungen der evangelischen Theologie von Eberhard Hübner und Heinz Zahrnt.

Hübner warf Harnack vor, der Abbau zentraler dogmatischer Aussagen führe bei ihm dazu, dass die Darstellung des Christentums "in eine allgemeine, sittlich ausgerichtete Religiosität" einmünde.58 Bei Zahrnt diente das WdCh nur noch als mittlerweile historisch desavouierter Ausdruck des "bürgerlich-idealistischen Zeitalters, das, beseelt von einem optimistischen Glauben an den Geist und an den Fortschritt in der Geschichte, Gott und Welt, Religion und Kultur, Glauben und Denken, göttliche Gerechtigkeit und irdische Ordnung, Thron und Altar zu einer natürlichen, fast ungestörten Harmonie vereinen zu können meinte und darum zuversichtlich in die Zukunft blickte."59 Vor diesem düsteren Hintergrund konnte das Glanzlicht Barth um so heller erstrahlen.

Ende der sechziger Jahre konnte Rolf Schäfer denn auch die Frage, ob es überhaupt Sinn habe, nach dem Wesen des Christentums zu suchen, nur noch in einem sehr eingeschränkten Sinn bejahen.60

Wenn aus der Geschichte des Problems etwas zu lernen sei, so Schäfer, dann sei es "die Erkenntnis der Unmöglichkeit, das Wesen des Christentums in eine Formel einzufangen." Der Grund hierfür liege in prinzipiellen Erwägungen. Eine begriffliche Darstellung des Wesens des Christentums sei ein Widerspruch in sich, insofern jede Formulierung "Erscheinung" sei und daher a priori das "Wesen" nicht abbilden könne.

"Das Wesen des Christentums hat seinen Ort nicht im Medium des Gedankens, sondern in einer tieferen Schicht des Menschen. Formeln, Umschreibungen oder Schilderungen des Wesens haben nur dann einen Sinn, wenn sie in diesem tieferen Bezirk zur Evidenz kommen."

Harnack beschreibe diesen Bezirk mit dem Begriff "Innerlichkeit". Die Wahrheit des Begriffes der Innerlichkeit und verwandter Termini werde "nicht im dogmatischen System für sich" evident, vielmehr komme es auf "Aneignung" der damit bezeichneten "Sache" an. Der "Vollzug der Aneignung" habe dann aber auch einen sozialen Aspekt, insofern er den Blick öffne "auf den Grund, aus dem die Wahrheit stammt, auf die Gemeinschaft derer, mit denen man sich in der Erfahrung dieser Wahrheit eins weiß, und auf die theoretischen und praktischen Folgerungen, die aus ihr hervordrängen" (344 f.). Insofern eigne dem so verstandenen Wesensbegriff ein dynamisches Moment, stehe er "immer in Relation zur Zukunft". Mit dem völligen Verzicht auf begriffliche Darstellung des Wesens des Christentums rückt aber Schäfer - trotz Berufung auf Harnack - doch deutlich von Letzterem ab.

3.2 Die fachwissenschaftliche Rezeptionsphase

Die Diskussion um das WdCh setzte in größerem Umfang erst in den siebziger Jahren wieder ein.61 Nun dominierten aber ganz eindeutig theologiegeschichtliche Interessen. Man könnte diesen Abschnitt als die fachwissenschaftliche Rezeptionsphase bezeichnen. Dies ergibt sich schon aus einer Veränderung in den verwendeten Gattungen: Die Pamphlete, Traktate oder Essays mit dem Titel "Wesen des Christentums" verschwanden; statt dessen wurde Harnacks populärstes Werk nun zunehmend Gegenstand von akademischen Qualifikationsarbeiten, und zwar - wohl bedingt durch die neue Diskurssituation nach dem Zweiten Vatikanum - auffälligerweise auch auf katholischer Seite. Intensiv wurde die Vorgeschichte der Fragestellung erforscht.62 Der Katholik Hermann-Josef Schmitz etwa analysierte das WdCh im Rahmen seiner Untersuchung des "Frühkatholizismus bei Adolf von Harnack, Rudolph Sohm und Ernst Käsemann", und zwar insbesondere unter der Fragestellung, welche Bedeutung das Evangelium bei Harnack hat;63 auch der Protestant Christian Bartsch bezog es in seine Darstellung derselben Thematik mit ein, wobei er allerdings wesentlich stärker ideologiekritisch argumentierte.64

Dominiert wurde die Debatte zum WdCh indessen von den beiden Studien des Protestanten Carl-Jürgen Kaltenborn und des Katholiken Karl H. Neufeld. Kaltenborn hatte in seiner auf eine an der Humboldt-Universität verfertigte Dissertation zurückgehenden Monographie das Augenmerk auf den Einfluss Harnacks auf Bonhoeffer gerichtet.65 Er sah diesen Einfluss vor allem im "Jesuanismus" Harnacks, d. h. seiner antidogmatisch gewendeten Christologie, gegeben, der in Bonhoeffers ansonsten durchaus chalkedonensisch orientierter Christologie in der Betonung der Menschheit Christi zu Tage trete, ferner in der Ethik und im "Antiklerikalismus". Diese theologischen Grundzüge wurden nicht zuletzt aus dem WdCh erhoben. Sechs Jahre später folgte Karl H. Neufeld mit seiner Habilitationsschrift speziell zum WdCh, die seine ebenfalls Harnack gewidmete, 1977 im Druck erschienene Dissertation zu dessen Kirchenbegriff ergänzte.66

Neufeld untersucht sorgfältig die Traditionsgeschichte der Fragestellung und die drei großen Konflikte, die Harnacks Lebensweg prägten: den Bruch mit dem Vater, die Auseinandersetzung um die Berufung nach Berlin und den Apostolikumsstreit. Neufeld interpretiert Harnacks Biographie als einen "Weg christlicher Erfahrung ..., dessen Höhepunkt die Formulierung des ,Wesens des Christentums' als persönliches Bekenntnis Harnacks darstellt" (174). Die dem WdCh voraufgehenden "Fälle" "thematisieren ungesucht die entscheidenden Grundfragen der Existenz des Christen und Wissenschaftlers Harnack":

"Zusammengenommen artikuliert sich hier das Grundproblem seines Lebens, mit dem er sich in seinen wissenschaftlichen Untersuchungen von verschiedenen Zugängen aus immer wieder neu und intensiv als Fachtheologe befaßte" (174).

Die fachwissenschaftlichen Publikationen hätten aber zur Artikulation dieses Grundproblems nicht ausgereicht. Was in dem WdCh hingegen zur Sprache komme, liege "als existenzielle Basis noch vor dem wissenschaftlichen Werk des Theologen" und bilde "zugleich dessen Überhöhung in die Praxis des Christen heute". Genau darin aber liege der Grund, warum es Harnack gelang, "das Evangelium wieder ins Gespräch einer breiten Öffentlichkeit zu bringen" (175). In der Verbindung der Frage nach dem Wesen des Christentums mit der "Frage nach der Kirche" ist nach Neufeld das "Kernproblem und der Schlüssel" des wissenschaftlichen Werkes und der Theologie Harnacks zu sehen, ja mehr noch - "das Zentrum seines Christseins als Leben in der Welt":

"Erfahrungen und Konflikte führten ihn an diese Stelle; von hier aus entfalten sich seine vielfältigen praktischen Einsätze. Das bewußte und bejahte Zeugnis des Christen hat hier seinen Ort" (179 f.).

Nach den kritischen Reaktionen Kaltenborns auf Neufelds Publikationen (er bemängelte vor allem die fehlende "gesellschaftliche Relevanz")67 erlahmte die Diskussion um das WdCh in den achtziger Jahren weithin.68 Sie kam erst wieder in Gang durch die Publikation der Bonner Dissertation Thomas Hübners im Jahre 1994.69 Im Unterschied zu Kaltenborn und Neufeld ist Hübner ganz auf Harnacks Methodologie im WdCh konzentriert. In der detaillierten Aufarbeitung auch der gesamten Werk- wie der Rezeptionsgeschichte ist die Monographie Hübners die mit Abstand gründlichste Arbeit zum WdCh. Allerdings wirkt sie aus diesem Grund auch unübersichtlich und in ihrer Detailversessenheit ein wenig skurril.70

Der Titel deutet Hübners These an: Der sachgemäße Zugang zu Harnacks Vorlesungen eröffne sich über deren Methode. Diese bestehe in der "Assoziation" der Methode der "vollständigen Induktion", die nicht naturwissenschaftlich-quantitativ, sondern mathematisch-qualitativ zu verstehen sei. Diese Methode, zuerst bei Thomas Carlyle für die Geisteswissenschaften gefordert, sei ihm grundsätzlich durch die Arbeiten des englischen Patristikers Edwin Hatch vermittelt worden, hier aber noch in ihrer naturwissenschaftlich-empirischen Form. Harnack habe dann als erster die mathematisch vollständige Induktion auf einen theologischen Sachverhalt angewendet (184).

Nach einer sehr ausführlich geratenen Durchsicht aller Beiträge, die sich in irgendeiner Weise mit dem WdCh beschäftigen, stellt Hübner fest, "daß die Methodenassoziation von Adolf v. Harnack im mathematischen Sinne bis heute von niemandem gesehen wurde" (176).

Entscheidend sei, dass sich das methodisch-induktive Vorgehen nur auf die Erkenntnis der geschichtlich gewachsenen "Rinden" oder "Schalen" beziehe. Der "Kern", die "Kraft des Evangeliums", das Verhältnis von Gott und Seele, bleibe davon unberührt, es sei der wissenschaftlichen Theologie prinzipiell unzugänglich (185).

Nun ist Hübner ohne Zweifel zuzugeben, dass die mathematischen und naturwissenschaftlichen Interessen Harnacks gemeinhin unterschätzt werden und dass Harnack daraus häufig Bilder und Metaphern für historische Sachverhalte gewinnt (Hübners diesbezüglichen Nachweis S. 58-90 halte ich für überzeugend). Aber es wäre ernsthaft zurückzufragen, ob Harnacks Methode der vollständigen Induktion im WdCh nicht erheblich unterbestimmt bleibt, da sie ja nur ein einziges Mal eher beiläufig Erwähnung findet.71 Mir scheint Harnack hier weniger einen "mathematischen" Induktionsbegriff zu "assoziieren", als vielmehr einfach sagen zu wollen, dass man die christliche Religion in ihrer Gesamtheit in Blick nehmen muss, um ihr "Wesen" zu erfassen (was er dann in der Durchführung seines Themas auch tatsächlich tut).72

Hübners Buch enthält aber noch mehr: Der Vf. hat nämlich in einer ungeheuren Fleißarbeit nicht nur die gesamte Literatur zu Harnacks Buch in mehreren Bibliographien zusammengetragen, sondern auch in zwei Exkursen die Quellenangaben zu den Zitaten Harnacks eruiert sowie eine text- und editionskritische Untersuchung des Buches angestellt, wobei "jede erreichbare, deutsche Ausgabe ... auf mögliche Abweichungen hin Zeile für Zeile untersucht" wurde (19) - die dann auch akribisch vermerkt werden!

Auch wenn man dem Vf. gern zugestehen wird, dass die von Wolfgang Trillhaas geäußerte Behauptung, das WdCh sei ein "Seitenprodukt" für Harnack gewesen,73 angesichts der zahlreichen Änderungen, die Harnack im Laufe der Jahre vorgenommen hat, so nicht stimmen kann und dass die von Bultmann und Trillhaas besorgten Nachkriegsausgaben allerlei Wünsche offen lassen, so frage ich mich doch, ob dieser Nachweis seitenlange Verzeichnisse von Varianten wirklich notwendig macht.

Als Beigaben finden sich bei Hübner ferner die Wiedergabe zweier seltener Titelblätter, eine Sammlung sämtlicher Vorworte Harnacks und der Text einer bisher unbekannten Mitschrift der Vorlesungen durch den Theologiestudenten (und späteren Pfarrer) Friedrich Israel.

Wie hat man die Bedeutung dieser Mitschrift einzuschätzen? Hübner möchte ihr im Hinblick darauf, dass auch die Druckfassung auf eine Mitschrift (von Walther Becker) zurückgeht, offenbar einen hohen Quellenwert für die Rekonstruktion der Intentionen Harnacks zuerkennen. Allerdings scheint mir angesichts der Tatsache, dass Harnack die Mitschrift Beckers durchgesehen und ausdrücklich (und mehrfach!) autorisiert hat, die Behauptung Hübners, hier lägen "frei gehaltene Vorträge" im Druck vor, die auf Grund ihrer ursprünglichen Mündlichkeit "zu einem anderen Lesen" aufforderten, "als es sonst bei wissenschaftlicher Lektüre üblich" sei (19), überspitzt zu sein. Insofern handelt es sich natürlich auch nicht um einen "mündlich tradierten Text", wie der Vf. behauptet. Dies relativiert die Mitschrift Israels etwas, deren Bedeutung in erster Linie in der Rekonstruktion der Ursprungssituation der sechzehn Vorlesungen liegt, nicht aber in deren Druckgeschichte. Es kann m. E. überhaupt kein Zweifel daran bestehen, dass Harnack in den von ihm selbst korrigierten Aufzeichnungen Beckers seine eigene viva vox wiedererkannte.

Den Mitte der neunziger Jahre erreichten fachwissenschaftlichen Diskussionsstand fasste Kurt Nowak in der erwähnten Einleitung zu seiner Neuausgabe der "Reden und Aufsätze" zusammen.74 Er weist zu Recht darauf hin, dass Harnacks Geschichtsverständnis "in der Mannigfaltigkeit des Wirklichen an die Anschauung und nicht an den Begriff gebunden" sei:

"Die Neigung zum Konkreten gab Harnack jene Elastizität und Differenzierungsfähigkeit, die sein Werk von bloßen Demonstrationen geschichtsphilosophischer Theorien abrückte" (28).

Die philosophischen Wurzeln für Harnacks Geschichtsverständnis sieht Nowak bei Herder und, vor allem, in der "Idee der Metamorphosen des organischen Gestaltwandels der Geschichte", die Goethe entlehnt war. Eine "Trennung zwischen Christentumsgeschichte und allgemeiner Geschichte" habe Harnack verworfen:

"Die in der Verkündigung Jesu aufbewahrten Glaubensgüter Gottvertrauen, Menschenliebe, Reichgotteshoffnung standen für Harnack nicht in Spannung zur allgemeinen Geschichte, vielmehr machten sie ihren innersten Gehalt aus. Keine andere Religion als das Christentum vermochte für die Menschheitsgeschichte das lösende Wort zu sprechen, welche [sic] ihr zu sittlicher Eindeutigkeit verhalf und sie zur Freiheit führte. Deshalb auch war für Harnack die Religiosität als Existenzial des Menschen in letzter Instanz identisch mit dem Inhalt der Verkündigung Jesu. In ihr sah er die vollkommene Erkenntnis Gottes und die Selbsterkenntnis des Menschen beschlossen ... Die durch Jesus ins Eindeutige geführte Bestimmung des Menschen und die Jesusbotschaft fielen, recht verstanden, ineinander. Die Religion bereitete mit der individuellen Erlösung der universalen Erlösung der Menschheit den Weg" (29).

Exkurs I: Das WdCh im angloamerikanischen Raum

Ganz anderen Diskursregeln folgt die Rezeption des WdCh im angloamerikanischen Raum.75 Sie können hier nicht im Einzelnen untersucht werden. Es fällt auf, dass das WdCh bis in die Mitte der sechziger Jahre hinein von Systematischen Theologen- im Unterschied zu Kirchenhistorikern76 - überwiegend negativ beurteilt wird, obwohl (oder vielleicht gerade weil) der Einfluss Harnacks im Anglikanismus oder im amerikanischen Protestantismus beträchtlich gewesen ist.77

Wenigstens die wichtigsten Stellungnahmen seien stichwortartig angeführt: Der Amerikaner H. Richard Niebuhr unterzog in "Christ and Culture" das WdCh einer eingehenden Kritik.78 Niebuhr warf Harnack vor allem theologische Simplifikationen vor. Jesu Wirken sei völlig vom Liebesbegriff her entworfen. Dies sei aber unbiblisch. Vielmehr müsse die Liebe strikt theozentrisch verankert werden. Alle menschlichen Beziehungen mit Gott seien im Lichte von dessen absolut "liebenswertem" Wesen zu sehen, das letztlich das einzige Ziel der Verehrung sei (15 ff.). Bei Niebuhr war der Einfluss Barths dabei ebenso deutlich wie bei dem Briten Daniel L. Deegan, der Harnack im Jahre 1963 des "Rationalismus" beschuldigte, ohne diesen Vorwurf aber allzu eingehend zu begründen.79 Bei dem Amerikaner William Hamilton war die Frage nach dem "neuen" Wesen des Christentums zwei Jahre zuvor gleich ganz ohne Harnack, dafür aber in Auseinandersetzung mit den zeitgenössischen theologischen Debatten im angloamerikanischen Raum verhandelt worden.80

Der Pauck-Schüler G. Wayne Glick hat 1967 v. a. Niebuhrs Kritik an Harnack nachdrücklich zurückgewiesen. Seine Monographie "The Reality of Christianity" ist - wenn ich recht sehe - die umfassendste Untersuchung zum WdCh aus dem angelsächsischen Raum.81 Auf einen biographischen Teil, der ganz auf der Lebensbeschreibung von Agnes von Zahn-Harnack basiert, folgt eine Untersuchung von Harnacks Geschichtsbegriff, durch die sich Glick zur Theologie im engeren Sinne vortastet. Erst gegen Ende des Buches kommt Glick dann zum WdCh, das eingehend vorgestellt wird. Das apologetische Anliegen Glicks, Harnack zu rehabilitieren, wird vor allem in seiner ausführlichen Auseinandersetzung mit bedeutenden Kritikern des WdCh allenthalben spürbar. In diesem Zusammenhang verteidigt Glick Harnack auch gegen Niebuhrs Vorwurf der Simplifikation, der der Komplexität des Harnackschen Entwurfes nicht genügend Rechnung trage. Da Gottes Wesen nach Harnack wesentlich verborgen bleibe, sei eine theologische Spekulation hierüber wenig Erfolg versprechend. Gott habe sich letztlich nicht offenbart; Offenbarung sei vielmehr auf die "Öffnung" des Menschen, v. a. Jesu, beschränkt. Als Folge davon werde der Mensch thematisiert und alles danach bewertet, inwiefern es zur "Mehrung des Wertes für die Menschheit" beitrage (283-286). Glicks Hauptanliegen besteht darin zu zeigen, dass man Harnacks Theologie nicht reduktionistisch missverstehen darf, dass die von Harnack selbst für das Evangelium in Anspruch genommene "Einfachheit" tatsächlich Resultat eines sehr komplexen Reflexionsprozesses gewesen ist, den man ebenso mit berücksichtigen muss wie den historischen Kontext, in dem das Werk entstanden ist.

Abschließend ist noch der anglikanische Theologe Stephen Sykes zu nennen, der nach mehreren Vorarbeiten 1984 eine Untersuchung über "The Identity of Christianity" vorlegte.82 Sykes geht es dabei primär um die Frage nach christlicher Identität in der modernen Situation konfessioneller Pluralität. Den Hintergrund hierfür bildet die akute Sorge um die kirchliche Kommunikationsfähigkeit:

"One of the themes of the book concerns the responsibility of the Christian theologian in his exercise of power in the Church, a power which resides in his or her articulacy, or power to communicate. I hold that a theologian must communicate to other than fellow theologians, and that clarification of meaning is one of the few justifications for occupying valuable time and money for the production and reading of works of scholarship" (4).

Sykes verkennt durchaus nicht die historische Einbettung der Frage nach dem Wesen des Christentums in die spezifischen Bedingungen des 19. Jahrhunderts. Gleichzeitig sei diese "theologische Episode" aber höchst modern, gehe es doch "nicht nur um das Problem christlicher Identität, sondern ebenso auch um die schmerzhafte Rolle, die der Theologe in Konflikten um diese Identität in jeder der christlichen Kirchen zu spielen scheint" (5).

Mit diesem Erkenntnisinteresse nun analysiert Sykes auch Harnacks WdCh, und er tut dies anders als alle deutschen Autoren, nämlich indem er Harnack und Alfred Loisy vergleicht, dessen "L'Évangile et l'Église" ja ausdrücklich gegen Harnack gerichtet war (wobei Letzterer - abgesehen von einer knappen Rezension der deutschen Übersetzung in dieser Zeitschrift83 - von dem Exponenten des französischen Modernismus kaum Notiz nahm). Die Pointe von Sykes' Analyse, die hier nicht im Einzelnen wiedergegeben werden kann, besteht in der These, dass beide Theologen einander näher standen, als die Stoßrichtung von "L'Évangile et l'Église" zunächst suggerierte. Sie seien nämlich in je eigener Weise Repräsentanten einer durch die Entwicklung der historisch-kritischen Bibelforschung veränderten Gesprächslage am Ausgang des 19. Jahrhunderts:

"On the one hand, historical scholarship is an autonomous discipline with its own conventions: on the other, Christian identity is a problem which cannot be loosed from the historical study of Christian origins. These two propositions constitute the new parameters for the distinctively modern treatment of our theme" (146).

Allerdings hätten weder Loisy noch Harnack das Reflexionsniveau eines Schleiermacher oder Newman erreicht. (An anderer Stelle nennt er Harnacks Vorlesungen in wünschenswerter Deutlichkeit "methodisch naiv" [5].) Sykes unterscheidet also sehr sorgfältig - und wie ich meine zutreffend - zwischen der neuen Qualität der kirchlichen und theologischen Situation, in der Harnack seine Vorlesungen hielt, und der Insuffizienz der theologischen Antworten, mit denen Harnack auf diese neue Lage reagierte.



3.3 Die Phase der kritischen Rezeption

Eine dritte Phase der Nachkriegsrezeption kündigt sich vereinzelt schon in den siebziger Jahren an, setzt aber auf breiter Front dann eigentlich erst im letzten Jahrzehnt ein. Man könnte sie die Phase der kritischen Rezeption nennen. Sie ist durch die fachwissenschaftliche Phase vorbereitet und überlappt sich mit ihr auch teilweise, doch verbreitert sich die Diskussion aus den akademischen Qualifikationsarbeiten hinein in synthetische Darstellungen der Theologiegeschichte. Harnack partizipiert an dem allgemeinen Trend, der Theologiegeschichte des 19. Jahrhunderts und damit auch der liberalen Theologie bzw. dem Kulturprotestantismus historische Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Teilweise wird dabei auch die aktualisierende Tendenz erkennbar, durch die Dialektische und die Wort-Gottes-Theologie verschüttete Anliegen jener älteren Epoche der Theologiegeschichte neu zur Sprache zu bringen. Es erscheinen nun in größerem Umfang Theologiegeschichten des 19. Jahrhunderts, teilweise biographisch ausgerichtet. Harnack firmiert hier fast durchweg in Kapiteln über die liberale Theologie bzw. den Kulturprotestantismus.84 Darüber hinaus wird durch zahlreiche Arbeiten zum Kulturprotestantismus bzw. zur liberalen Theologie85 das Bild eben dieser Richtungen weiter differenziert wenn nicht gar neu entworfen - von einer Fülle von Spezialuntersuchungen ganz zu schweigen. Dies kann hier, so reizvoll es auch wäre, nicht weiter ausgeführt werden. Zweifellos ist aber diese neue Phase gekennzeichnet durch eine zwar kritische, gleichwohl von Empathie getragene rélecture des WdCh. Wilhelm Schneemelcher konnte bereits zu Beginn dieser neuen Rezeptionsphase feststellen: "Es gibt auch heute noch viel von Harnack zu lernen".86

Die Gründe für diese theologische rélecture lassen sich einstweilen nur tentativ angeben, da sie noch in vollem Gange ist. Im Zuge der Suche nach neuen Paradigmen, mit denen sich die theologische Krise der Gegenwart bewältigen ließe, erfährt das 19. Jahrhundert weithin eine Rehabilitation, wenn nicht Repristination. Dies lässt sich besonders an den Schlüsselfiguren wie Schleiermacher und eben Harnack ablesen, die geradezu zu neuen Leitfiguren erkoren werden. Die erneut gestellte Frage nach dem Verhältnis von "Protestantismus und Kultur" wird motiviert durch eine apologetische Grundhaltung der wissenschaftlichen Theologie gegenüber komplexen religiösen Verwerfungen in einer Gesellschaft, die der traditionellen "Dienstleistungen" eben dieser Theologie immer weniger zu bedürfen scheint.87 Auf der Suche nach Identifikationsfiguren der Vergangenheit bieten sich sowohl Schleiermacher wie Harnack an, da beider Werk durch einen apologetischen Grundzug geprägt ist und beide nicht nur als Universitätstheologen, sondern auch als Wissenschaftspolitiker und -organisatoren tätig gewesen sind.

Das neue Interesse an Harnack rührt also auch daher, dass die Krise der Theologie auch eine Krise ihrer Institutionen ist - am deutlichsten erkennbar landauf, landab am massiven Abbau von theologischen Lehrstühlen. Harnack, "der letzte dt. Theologe, der eine gesamtgesellschaftlich relevante, praktisch wirksame Wissenschaftlichkeit in einer öfftl. Spitzenposition repräsentierte"88, bietet hier ein - bisweilen geradezu nostalgisch ver-
klärtes- Modell einer sozial privilegierten, und d. h. nicht zuletzt auch mit politischer Macht ausgestatteten, Universitätstheologie. Dieses Modell des in allen relevanten Gesellschaftsbereichen souverän agierenden Wissenschaftspolitikers ist so persuasiv, dass man selbst außerhalb der Theologie, etwa bei kommemorativen Veranstaltungen innerhalb der Max-Planck-Gesellschaft oder bei der Neuorientierung der Wissenschaftsorganisationen in Berlin nach der deutschen Wiedervereinigung, gerne darauf rekurriert, wobei Harnack dann teilweise geradezu enttheologisiert wird.89

Damit eng verschränkt, wiewohl nicht unbedingt identisch, hat das derzeitige starke Interesse an der Wissenschaftspolitik von Kaiserreich wie Weimarer Republik schließlich auch das Augenmerk der institutionen- wie sozialgeschichtlich orientierten Profanhistoriker wieder auf Harnack als einen der dominierenden Repräsentanten dieser Politik gelenkt, wobei hier exemplarisch die bereits genannte Studie des Althistorikers (!) Stefan Rebenich angeführt werden kann.90

Mit dem hundertjährigen Jubiläum der Vorlesungen, das mit dem Millenniumswechsel zusammenfällt, scheint das Nachdenken über das Wesen des Christentums nun noch um eine Dimension erweitert zu werden. Gleich drei Publikationen aus dem vergangenen Jahr tragen diese Formulierung im Titel oder spielen doch deutlich darauf an. Auffällig ist dabei, dass es sich durchweg um Sammelbände handelt. Einzelne Theologen oder Theologinnen trauen sich offenbar nicht mehr die integrative Kraft zu, das Thema produktiv abzuhandeln. Welche Rolle spielt nun Harnack in diesen Publikationen? Das überraschende Ergebnis: allenfalls eine marginale!

Eine nun in einem schmalen Bändchen gedruckt vorliegende Vortragsreihe im Berliner Dom vom Reformationstag 1999 bis zur Passionszeit 2000 stellte die Frage nach dem "Wesen des Christentums in seiner evangelischen Gestalt".91 Falls ich nichts übersehen habe, wird Harnack hier nur im Geleitwort von Christian Zippert, dem Bischof der Evangelischen Kirche Kurhessen-Waldeck und Vorsitzenden der Arnoldshainer Konferenz, sowie im Beitrag Wolfgang Hubers zum "Spannungsverhältnis" zwischen evangelischem Glaube und Frage nach der Kirche erwähnt. Zippert stellt aber sogleich fest, "nicht die so genannte liberale Theologie" werde in den Vorträgen dieses Büchleins vertreten, "sondern ein Ansatz, der sich der theologischen Tradition verdankt, die in der Barmer Theologischen Erklärung von 1934 ihren Ausdruck gefunden" habe (7). Huber erwähnt Harnack in einer Reihe mit Schleiermacher, Otto Dibelius und Bonhoeffer, um zu belegen, "dass es für das evangelische Verständnis der Kirche im deutschen Sprachraum während der letzten zwei Jahrhunderte keinen spannenderen Ort gegeben hat als Berlin" (69). In diesem Zusammenhang attestiert er Harnack ein "weitgehend spiritualisierte[s], von der unmittelbaren Erfahrbarkeit gelöste[s] Kirchenverständnis" (64), dem gegenüber ein "evangelisches Verständnis der Kirche als Institution" zu fordern sei, das anschließend in beeindruckender Konzentration entwickelt wird (70). Harnack dient also auch in diesem Band, in dem sich außerdem noch Vorträge von Eberhard Jüngel, Wolf Krötke, Martin Kruse und Christine Axt-Piscalar finden, nur als Vehikel zur Beförderung einer Diskussion, die sich aus ganz anderen theologischen Quellen speist.

Anders angelegt ist ein Sammelband zum "Christentum der Theologen im 20. Jahrhundert", der auf Anregung von Mariano Delgado von Theologen beider Konfessionen und einer Theologin verfasst wurde.92 Das Buch, auf dessen Titel ich mir keinen rechten Reim zu machen vermag (was unterscheidet das Christentum der Theologen von dem Christentum anderer Sterblicher?), möchte Fachkollegen vorstellen, die sich im vergangenen Jahrhundert "mit der Frage nach dem ,Wesen des Christentums', mit der Auslegung des ,Apostolischen Glaubensbekenntnisses' und mit der Suche nach ,Kurzformeln des Glaubens' besonders intensiv befaßt" haben (Vorwort). Die Frage, ob alle diese Themen denn auf einer Ebene liegen, die die Zusammenfassung in einem solchen Sammelband erlaubte, wird merkwürdigerweise nicht gestellt, auch nicht in der Einleitung des Herausgebers. Der Beitrag zu Harnack, der den Hauptteil des Bandes eröffnet, stammt aus der Feder von Karl H. Neufeld. Er versucht zunächst den bekenntnishaften Charakter des WdCh herauszuarbeiten und ihn sodann gegen die Dialektische Theologie auszuspielen, deren theologische (und nicht zuletzt politische!) Leistung er aber völlig verzeichnet. Die übrigen Beiträge bieten ein seltsames Sammelsurium von Emanuel Hirsch über Joseph Kardinal Ratzinger bis hin zu Dorothee Sölle und Johann Baptist Metz.

Ohne Zweifel der gehaltvollste und anregendste Versuch, am Ende des Millenniums neu über das "Wesen des Christentums" nachzudenken, wurde in einer Ringvorlesung im Wintersemester 1999/2000 an der Heidelberger Theologischen Fakultät unternommen, deren Beiträge nun ebenfalls im Druck vorliegen.93 Nicht alle Vorträge dieses thematisch reich bestückten Bandes beschäftigen sich mit Harnacks Vorlesungsreihe von 1899/1900. Dies macht seine Stärke wie Schwäche aus, insofern die Fülle von Themen die wahrlich nicht immer harmonische Stimmenvielfalt im Chor der theologischen Disziplinen widerspiegelt und eine Ahnung davon vermittelt, wie schwierig es heute ist, noch so etwas wie ein "Zentrum" christlichen Glaubens zu bestimmen.

Dem Berichterstatter sei erlaubt, sich in dem hier vorgegebenen Rahmen auf die Beiträge zu konzentrieren, die sich explizit mit Harnacks Bestimmungsversuch auseinandersetzen. Dies ist zum einen Wilfried Härles Eröffnungsvorlesung, die sich der Frage widmet: ",Wesen des Christentums' - Was ist damit gemeint?" (9-20). Härle begründet die erneute Nachfrage damit, dass sich "angesichts eines um sich greifenden Traditionsverlustes, angesichts einer faktischen Pluralität, die sich permanent steigert, und angesichts eines prinzipiellen - auch aus guten theologischen Gründen vertretenen - Pluralismus ... zumindest die Sach- und Informationsfrage nach dem [stelle], was denn nun spezifisch, unverwechselbar, bleibend christlich sei" (10). Härle wehrt sich dabei gegen einen Wesensbegriff, der - wie in neuerer Zeit zu beobachten - nicht mehr auf das vorfindliche Christentum, sondern nur noch auf den christlichen Glauben appliziert werde, eine Tendenz, die bereits bei Ebeling und Schäfer erkennbar war, aber auch in dem Beitrag von Härles neutestamentlichem Kollegen Hans-Joachim Eckstein im selben Band zu beobachten ist. Härle sieht darin die "Gefahr einer Spiritualisierung oder Entleiblichung des Christentums" (11). Aber auch Harnacks Wesensbegriff wird von Härle nicht repristiniert. "Wesen" und "Erscheinung" ließen sich nicht trennen; vielmehr führe "an der Einsicht, dass wir dieses Wesen immer nur in Gestalt unserer Interpretationen und damit unserer Konstruktionen haben, ... kein Weg vorbei. Zugespitzt formuliert: Wesensbestimmung ist immer Konstruktion und insofern gilt auch: Wesen ist Konstrukt" (13). Mit einem solchen "konstruktivistischen" Ansatz setzt man sich leicht dem Vorwurf der Beliebigkeit aus, weshalb Härle auch sogleich hinzufügt, es gebe eine "Widerständigkeit der Erscheinungen, die sich gegen beliebige Interpretationen und Deutungen sperrt und die deshalb nur um den Preis der Wahrnehmungs- bzw. Realitätsverweigerung übersprungen und im Sinne reiner konstruktivistischer Beliebigkeit weginterpretiert werden kann" (13 f.). Die Frage nach dem Wesen orientiere sich dabei an der "Leitfrage": "Was macht die Identität einer Größe, in unserem Fall: des Christentums aus, was also ist das Charakteristische, Eigentümliche des Christentums, das dieses zu erkennen und wiederzuerkennen und darum dann auch von anderen Religionen zu unterscheiden erlaubt?" (15 f.). Diese Leitfrage erlaube dann auch die Unterscheidung "zwischen Erscheinungen, die in das Identitätszentrum hineingehören oder unmittelbar mit ihm verbunden sind, und solchen, die nur in abgeleiteter, indirekter, durch zahlreiche andere Einflüsse mitbestimmter Form hinzugehören". Dabei könne die Theologie nicht mehr - wie noch Harnack - die Vielfalt der Erscheinungen des Christentums an seinem Ausgangspunkt messen noch umgekehrt - wie Troeltsch - von "der jeweiligen Letztgestalt der christentumsgeschichtlichen Entwicklung" ausgehen und diese "zur Norm für frühere Gestalten des Christentums bzw. des christlichen Glaubens" machen (16). Vielmehr gebe es auch innerhalb der Geschichte des Christentums "markante Weichenstellungen, Umbrüche, Neubesinnungen, die mit herangezogen und zur Geltung gebracht werden müssen, wenn eine an den geschichtlichen Phänomenen orientierte Erfassung und Darstellung des Wesens des Christentums gelingen" solle (17). Dabei müsse sich der Theologe Rechenschaft über das Interesse ablegen, aus dem heraus er diese Darstellung vornehme. Härle hält "das Interesse an Orientierung und Vergewisserung im Blick auf die eigene religiöse Einstellung und Lebenspraxis gerade angesichts einer großen Fülle und Vielfalt von religiösen Sinnangeboten und Möglichkeiten" für "nicht nur der Frage nach dem Wesen des Christentums, sondern auch dem Wesen des Christentums als Religion am angemessensten" (18, 19).

Der Kirchenhistoriker fragt sich freilich bei einem derartigen Versuch, der Pluralität christlicher Lebensäußerungen gerecht zu werden, woran man denn die "markanten Weichenstellungen" erkennen könne, wenn nicht im vorgängigen Bewusstsein eines Kerns christlichen Selbstverständnisses, das sich evangelischerseits doch wohl primär an der Schrift orientieren wird.

Historisch ausgerichtet sind die beiden anschließenden Aufsätze von Gerhard Besier und Adolf Martin Ritter. Besier geht dabei primär der Vorgeschichte der Fragestellung vor Harnack seit der Aufklärung nach ("Das ,Außerwesentliche' und die ,Hauptsache im Christentum' von der Aufklärung bis in die Gegenwart. Zur Emanzipation des ,unbefangenen Christentums' von der kirchlichen Lehre", 21-36). Sein Beitrag ist insofern auch theologisch programmatisch zu verstehen, als er sowohl gegen Versuche, Harnacks Ansatz zu repristinieren, als auch gegen die hiergegen opponierende "Wort-Gottes-Theologie" mit ihrem ",extremen Monochristismus'" (so S. 35 unter Berufung auf Ernst Benz) zu Felde zieht. Es bedürfe "vielmehr neuer Wege jenseits der überkommenen Alternativen, um den mannigfaltigen Privatreligionen die christliche Kirche als theologisch glaubwürdigen Orientierungsrahmen näher zu bringen" (36). Aber wie neue Wege aussehen könnten - das ist doch die entscheidende Frage!

Adolf Martin Ritter hingegen rekonstruiert die Genese und die Dimension der Fragestellung im Werk Harnacks selbst ("Adolf von Harnack und die Frage nach dem Wesentlichen des Christentums in altkirchlicher Perspektive", 37-48). Ritter greift den Vorwurf an Harnack auf, seine "patristische Meisterschaft" habe "ein völlig ,archivalisches' Verhältnis zu ihrem Gegenstand ..., d. h. dass sie sich mit Entwicklungen beschäftige, die sie vielfach nur als Depravationen, als ,Abfall' deuten könne, die ihr jedenfalls theologisch nichts bedeuteten". Dieser Vorwurf habe insofern seine Berechtigung, als "die Wahrnehmung des Wandels ... bei Harnack keinerlei Folgen für das Verständnis des Bleibenden, des zeitlos Gültigen" habe (45):

"Es ist Harnack anscheinend nie in den Sinn gekommen, dass die Berücksichtigung der Auslegungs- und Wirkungsgeschichte des ,Evangeliums' dessen Auslegung selbst neue Facetten hinzufügen, dass sie den Brückenschlag zur Gegenwart des Auslegers zu erleichtern und so Defizite der historisch-kritischen Exegese zu überwinden helfen möchte."

Dies - so Ritter weiter - lasse sich am Dogmenverständnis der Alten Kirche ebenso wie an der Liturgie der Ostkirchen - beide bekanntlich von Harnack gering geschätzt - exemplifizieren. Versuche, das Wesen des Christentums evangelischerseits heute zur Geltung zu bringen, dürfen nach Ritter den Protestantismus nicht mehr - wie noch Harnack - in erster Linie als Antikatholizismus beschreiben. Gleiches gelte für sonstige konfessionelle Unternehmungen, sich auf ein je eigenes Proprium des Christentums zu besinnen. Vielmehr müsse man über konfessionelle, ja (im Hinblick auf das Judentum) religiöse Grenzen hinweg gemeinsam fragen, "was Christentum heute sei und - welche Folgen es heute haben müsse" (48; Hervorhebung Ritter).

"Das Wesen des Christentums in der Vielfalt seiner Konfessionen" thematisiert auch Christoph Schwöbel (201-218). Schärfer noch als Ritter wirft Schwöbel Harnack eine "Reduktion in der Wahrnehmung" der Mannigfaltigkeit christlicher Existenzgestaltung vor (201). Nur so ließen sich seine negativen Bewertungen der orthodoxen Kirchen wie des römischen Katholizismus erklären. Aus seiner Perspektive gebe es "keine positive Würdigung der konfessionellen Vielfalt und so auch keinen Zugang zu dem Gedanken einer interkonfessionellen Gemeinschaft" (204). Man wird allerdings - scheint mir - schon angesichts dessen, was seine Tochter zu diesem Thema schreibt, bei Harnack an diesem Punkt noch einmal genauer nachfragen müssen.94 Wie dem auch sei: Schwöbel vertritt im Anschluss an Ernst Käsemann die These, "dass das Christentum nach dem Ausweis des Neuen Testaments von Anfang an in einer konfessionellen Pluralität existiert hat." Daher sei anzunehmen, "dass sich das Wesen des Christentum gerade in seiner konfessionellen Pluralität manifestiert." Dies hat erkenntnistheoretische Konsequenzen, insofern "die Frage nach dem Wesen des Christentums ... daher auch nur aus einer bestimmten konfessionellen Perspektive bearbeitet werden" kann (212). Unter dieser Prämisse stellt der Vf. fest, dass das Christentum gar kein Wesen habe, sondern dies nur gewinne "im Rückverweis auf Jesus Christus, auf das Evangelium von Gottes Heil für die Welt in Jesus Christus". Dieses Evangelium schaffe "durch die Selbstvergegenwärtigung des dreieinigen Gottes Glauben" und bringe so "die unterschiedlichen christlichen Konfessionen als Zeugnis- und Bekenntnisgestalten des Evangeliums hervor". Durch diese Rückbindung an einen unverfügbaren Grund sei aber auch eine "Selbstrelativierung" der Konfessionen gegeben, die überhaupt erst die "Bedingung der Möglichkeit für das ökumenische Gespräch" sei (218).

Manfred Oeming schließlich stellt jüdische Reaktionen auf die Selbstdarstellung des Christentums vor, wobei er über den aktuellen Anlass der Vorlesungen Harnacks bis in die unmittelbare Gegenwart hinausgreift ("Vom heilsamen Schmerz, in den Spiegel zu schauen - Das Wesen des Christentums aus jüdischer Sicht", 219-236). Behandelt werden Moritz Güdemann, Leo Baeck, die Darstellung des Judentums durch den Verband der deutschen Juden 1929, Jeshajahu Leibowitz und Jean-François Lyotard. Abschließend versucht Oeming eine christliche Erwiderung auf die jüdischen "Anfragen" zu skizzieren. Nur Güdemann und Baeck setzen sich eingehender mit Harnack auseinander. Leider geht Oeming aber nicht auf die Frage ein, wie man deren Stellungnahmen im Gesamtrahmen der jüdischen Reaktionen auf Harnack zu bewerten hätte.

Die Vff. der übrigen Beiträge seien hier nur summarisch aufgezählt, da sie sich nicht ausführlicher auf Harnack beziehen: Dietrich Ritschl, Konrad Schmid, Michael Welker, Hans-Joachim Eckstein, Gerd Theißen, Christian Möller, Heinz Schmidt, Gerhard Rau, Gottfried Seebaß und Theo Sundermeier.

Grundsätzlich lässt sich - so scheint mir - an allen drei "Millenniums"-Bänden ablesen, wie wenig im Grunde die Theologie am Übergang zum 21. Jahrhundert noch mit Harnack anzufangen weiß, und zwar hauptsächlich deshalb, weil der Rekurs auf die Historie als einheitsstiftendes Moment angesichts der Fragmentierung der kulturellen und sozialen Milieus und - damit einhergehend - der Religiosität ebensowenig ausreicht wie die Proklamierung eines jesuanischen Evangeliums, das des doch auch geistlichen Reichtums seiner Wirkungsgeschichte gewissermaßen entblößt ist.95 Während - gemäß Kurt Nowaks geistreicher These - Harnacks Konzeption in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts "sehr viel leichter als andere Modelle den Zugang zur Integration unterschiedlicher theologischer und gesellschaftlicher Ausprägungen des Christlichen" eröffnete,96 haben sich mittlerweile die Parameter der geistig-geistlichen Konstituierung des abendländischen Menschen grundsätzlich gewandelt. Unter den Bedingungen der religiösen Postmoderne geht es nicht mehr wie noch vor einem Jahrhundert darum, im Bemühen um Rettung des Christentums weithin als obsolet empfundenen traditionellen religiösen Strukturen Alternativen entgegenzusetzen, sondern dem durch die Auflösung religiöser Verbindlichkeiten verunsicherten und orientierungslosen Menschen überhaupt kohärente, rational verantwortete religiöse Orientierung zu bieten. Dazu scheint aber die Konzeption Harnacks wenig Hilfe zu bieten, eben weil sie so eigentümlich blutleer ist und mit der Vielfalt religiöser Ausdrucksweisen in unterschiedlichen Kontexten und Kulturen nichts anzufangen weiß.97 Um Harnack wird nicht mehr gestritten, das Für und Wider um ihn gehört in der Tat einer vergangenen Zeit an, und darum trägt sein Werk mittlerweile das Gepräge des Klassischen- als eindrucksvolles Anschauungsobjekt im Museum der Theologiegeschichte für den Versuch, Christentum und Moderne miteinander zu vermitteln.98

Zu seiner Zeit hingegen hat Adolf von Harnack mit seinem Werk als Katalysator für eine erregte Debatte gewirkt, die die kirchliche Öffentlichkeit bis weit in die Jahre der Weimarer Republik, ja noch darüber hinaus in Atem hielt. Agnes von Zahn-Harnack hat sie skizziert.99 Sie ist ihrerseits bereits Thema der kirchengeschichtlichen Forschung: Die Reaktionen in der "Christlichen Welt" hat Johannes Rathje dargestellt.100 Den wichtigsten Erwiderungen auf Harnacks Buch sind eigene Analysen gewidmet worden.

Alfred Loisys "L'Évangile et l'Église" wurde oben bereits erwähnt; dieses für den französischen Modernismus bedeutsame Buch haben u. a. Diether Hoffmann-Axthelm und Albert Raffelt analysiert.101 Hans-Georg Drescher behandelt in einem Kapitel seiner Troeltsch-Biographie dessen Gegenschrift "Was heißt ,Wesen des Christentums'?".102 Leo Baecks umfangreiche Rezension des WdCh und seine Gegenschrift "Das Wesen des Judentums" sind mehrfach untersucht worden.103



Exkurs II: Antijudaismus bei Harnack?

Baecks Reaktionen auf Harnack führen zu einem abschließenden Aspekt der Lektüre und Erforschung des WdCh, nämlich der Frage nach der Darstellung des Judentums, die eng verknüpft ist mit Harnacks Stellung zu Juden und Judentum allgemein. Peter von der Osten-Sacken104, Christian Bartsch105, Friedrich-Wilhelm Marquardt106, Walter Homolka107 und Dominique Bourel108 haben Harnack des Antijudaismus, ja des "christlichen Antisemitismus" bezichtigt, Kurt Nowak hat ihn vor dem Vorwurf des Antisemitismus ausdrücklich in Schutz genommen, und zwar unabhängig von seiner Stellung zum Alten Testament, wie sie etwa im Marcion-Buch zum Ausdruck kommt.109 Bernard Reymond verteidigt Harnack zwar ebenfalls gegen den Vorwurf des Antisemitismus, meint aber, seine Haltung zum Alten Testament habe faktisch das Resistenzpotential der liberalen Theologen gegenüber dem Antisemitismus des Nationalsozialismus reduziert.110 Auch Christian Wiese arbeitet neuestens den Antijudaismus im WdCh scharf heraus und zitiert auch zeitgenössische jüdische Stimmen, denen zufolge Harnack einem "wissenschaftlichen Antisemitismus" Vorschub leiste, sowenig er verkennt, dass Harnack andererseits auch gegen den Antisemitismus explizit Stellung bezogen hat.111 Auf diesem heiklen Feld wandelt sich der ruhige, ja bisweilen gelangweilte Ton der Debatte urplötzlich wieder in ein intensives appassionato. Dies zunächst auf Seiten der Harnack-Gegner: Hier lautet der Vorwurf, Harnack habe in seinem WdCh einen Jesus gezeichnet, der "frei ist von allen engeren Bindungen an das Judentum und die Zeitgeschichte überhaupt, mehr noch, der fast durchweg in unüberbietbarem Gegensatz zu seiner Umwelt steht und sich in diesem Gegensatz sowie in dessen fortdauernder geschichtlicher Wirkung als eben das ,Wesen des Christentums' enthüllt".112 Kriterium für diesen Antijudaismus wird die Reaktion Leo Baecks, der sich als vielleicht entschiedenster, langfristig jedenfalls einflussreichster jüdischer Gegner Harnacks erwies. Er stellte Harnacks quasi enthistorisiertem Jesus den Satz entgegen: "Man muß die Juden kennen, wenn man das Evangelium verstehen will."113



Es unterliegt keinem Zweifel, dass Harnack einen historischen Antijudaismus vertreten hat, insofern er einen unüberbrückbaren Gegensatz zwischen dem Judentum des Zweiten Tempels und dem frühen Christentum sah, der für ihn in dem theologischen Gegensatz zwischen Altem Testament und Evangelium grundgelegt war. Die Frage ist allerdings, ob damit schon alles entschieden ist. Denn die Reaktion des zeitgenössischen Judentums auf Harnacks Werk war insofern durchaus zwiespältig, als man zwar "die Streichung der ,Heilstatsachen' aus dem Leben Jesu" beklagen, andererseits auch seine Genugtuung darüber bekunden konnte, "daß Harnack eben jene Elemente zurückgelassen habe, ,die auch dem Juden als unannehmbar erscheinen'".114 Diese ambivalente Bewertung von Harnacks WdCh spiegelt die innerjüdische Diskussion an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert wider. Trutz Rendtorff hat sie folgendermaßen charakterisiert:

"Auf der einen Seite war die Frage nach dem Verhältnis von Judentum und Christentum Teil der innerjüdischen Klärungsprozesse um Möglichkeit und Grenzen der kulturellen und politischen Assimilation. Hier konnten jüdische Leser mit Interesse feststellen, daß Harnacks Verständnis des Evangeliums und der Person Jesu im wesentlichen mit der Theologie des Judentums übereinstimmen. Auf der anderen Seite wurde dem Wesen des Christentums die besondere und unverwechselbare religiöse Identität des Judentums entgegengestellt. Man kann geradezu von dem Beginn einer Renaissance jüdischen theologischen und kulturellen Selbstbewußtseins sprechen, das sich in der Auseinandersetzung mit Harnack als dem prominenten Repräsentanten der protestantisch geprägten Kultur formte."115

Harnacks Stellung gegenüber dem Judentum ist auch insofern ambivalent, als er einerseits gegenüber der von Adolf Stoecker propagierten antijüdischen Ausrichtung des Evangelisch-Sozialen Kongresses deutliche Vorbehalte äußern konnte,116 dies ihn andererseits nicht daran hinderte, am Kongreß mitzuarbeiten und somit faktisch zeitweise mit dem Hofprediger zu paktieren. Ebenso hielt ihn seine Ablehnung des Rassenantisemitismus der "Grundlagen des 19. Jahrhunderts" (bei aller sonstigen Wertschätzung des Buches!)117 nicht davon ab, mit deren Verfasser Houston Stewart Chamberlain seit 1912 einen intensiven Briefkontakt zu pflegen.118 Man wird also diese Frage mit differezierteren analytischen Kategorien und auf breiterer Quellenbasis erneut behandeln müssen.119

Resümee

Harnacks Rezeption - dies dürfte deutlich geworden sein - ist nie wirklich unterbrochen worden. Aber sie hat sich verändert. Während er mindestens bis in die Weimarer Republik, ja in Ausläufern bis in die Zeit des Nationalsozialismus hinein neben dem kirchen- und dogmenhistorischen auch den systematisch-theologischen und allgemein-kirchlichen Diskurs in fundamentaler Weise mitbestimmte, ist diese Dominanz in der Nachkriegszeit durch die Hegemonie der Wort-Gottes-Theologie weithin (und wohl auch endgültig) gebrochen worden. Es müsste aus der historischen Distanz eines halben Jahrhunderts noch einmal genauer danach gefragt werden, welche Faktoren zu diesem Umbruch beigetragen haben. Erklärungsversuche, die nur auf den theologischen Einspruch Barths gegen Harnack rekurrieren, greifen m. E. erheblich zu kurz. Vielmehr geriet der Kulturprotestantismus, mit dem Harnack weithin identifiziert wurde, auch auf Grund seiner politischen Mehrdeutigkeit in der Weimarer Republik und dann vor allem im Dritten Reich in eine Krise, die unmittelbar theologische Rückwirkungen haben musste.120 Der rapide Ansehensverlust der Kirchengeschichte um die Jahrhundertmitte hat sicher auch hier eine seiner Wurzeln, nicht nur in der Depotenzierung in Barths "Kirchlicher Dogmatik".121

Dieser Ansehensverlust hat allerdings auch dazu geführt, dass in der Kirchengeschichtsschreibung dann andere Diskursbedingungen herrschten als in den systematisch-theologischen Fächern. Trotz einer differenzierten Methodendiskussion, die sich vor allem an Gerhard Ebelings Konzept der Kirchengeschichte
als einer "Geschichte der Auslegung der Heiligen Schrift"122
orientierte, wurde Harnack unvermindert weiter gelesen - vor allem seine im engeren Sinne fachwissenschaftlichen Publikationen, die großenteils auch nach über hundert Jahren unüberholt sind, aber auch seine Dogmengeschichte und sein WdCh, wobei Letztere nicht ohne teilweise massiven Widerspruch blieben, aber eben in diesem Widerspruch auch das Gedächtnis an Harnack wach hielten.

Wer heute im Rahmen eines Jubiläumsartikels an Harnack erinnern möchte, darf die Bilanz seines Wirkens nicht beschönigen. Zu einer Repristination der Theologie Harnacks gibt es nach meinem Dafürhalten keinen Anlass - ihre komplexe Wirkungsgeschichte hat die Defizite in fast tragischer Weise bloßgelegt. Auch hat sich die Wissenschaftsorganisation in Deutschland zu sehr verändert, als dass wir uns erneut an Harnack orientieren könnten. Aber man sollte umgekehrt den Kulturprotestantismus auch nicht mehr länger perhorreszieren. Noch kritischer als bisher wäre allerdings zu fragen, inwiefern Harnack überhaupt in die Geschichte dieses Kulturprotestantismus hineingehört. Er ist wohl nicht zuletzt auf Grund seiner ebenso stupenden wie skrupulösen, dabei nie antiquarischen Gelehrsamkeit und seiner persönlichen Noblesse und Integrität eher ein Einzelgänger geblieben. Aber gerade diese Qualitäten machen den vielseitigen Balten heute noch lesenswert: Er ist für eine streng der Sache verpflichtete, dabei den Mitmenschen nie aus dem Blick verlierende theologische Wissenschaft eingetreten. Des großen Patristikers und lauteren Christen, des theologischen Humanisten Harnack wird man auch an seinem 150. Geburtstag gerne gedenken.123

Summary

On the occasion of Adolf von Harnack's 150th birthday anniversary on 7 May, this article gives a survey of recent editions of Harnack's writings and correspondence, of research on his biography and, finally, on his most popular book Das Wesen des Christentums (English title: What is Christianity?), first published in 1900. The author seeks to show that the focus of the study of Harnack has shifted over the past fifty years or so. Whereas initially Harnack provoked a lively debate on the essence of Christianity in the German Protestant churches and beyond, a debate still continued after the Second World War, during the Fifties under the influence of Barthianism interest in Harnack abated. During a second phase, since the seventies, Harnack was increasingly studied by specialist theologians (Church historians and systematic theologians) in doctoral theses and Habilitationsschriften. Most recently, there has been a renewed interest in Harnack on a larger scale. He is now granted that prominent place in the history of theology which he rightly deserves and is read with critical sympathy. The article attempts to explain the reasons for these shifts in interest.

Fussnoten:

1) Gleichzeitig eine Rezension von: Härle, Wilfried, Schmidt, Heinz, und Michael Welker [Hrsg.]: Das ist christlich. Nachdenken über das Wesen des Christentums. Gütersloh: Kaiser/Gütersloher Verlagshaus 2000. 256 S. 8. Kart. DM 78,-. ISBN 3-579-02665-8.

Harnack, Adolf von: Das Wesen des Christentums. Hrsg. und kommentiert von T. Rendtorff. Gütersloh: Kaiser/Gütersloher Verlagshaus 1999. 273 S. 8. Kart. DM 58,-. ISBN 3-579-02629-1.

Harnack, Adolf von: Protokollbuch der Kirchenväter-Kommission der Preußischen Akademie der Wissenschaften 1897-1928. Diplomatische Umschrift von St. Rebenich, Einleitung u. kommentierende Anmerkungen von Ch. Markschies. Berlin-New York: de Gruyter 2000. 173 S. gr.8 = Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Akademieunternehmen Griechische Christliche Schriftsteller. Geb. DM 68,-. ISBN 3-11-016764-6.

Hübner, Thomas: Adolf von Harnacks Vorlesungen über das Wesen des Christentums unter besonderer Berücksichtigung der Methodenfragen als sachgemäßer Zugang zu ihrer Christologie und Wirkungsgeschichte. Frankfurt a. M.-Berlin-Bern-New York-Paris-Wien: Lang 1994. 421 S. 8 = Europäische Hochschulschriften, Reihe XXIII: Theologie, 493. Pp. DM 69,-. ISBN 3-631-46604-8.

Renn, Jürgen, Castagnetti, Giuseppe, und Simone Rieger: Adolf von Harnack und Max Planck. Berlin: Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte 1999. 31 S. 4 = Preprint Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte 113.

Rieske-Braun, Uwe [Hrsg.]: Moderne Theologie. Der Briefwechsel Adolf von Harnack - Christoph Ernst Luthardt 1878-1897. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag 1996. IX, 147 S. 8. Kart. DM. 48,-. ISBN 3-7887-1592-8.

Die Abkürzungen folgen dem Abkürzungsverzeichnis der "Theologischen Realenzyklopädie". Zusätzlich:

H/S = J. Hönscheid/M. Schwabe, Kurzgefaßtes Verzeichnis der Korrespondenz Adolf von Harnacks, ZKG 88 (1977), 285-301 (danach zitiert); auch in: S/D 261-277.

Hü = Th. Hübner, Adolf von Harnacks Vorlesungen über das Wesen des Christentums ... (s. oben).

Ja = J. Jantsch, Der Briefwechsel zwischen Adolf von Harnack und Martin Rade. Theologie auf dem öffentlichen Markt. Hrsg. und kommentiert von J. J., Berlin-New York 1996.

No = K. Nowak [Hg.], Adolf von Harnack als Zeitgenosse. Reden und Schriften aus den Jahren des Kaiserreichs und der Weimarer Republik, 2 Bände (durchpaginiert), Berlin-New York 1996.

Re = S. Rebenich, Theodor Mommsen und Adolf Harnack. Wissenschaft und Politik im Berlin des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Mit einem Anhang: Edition und Kommentierung des Briefwechsels, Berlin etc. 1997.

S/D = F. Smend, Adolf von Harnack - Verzeichnis seiner Schriften bis 1930. Mit einem Geleitwort und bibliographischen Nachträgen bis 1985 von J. Dummer, Leipzig 1990.

WdCh = Harnacks Vorlesungen über "Das Wesen des Christentums".

Z-H = A. von Zahn-Harnack, Adolf von Harnack, Berlin 1936; 2. Aufl. 1951. Die Verweise auf beide Auflagen werden in folgender Weise gegeben: Z-H 322=248.

2) M. Weitlauff, Adolf von Harnack, Theodor Mommsen, Martin Rade. Zu drei gewichtigen Neuerscheinungen, ZKG 111 (2000), 210-246, 210.

3) "Die junge Generation weiß überhaupt nichs mehr von ihm. Die älteren um 50 und 60 herum erinnern sich des strahlenden Namens Harnack aus ihrer Jugendzeit, und wer von ihnen einer der wissenschaftlichen Sphären angehörte, in denen Harnack unmittelbar wirkte, der hat auch ein Bild von der Art seiner Wirksamkeit bewahrt. Stellt man sich innerlich aber die Frage, ob die Schriften, mit denen Harnack seine Gegenwart aufs tiefste bewegt hat, auch heutige Menschen noch tief bewegen, so zögere ich nicht mit ,Nein' zu antworten" (Peter Rassow, Adolf von Harnack [1951], in: Ders., Die geschichtliche Einheit des Abendlandes. Reden und Aufsätze, Köln-Graz 1960 [KHAb 2], 442-463, 443).

4) Die Auswahl der Redner und Diskutanten auf dem internationalen Harnack-Kongress, der vom 6.-9. Mai 2001 in Berlin stattfindet, lässt in dieser Hinsicht spannende Ergebnisse erwarten.

5) Die ältere Literatur ist verzeichnet bei K. H. Neufeld, Adolf von Harnack. Theologie als Suche nach der Kirche. "Tertium genus ecclesiae", Paderborn 1977 (KKTS 41); ders., Adolf Harnacks Konflikt mit der Kirche. Weg-Stationen zum "Wesen des Christentums", Innsbruck etc. 1979 (IThS, 4) sowie bei Hü. Vollständigkeit ist im Folgenden selbstverständlich nicht angestrebt. Insbesondere gilt dies für die unüberschaubare Zeitschriftenliteratur, die ich nur in Auswahl zur Kenntnis geben kann.

6) Vgl. unten Anm. 49.

7) Vgl. dafür - wenigstens als erste Einsatzpunkte - die "Historische Einführung" bei No 1-99 sowie die Rezensionsartikel von Weitlauff (wie Anm. 2) und M. Basse, Neuere Literatur zu Adolf von Harnack, VF 45 (2000), 60-80.

Wenigstens anhangsweise sei eine in dieser Zeitschrift noch nicht gewürdigte kleine Studie über "Adolf von Harnack und Max Planck" erwähnt, die trotz ihres schmalen Umfangs (31 Seiten) gleich von drei Verfassern (Jürgen Renn, Giuseppe Castagnetti, Simone Rieger) verantwortet wird und in der Reihe Preprint 113 des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte (Berlin 1999) erschienen ist. Zu Beginn heißt es, der Vergleich des Naturwissenschaftlers mit dem Theologen sei "problematisch" und weniger inhaltlich als vielmehr strukturell bedingt, insofern beide "als Wissenschaftler, als Wissenschaftsorganisatoren und als Wissenschaftspolitiker" mit vergleichbaren Herausforderungen konfrontiert gewesen seien. Gefragt werde "nach den jeweils verschiedenen intellektuellen Ressourcen, die ihre Reaktionen auf diese Herausforderungen bestimmt haben" (1). Die "Ressourcen", auf die Harnack angesichts der "Herausforderungen durch Probleme der Wissenschaftsorganisation" speziell bei der Gründung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zurückgreifen konnte, seien seine "Lebenserfahrungen als Forscher und Wissenschaftsorganisator" gewesen, wobei insbesondere seine Akademiegeschichte dazu angeregt habe, "Einsichten aus dem Bereich der Kirchengeschichte in den Bereich der Wissenschaftsgeschichte zu übertragen". Diese Einsichten, nämlich die "Verbindung historischer Detailforschung mit allgemeinen strukturellen Fragestellungen" wie "der Versuch, die Dynamik der Wissenschaftsgeschichte aus den Spannungen zwischen Institutionalisierung, Einzelpersönlichkeiten, und Ideenentwicklung heraus zu verstehen", hätten bei der Gründung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft praktische Wirkung gezeitigt (11 f.). Auch auf die politische Herausforderung durch den Zusammenbruch der Weimarer Republik habe er durch seine reichen "Erfahrungen mit politischen Konfliktsituationen" angemessen reagieren können. Die Autoren resümieren: "Wissenschaft war für Harnack zentral aber dennoch kein Selbstzweck. Sie war vor allem für ihn nicht durch bloß abstrakte ethische Werte, sondern durch den lebendigen Bezug auf seine vielfältigen Erfahrungen eingebunden in ein Verständnis der eigenen historischen Situation. Nicht eine vorgefertigte Philosophie oder Theologie, sondern Harnacks unablässiges Bemühen, zwischen verschiedenen Erfahrungsbereichen zu vermitteln, war die Grundlage seiner Reflexionen über Wissenschaft sowohl als über Politik" (25) - eine These, die ohne präziseren Nachweis gerade bei einem so in der Wolle gefärbten Protestanten und Theologen kaum plausibel sein dürfte!

8) S/D (wie Anm. 1).

9) H/S (wie Anm. 1).

10) No 1655-1683. Ergänzend könnte noch auf W. Hartkopf/G. Wangermann [Hrsg.], Dokumente zur Geschichte der Berliner Akademie der Wissenschaften von 1700 bis 1990, Heidelberg 1991 hingewiesen werden, wo sich zahlreiche Dokumente im Zusammenhang mit Harnacks Tätigkeit in der Berliner Akademie der Wissenschaften finden.

11) A. v[on] Harnack, Der handschriftliche Nachlaß Adolf von Harnacks, ZfB 56 (1939), 59-64. "Von M. Schwabe existieren im Nachlaß unter der Signatur Ms. Cat. 512 maschinenschriftliche Regesten zum Briefwechsel Harnacks mit Bülow, Bunge, Chamberlain und Kirchhoff" (Ch. Markschies [Hrsg.], Adolf von Harnack - Wie soll man Geschichte studieren, insbesondere Religionsgeschichte? Thesen und Nachschrift eines Vortrages vom 19. 10. 1910 in Christiania/Oslo, ZNThG 2 [1995], 148-159, 148, Anm. 2).

12) C.-J. Kaltenborn, Adolf von Harnack als Lehrer Dietrich Bonhoeffers, Berlin (Ost) 1973 (ThA 31), 150 f.

13) Neufeld, Adolf Harnacks Konflikt (wie Anm. 5), 181-183.

14) Markschies (wie Anm. 11). Die Thesen waren zuvor bereits von Johanna Jantsch in ihrer Dissertation über "Die Entstehung des Christentums bei Adolf von Harnack und Eduard Meyer" (Bonn 1990 [Habelts Dissertationsdrucke/Reihe Alte Geschichte 28]), 53, publiziert worden (mit falscher Jahreszahl 1918 statt 1910; freundlicher Hinweis von Prof. Dr. Dr. Kurt Nowak, Leipzig).

15) Vgl. R. Hohlfeld/J. Kocka/P. Th. Walther, Vorgeschichte, Struktur, wissenschaftliche und politische Bedeutung der Berliner Akademie im Kaiserreich, in: J. Kocka/R. Hohlfeld/P. Th. Walther [Hrsg.], Interdisziplinäre Arbeitsgruppe Berliner Akademiegeschichte im 19. und 20. Jahrhundert: Die Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften zu Berlin im Kaiserreich, Berlin 1999 (Interdisziplinäre Arbeitsgruppen/ Forschungsberichte 7), 399-463, 460-463; dort auch Hinweise auf die Erstpublikation durch Peter Nötzoldt.

16) ZNThG 6 (1999), 69-95.

17) Vgl. den genauen Titel Anm. 1.

18) Sie ist eine i. W. um die Publikationen seit 1996 erweiterte Fassung einer Zusammenstellung von Markus Vinzent. Die fettgedruckte Angabe zur Neuausgabe des Daniel-Kommentars von Hippolyt (S. 173) ist insofern irreführend, als es sich dabei um keine Erstveröffentlichung, sondern eine Bearbeitung der Edition von Bonwetsch/Achelis (GCS 1) handelt (vgl. S. 163).

19) Überblick bis 1994 bei S/D bzw. No. Derzeit sind im Handel m. W. in reprographischen Nachdrucken außer den nachstehend genannten Werken noch erhältlich: das Lehrbuch der Dogmengeschichte (4. Aufl., S/D Nr. 1019); die große Monographie "Die Mission und die Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten" (4. Aufl., S/D Nr. 1370); die Bände der "Texte und Untersuchungen" Nr. 1 (vgl. S/D Nr. 184, 214, 215, 216), 2 (vgl. S/D Nr. 265, 319, 321), 44, 45 (= die Markion-Studien S/D Nr. 1371 und 1390) sowie die Auswahl aus den Werken Augustins (S/D Nr. 1351) - zu teilweise absurd überhöhten Preisen!

20) Vgl. Hü 330-338.

21) Vgl. den genauen Titel Anm. 1.

22) Harnack (wie Anm. 1, 2. Titel), 99, Anm. 129; 199, Anm. 12.

23) Hier fehlt allerdings ein Hinweis auf H. Kasparick, Lehrgesetz oder Glaubenszeugnis? Der Kampf um das Apostolikum und seine Auswirkungen auf die Revision der Preußischen Agende (1892-1895), Bielefeld 1996 (Unio und Confessio 19).

24) Vgl. unten Sp. 498.

25) No (wie Anm. 1).

26) Einen anderen Weg möchte eine wesentlich preiswertere Ausgabe der edition Cicero gehen, die demnächst von Ulrich Volp herausgegeben wird: Adolf von Harnack - Reden und Aufsätze, 2 Bände, Mandelbachtal/Cambridge 2001 (Texts and Studies in the History of Theology 1-2; im Druck). Volp wird einfach eine mit einem neuen Vorwort versehene Reproduktion der ersten beiden Bände der "Reden und Aufsätze" bieten, deren Inhalt über eine (separat zu erwerbende) CD-ROM mit Suchfunktionen erschlossen werden kann.

27) H/S (wie Anm. 1). Das Verzeichnis ist aber bei weitem nicht vollständig (vgl. die Bemerkungen bei J. Hönscheid, Adolf von Harnack [1851-1930] als Wissenschaftsorganisator und Bibliothekar im Rahmen seiner fachlichen Tätigkeit: Edition seiner Briefe, Bibliothek. Forschung und Praxis 17 [1993], 225-228). Die in Anm. 70 angekündigte Publikation der mit Ivar August Heikel ausgetauschten Briefe durch Friedhelm Winkelmann erfolgte 1985 (s. u. Anm. 30). Weitere Angaben bietet Neufeld, Adolf Harnacks Konflikt (wie Anm. 5), 182 f. Ferner Re 20 f. Auf 11 mit Ernst Troeltsch gewechselte Briefe in der Berliner Staatsbibliothek weist H.-G. Drescher, Ernst Troeltsch. Leben und Werk, Göttingen 1991, 542 hin. Vgl. auch die folgenden Anmerkungen.

28) Neufeld, Adolf Harnacks Konflikt (wie Anm. 5), 186-194 (es handelt sich aber lediglich um eine Zusammenstellung der Zitate aus Z-H). Der Briefwechsel selbst dürfte verbrannt sein; vgl. Z-H (1951), X.

29) Neben J. Dummer, Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff und die Kirchenväterkommission der Berliner Akademie, SB 2 (1973), 351-387 vgl. jetzt auch W. M. Calder III [Hrsg.], Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff - Selected Correspondence 1869-1931, Neapel 1983; ders. [Hrsg.], Further Letters of Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff, Hildesheim 1994. Es liegen allerdings noch 44 unpublizierte Briefe Harnacks an Wilamowitz in der Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen; vgl. Calder, Further Letters, a. a. O., 60, Anm. 6; Re 20, Anm. 95.

30) F. Winkelmann, Ivar August Heikels Korrespondenz mit Hermann Diels, Adolf Harnack und Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff, Klio 67 (1985), 568-587.

31) K. Aland [Hrsg.], Glanz und Niedergang der deutschen Universität. 50 Jahre deutscher Wissenschaftsgeschichte in Briefen an und von Hans Lietzmann (1892-1942), Berlin-New York 1979. Die bereits in K. Aland, Aus der Blütezeit der Kirchenhistorie in Berlin. Die Korrespondenz Adolf von Harnacks und Karl Holls mit Hans Lietzmann, Saec. 21 (1970), 235-263 publizierten Briefe wurden hier nochmals aufgenommen.

32) Re (wie Anm. 1).

33) Ja (wie Anm. 1).

34) Vgl. zu Re ThLZ 123 (1998), 504-506 (F. Parente), zu Ja ebenda 1005-1008 (S. Rebenich). Jantsch hat auch in ihrer Dissertation (wie Anm. 14) drei Schreiben Harnacks an Eduard Meyer publiziert (S. 229-232).

35) Vgl. den genauen Titel Anm. 1.

36) Eine unbekannte Anzahl von Briefen ist verloren gegangen; vgl. Rieske-Braun (wie Anm. 1), 4. Nicht aufgenommen wurden - aus wenig nachvollziehbaren Gründen ("theologisch unergiebig") - fünf Briefe Luthardts aus den Jahren 1875-1878 (vgl. ebenda 2).

37) Ein Fehler beim Seitenumbruch hat auf S. 98 f. zur Wiederholung einiger Zeilen geführt.

38) Vgl. Hönscheid (wie Anm. 27). Der Briefwechsel mit Loofs soll dieses Jahr noch in den Druck gehen (freundliche Auskunft von Prof. Dr. Hönscheid). Aus dem Briefwechsel mit Althoff zitiert Dorsch die die Ernennung zum Generaldirektor der Königlichen Bibliothek zu Berlin betreffenden Stücke (K.-D. Dorsch, Adolf von Harnacks Ernennung zum Generaldirektor der Königlichen Bibliothek zu Berlin, Bibliothek und Wissenschaft 21 [1987], 160-188). Vgl. auch F. W. Graf, Adolf Harnack zum "Fall Althoff". Zwei unbekannte Harnack-Briefe aus dem Dezember 1901, Jahrbuch für Universitätsgeschichte 1 (1998), 177-204.

39) Vgl. hierzu H/S 296: 96 Briefe, 26 Postkarten aus den Jahren 1875-1889. Zur Bedeutung dieser Korrespondenz vgl. etwa die Zitate bei Z-H 84 f. = 98; Ja 238 (Anm. 24). Ferner Neufeld, Adolf Harnacks Konflikt (wie Anm. 5), 183. Zum Einfluss Ritschls auf Harnack vgl. ders., Adolf von Harnack. Theologie als Suche (wie Anm. 5), 43-65; E. P. Meijering, Theologische Urteile über die Dogmengeschichte. Ritschls Einfluss auf von Harnack, Leiden 1978 (BZRGG 20); Ja 7 f.

Der Briefwechsel zwischen Kaiser Wilhelm II. und Harnack im Zusammenhang mit dem Bibel-Babel-Streit vom 2. März 1903 findet sich jetzt ungekürzt bei Weitlauff (wie Anm. 2), 245 f.

40) Zum Umfang des Briefwechsels vgl. die Angaben bei E. Staehelin/M. Gabathuler [Hrsg.], Overbeckiana. Übersicht über den Franz-Overbeck-Nachlaß der Universitätsbibliothek Basel, I. Teil: Die Korrespondenz Franz Overbecks - Verzeichnisse, Regesten, Texte, Basel 1962 (Studien zur Geschichte der Wissenschaften in Basel 12), 52. Ungenau H/S 294. Bei Staehelin/Gabathuler finden sich auch mit zahlreichen Zitaten durchmischte Regesten dieses Briefwechsels - soweit er in Basel aufbewahrt wird. - Zum Briefwechsel mit Houston Stewart Chamberlain vgl. unten Anm. 118.

41) Z-H (wie Anm. 1). Zum Charakter der Zweitauflage vgl. ebenda, X: Nach dem Zeugnis der Autorin wurden Änderungen "nur in bezug auf einige meiner eigenen Urteile vorgenommen ...; außerdem sind Einzelheiten, hauptsächlich Anmerkungen weggefallen oder gekürzt worden, für die bei den heutigen Lesern kein Interesse mehr erwartet werden konnte. Dafür wurde ein Kapitel über Frau von Harnack neu eingefügt." Zu den Unterschieden jetzt B. Biester, Kritische Notizen zu Agnes v. Zahn-Harnacks "Adolf von Harnack", Quaderni di Storia 54 (2001, im Druck). Im Zweifelsfall ist daher die neue neben der alten Auflage zu benutzen.

42) Man vgl. etwa die Bemerkungen zu Harnacks Ablehnung des Antisemitismus Stoeckers (dazu unten Anm. 116) oder Chamberlains (dazu unten Anm. 117).

43) Vgl. No 1-99. Die Akten des großen Harnack-Symposiums, das das Max-Planck-Institut für Geschichte in Göttingen gemeinsam mit dem Institut für Kirchengeschichte an der Theologischen Fakultät der Universität Leipzig vom 18. bis 20. März 1998 in Schloss Ringberg (Tegernsee) veranstaltete, werden in der Reihe der "Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte" noch in diesem Jahr erscheinen.

44) Vgl. U. Swarat, Alte Kirche und Neues Testament. Theodor Zahn als Patristiker, Wuppertal-Zürich 1991 (Monographien und Studienbücher); zum Verhältnis mit Harnack bes. 450-472.

45) Vgl. Re (wie Anm. 1).

46) Vgl. nach J. Rathje, Die Welt des freien Protestantismus. Ein Beitrag zur deutsch-evangelischen Geistesgeschichte. Dargestellt an Leben und Werk von Martin Rade, Stuttgart 1952; jetzt vor allem Ch. Schwöbel, Martin Rade. Das Verhältnis von Geschichte, Religion und Moral als Grundproblem seiner Theologie, Gütersloh 1980; A. Ch. Nagel, Martin Rade - Theologe und Politiker des Sozialen Liberalismus. Eine politische Biographie, Gütersloh 1996 (Religiöse Kulturen der Moderne, 4); Ja (wie Anm. 1). Weiteres bei Ch. Schwöbel, Art. Rade, Paul Martin (1857-1940), in: TRE, Bd. XXVIII, 1997, 91-95.

47) Vgl. Drescher (wie Anm. 27).

48) Vgl. J. Wallmann, Karl Holl und seine Schule, in: Tübinger Theologie im 20. Jahrhundert Tübingen 1978 (ZThK.B 4), 1-33; H. Assel, Der andere Aufbruch. Die Lutherrenaissance - Ursprünge, Aporien und Wege: Karl Holl, Emanuel Hirsch, Rudolf Hermann (1910-1935), Göttingen 1994 (FSÖTh 72).

49) Hübner verzeichnet bis 1945 25 Auflagen mit 73000 Exemplaren der deutschen Ausgabe (Hü 312-330). Hinzu kommen Übersetzungen in mindestens fünfzehn Sprachen; vgl. die Nachweise bei S-D 149 f., 243.

50) Vgl. die Nachweise bei Hü 330-338; zusätzlich die Ausgabe Rendtorffs (wie Anm. 1, 2. Titel).

51) Vgl. S-D 243; No 1658, 1671, 1672, 1681, 1683. Für die Zeit nach No (1994) blieben eigene bibliographische Recherchen ergebnislos.

52) Vgl. hierzu K. Kupisch, Adolf von Harnack, ThViat 6 (1954-58), 54-87, bes. 56 mit weiteren Literaturhinweisen auf die kirchliche Presse der Zeit. Kupisch selbst zeichnet ein fast durchweg positives Bild Harnacks, während Wilhelm Schneemelcher Bultmanns kritische Würdigung Harnacks mit derjenigen Barths verbindet (Christentum als Kulturmacht. Zum 100. Geburtstag Adolf von Harnacks am 7.5.1951, EvTh 10 [1950/51], 527-546, bes. 545 f.). - Der Krisencharakter der Nachkriegszeit ist auch offenkundig bei dem katholischen Dogmatiker Michael Schmaus (Vom Wesen des Christentums, Westheim 1947), der Harnack allerdings nicht nennt. Nicht einsehen konnte ich R. Frieling, Vom Wesen des Christentums, Stuttgart 1948 (3. Aufl. 1979). Vgl. zum Folgenden auch M. Delgado [Hrsg.], Das Christentum der Theologen im 20. Jahrhundert. Vom "Wesen des Christentums" zu den "Kurzformeln des Glaubens", Stuttgart etc. 2000, bes. 52-122.

53) G. Voigt, Gespräch mit Harnack. Zur kritischen Auseinandersetzung mit dem "Wesen des Christentums", Berlin (Ost) 1954.

54) G. Ebeling, Das Wesen des christlichen Glaubens, Tübingen 1959.

55) Emanuel Hirschs Publikation "Das Wesen des reformatorischen Christentums" (Berlin 1963) ist eine Sammlung von Essays, die "allein der innerevangelischen Verständigung über Wesen und Grundlagen des reformatorischen Glaubens dienen" sollen (Vorrede) und sich mit Harnack nicht beschäftigen (jetzt auch in: Gesammelte Werke, hrsg. von Hans Martin Müller, Bd. XX: Vom Wesen des reformatorischen Christentums, Waltrop 2000). Vgl. dazu schon seine (in vielerlei Hinsicht äußerst fragwürdige) Abhandlung "Das Wesen des Christentums" (Weimar 1939). In Hirschs "Geschichte der neuern evangelischen Theologie im Zusammenhang mit den allgemeinen Bewegungen des europäischen Denkens" (5 Bände, 5. Aufl., Gütersloh 1975) figuriert Harnack wohl deshalb nicht, weil die Darstellung im Jahre 1870 endet.

Eine Ausnahme bildet Ernst Benz, der sich noch 1975 in seiner Darstellung des Christentums ausdrücklich auf Harnack und Nathan Söderblom berief (Beschreibung des Christentums. Eine Phänomenologie, München 1975 [dtv wr 4156], bes. 24 f.).

Auch dem Deutschen Bund für Freies Christentum gilt Harnack als Leitfigur; vgl. etwa H. Windschild, Adolf von Harnack. Ein Rufer in unsere Zeit, Frankfurt 1957 (Freies Christentum, Beiheft 22/23).

56) H. Scholz, Offene Fragen, EvTh 12 (1952/53), 572-583, 581 (Hervorhebung im Original).

57) H.-G. Fritzsche, Die Strukturtypen der Theologie. Eine kritische Einführung in die Theologie, Göttingen 1961, bes. 88-90. Vgl. zu dieser Einschätzung, wenn auch mit ganz anderen Folgerungen noch W. Trillhaas, Geleitwort, in: Adolf von Harnack, Das Wesen des Christentums, Gütersloh 1977 (Gütersloher Taschenbücher Siebenstern 227), 6-12, 8: "Harnacks ,Wesen des Christentums' ist nun tatsächlich so etwas wie eine Grundschrift des religiösen Liberalismus geworden ...".

58) E. Hübner, Evangelische Theologie in unserer Zeit. Ein Leitfaden, Bremen 1966, bes. 24-26, 29-31.

59) H. Zahrnt, Die Sache mit Gott. Die protestantische Theologie im 20. Jahrhundert, München 1966, bes. 13.

In Felix Flückigers Theologiegeschichte wird Harnack "nicht mehr Hegelianer, sondern Positivist" genannt (F. Flückiger/W. Anz, Die protestantische Theologie des 19. Jahrhunderts - Idealismus und Nachidealismus, Göttingen 1975 (KIG 4P), 37 f.

Immerhin erscheint Harnack bei H. Stephan/M. Schmidt, Geschichte der evangelischen Theologie in Deutschland seit dem Idealismus, 3. Aufl., Berlin-New York 1973 (de Gruyter Lehrbuch), 299-305 als "repräsentative Gestalt" der "historischen Theologie" in hellem Licht.

60) Vgl. R. Schäfer, Welchen Sinn hat es, nach einem Wesen des Christentums zu suchen?, ZThK 55 (1968), 329-347. Einen knappen Überblick über die Geschichte der Fragestellung gibt derselbe Autor in seinem Art. Christentum, Wesen des, in: HWP, Bd. I, 1971, 1008-1016. Vgl. auch bereits C. H. Ratschow, Art. Christentum, V. Wesen des Christentums, in: RGG, 3. Aufl., Bd. I, 1957, 1721-1729.

61) Zwei unpublizierte Dissertationen aus der Zeit vor 1970, die auch das WdCh thematisieren, seien wenigstens anmerkungsweise genannt: W. Klaas, Aktualität und Problematik der Theologie Adolf von Harnacks, Bonn 1954 (stark barthianisch geprägte, dabei durchaus von Empathie getragene Auseinandersetzung mit Harnacks Hermeneutik); G. Stein, Adolf von Harnack. Die historisch-theologischen Grundmotive des Lebenswerkes, ihre Weiterbildung im Sinne allgemeiner Geisteswissenschaft und ihr politisch-historischer Vollzug, Diss. phil. (!), Freie Universität Berlin 1954 (großräumige, vor allem am Gleichnisbegriff Harnacks interessierte Arbeit mit ausführlichen Analysen zum WdCh).

62) H. Wagenhammer, Das Wesen des Christentums. Eine begriffsgeschichtliche Untersuchung, Mainz 1973 (TS, 2); F. Courth, Das Wesen des Christentums in der Liberalen Theologie dargestellt am Werk Fr. Schleiermachers, Ferd. Chr. Baurs und A. Ritschls, Frankfurt a. M. etc. 1977 (ThÜb, 3). Beide Arbeiten behandeln das WdCh nicht.

63) H.-J. Schmitz, Frühkatholizismus bei Adolf von Harnack, Rudolph Sohm und Ernst Käsemann, Düsseldorf 1977 (ThemThes), bes. 57-66.

64) Ch. Bartsch, "Frühkatholizismus" als Kategorie historisch-kritischer Theologie. Eine methodologische und theologiegeschichtliche Untersuchung, Berlin 1980 (SJVCG, 3).

65) Kaltenborn (wie Anm. 12).

66) Neufeld, Adolf von Harnack (wie Anm. 5); ders., Adolf Harnacks Konflikt (wie Anm. 5).

67) Diese Reaktionen sind nicht nur von konfessionellen, sondern auch von politisch-ideologischen Aspekten bestimmt; vgl. Kaltenborns Rezensionen in ThLZ 104 (1979), 212-214; ThLZ 105 (1980), 439-441 (Neufelds Buch habe "bedauerlich wenig gesellschaftliche Relevanz", 441). Zu Kaltenborns politischen Optionen vgl. auch ders., Zu Fragen der gegenwärtigen Harnack-Rezeption, Standpunkt 8 (1980), 194-198.

68) Winfried Döbertin bietet lediglich eine ausufernde Paraphrase von Harnacks "Wesen des Christentums" (Adolf von Harnack. Theologe, Pädagoge, Wissenschaftspolitiker, Frankfurt am Main 1985 [EHS.T 258], 47-112).

69) Hü (wie Anm. 1).

70) So zitiert Hübner etwa in der von ihm besprochenen Sekundärliteratur die Daten der Vorworte der einzelnen Autoren zu ihren Monographien.

71) Vgl. in der Ausgabe von Rendtorff (wie Anm. 1, 2. Titel), 60: "Wie wir eine Pflanze nur dann vollständig kennen lernen, wenn wir nicht nur ihre Wurzel und ihren Stamm, sondern auch ihre Rinde, ihre Äste und Blüten betrachten, so können wir auch die christliche Religion nur auf Grund einer vollständigen Induktion, die sich über ihre gesamte Geschichte erstrecken muß, recht würdigen."

72) Auf die Weiterentwicklung dieser Methode bei Heinrich Scholz, die Hübner ebenfalls ausführlich darstellt (157-164, 180-184, 191-198), und auf die Folgerungen, die Hübner für die sachgerechte Beurteilung der Harnack-Barth-Kontroverse zieht (die Differenzen zwischen den beiden Antipoden seien geringer, als man gemeinhin annimmt, 198-201), kann ich hier nicht näher eingehen.

73) Vgl. Trillhaas (wie Anm. 57), 7.

74) Vgl. No, bes. 25-30, 36-38.

75) Aus anderen Sprachgebieten sind mir lediglich dem Namen nach bekannt: F. M. Bartos, Cesta Adolfa Harnacka za podstatou krestanství [Der Weg Adolf Harnacks zum Wesen des Christentums], TPKR 27, H. 3, Beilage zur Nr. 6 (1960), 65-70 (Prag); W. Dulière, Pour le 25e anniversaire de la mort de Harnack, Le Flambeau 1955, Nr. 6, 628-648; 1956, Nr. 3-4, 288-296, 445-460 sowie die italienische Ausgabe des WdCh: L'essenza del cristianesimo, Brescia 1980 (Giornale di Teologia 121) mit umfangreichen Einleitungen von G. Bonola und P. C. Bori. Yves Congars Harnack-Artikel in Catholicisme, Bd. V, 1962, 516-519 ist um Sachlichkeit bemüht. Marcos J. Menéndez de Córdova untersucht den Einfluss Harnacks auf den spanischen Dichter, Philosophen und Kulturkritiker Miguel de Unamuno: Two Protestant Currents in the Religious Thought of Miguel de Unamuno: The Neo-Kantian Thought of A. Ritschl, A. Harnack, and of W. Herrmann, and the Romantic Views of F. D. Schleiermacher and A. Sabatier, Ph. D. Diss., Fordham University 1976, bes. 119-132.

76) Vgl. bes. die zahlreichen Arbeiten Wilhelm Paucks, die aber das WdCh nur am Rande berühren; bes. Harnack and Troeltsch. Two Historical Theologians, New York 1968.

77) Vgl. hierzu etwa G. V. Jones, Important and Influential Foreign Books. Harnack's Das Wesen des Christentums (What is Christianity?), ET 66 (1954/55), 100-103 mit einer sehr ausgewogenen Kritik; G. W. Glick, The Reality of Christianity. A Study of Adolf von Harnack as Historian and Theologian, New York etc. 1967, 323: "Few American Christians who were born in the first three decades of the twentieth century have failed to be influenced, in small or great ways, by the theological interpretations which he represented. From his first American disciple, Arthur Cushman McGiffert, who studied with him at Berlin and returned to disseminate, through the influential presidency of the Union Theological Seminary in New York, his point of view, to the other hundreds of Americans who took the pilgrimage, a steady and impressive influence manifested itself on American thought. Without ascribing the entire influence of ,liberal' theological thought to him, he was its representative man, and the categories in which thousands of American Christians view their faith are the categories which he set forth in a most trenchant expression."

78) H. R. Niebuhr, Christ and Culture, New York 1951.

79) D. L. Deegan, The Ritschlian School. The Essence of Christianity and Karl Barth, SJTh 16 (1963), 390-414.

80) W. Hamilton, The New Essence of Christianity, New York 1961 (2. Aufl., 1966); zu Harnack lediglich einige eher beiläufige Bemerkungen auf S. 17 f. der zweiten Auflage.

81) Glick (wie Anm. 77).

82) S. Sykes, The Identity of Christianity. Theologians and the Essence of Christianity from Schleiermacher to Barth, London 1984. Zu den Vorarbeiten vgl. ebenda 287 (Anm. 2 f.).

83) Vgl. ThLZ 29 (1904), 59 f. (S/D Nr. 856).

84) F. W. Kantzenbach, Adolf von Harnack - Das Wesen des Christentums (1900), in: ders., Programme der Theologie. Denker, Schulen, Wirkungen. Von Schleiermacher bis Moltmann, München 1978 (zu Harnack 134-142); M. Greschat [Hrsg.], Theologen des Protestantismus im 19. und 20. Jahrhundert I, Stuttgart etc. 1978 (darin zu Harnack W. Schneemelcher, 198-212); F. Mildenberger, Geschichte der deutschen evangelischen Theologie im 19. und 20. Jahrhundert, Stuttgart etc. 1981 (ThW 10; zu Harnack 143-147 [zwischen Baur und Troeltsch]); M. Greschat [Hrsg.], Gestalten der Kirchengeschichte, Bd. X/1: Die neueste Zeit III, Stuttgart etc. 1984 (darin zu Harnack C.-J. Kaltenborn, 70-87); J. Rohls, Protestantische Theologie der Neuzeit, 2 Bände, Tübingen 1997 (zu Harnack v. a. Bd. I, 788-792, Bd. II, 84-88, 170 f.); G. Hornig, Lehre und Bekenntnis im Protestantismus, in: C. Andresen/A. M. Ritter [Hrsg.], Handbuch der Dogmen- und Theologiegeschichte, Bd. III: Die Lehrentwicklung im Rahmen der Ökumenizität, 2. Aufl., Göttingen 1998, 71-287 (zu Harnack 210-216 unter der Überschrift Kulturprotestantismus und liberale Theologie zwischen Wilhelm Herrmann und Ernst Troeltsch). - Unlängst hat Gangolf Hübinger das WdCh als "eine subtile bürgerlich-protestantische Fortschritts- und Bildungsgeschichte" zu interpretieren versucht (Kulturprotestantismus und Politik. Zum Verhältnis von Liberalismus und Protestantismus im wilhelminischen Deutschland, Tübingen 1994, 173 ff.; Zitat S. 174). Angesichts der Warnungen Harnacks vor einer vorschnellen Verknüpfung von Evangelium und Sittlichkeit wie von Evangelium und Kulturfortschritt scheint mir der Vorwurf nicht ohne weiteres stichhaltig zu sein; vgl. WdCh (wie Anm. 1, 2. Titel), 135 ff. Die deutschnationalen Töne, die ebenda 250 anklingen, sind nicht argumentationsleitend und dürfen daher auch nicht unbesehen im Sinne einer "whig interpretation of History", d. h. einer "teleologisch auf die eigene Sozialgruppe und ihr Geschichtsbild zulaufende[n] Freiheitsgeschichte", interpretiert werden (so Hübinger, a. a. O., 175). Sehr viel ausgewogener stellt Kantzenbach die Dinge dar: "Das Auftreten Nietzsches und die Spätwirkung Schopenhauers, vor allem aber die ethische Jesusreligion Tolstojs, haben unseren Autor veranlaßt, sehr sorgfältig die Eigenständigkeit der religiösen Erfahrung zu betonen. Das Band zwischen Religion und Ethos sollte gewiß nicht zerschnitten werden. Aber zunächst gilt es der Eigenart der Religion gerecht zu werden." Kantzenbach stellt nachdrücklich die Frage, ob Harnack überhaupt ohne weiteres dem Kulturprotestantismus, verstanden als Programm einer "Versöhnung zwischen Evangelium und Kultur, Evangelium und Gesellschaft", zugeschlagen werden könne (a. a. O., 138). Vgl. auch ders., Art. Harnack, Adolf von [1851-1930], in: TRE, Bd. XIV, 1985, 450-458, 453.

85) Überblicke bei F. W. Graf, Art. Kulturprotestantismus, in: TRE, Bd. XX, 1990, 230-243 und G. Hübinger, Protestantische Kultur im wilhelminischen Deutschland, Internationales Archiv für Sozialgeschichte der Literatur 16/1 (1991), 174-199 bzw. M. Jacobs, Art. Liberale Theologie, in: TRE, Bd. XXI, 1991, 47-68. Vgl. ferner z. B. F. W. Graf, Kulturprotestantismus. Zur Begriffsgeschichte einer theologiepolitischen Chiffre, ABG 28 (1987), 214-268; auch in: H. M. Müller [Hrsg.], Kulturprotestantismus. Beiträge zu einer Gestalt des modernen Christentums, Gütersloh 1992, 21-77 (in diesem Band ferner Beobachtungen Gerd Lüdemanns zum Verhältnis des Kulturprotestantismus - und damit auch Harnacks - zur Religionsgeschichtlichen Schule ["Das Wissenschaftsverständnis der Religionsgeschichtlichen Schule im Rahmen des Kulturprotestantismus", 78-107] sowie Schlaglichter auf Harnacks Kulturverständnis in einem Beitrag von Rolf Schäfer ["Adolf von Harnack - eine Symbolfigur des Kulturprotestantismus?", 139-149]); F. W. Graf [Hrsg.], Liberale Theologie. Eine Ortsbestimmung, Gütersloh 1993 (Troeltsch-Studien, 7); F. W. Graf/H.-M. Müller [Hrsg.], Der deutsche Protestantismus um 1900, Gütersloh 1996 (Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie, 9). In den Sammelbänden von Müller wie von Graf wird das oben erwähnte Bemühen um Aktualisierung liberaler bzw. kulturprotestantischer Positionen in den Vorworten offen ausgesprochen. Ähnlich Rendtorff am Ende seiner Einleitung zur Neuausgabe des WdCh (wie Anm. 1, 2. Titel). Stärker sozial- und politikgeschichtlich orientiert: Hübinger (wie Anm. 84).

86) Schneemelcher (wie Anm. 84), 212. Mit ähnlicher Tendenz W. von Loewenich, Adolf von Harnack - Liberale Theologie als Anfrage an die Gegenwart. Eine Säkularerinnerung, Gießener Universitätsblätter 12 (1979), Heft 1, 44-54.

87) Diese apologetische Haltung ist etwa mit Händen zu greifen in dem von einer Arbeitsgruppe unter dem Vorsitz von Bischof Prof. Dr. Wolfgang Huber erarbeiteten Diskussionspapier "Gestaltung und Kritik. Zum Verhältnis von Protestantismus und Kultur im neuen Jahrhundert", das das Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gemeinsam mit der Geschäftsstelle der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF) im Februar 1999 veröffentlicht hat (EKD.T 64; auch im Internet abrufbar unter http://www.ekd.de/EKD-Texte/kultur/kultur.rtf).

Zum Ganzen auch W. Kinzig, Zur (Un)Modernität der Spätantike. Ein Essay zu Anlaß und Leitgedanken eines Symposiums, in: ders./A. Dörfler-Dierken/M. Vinzent [Hrsg.], Christen und Nichtchristen in Spätantike, Neuzeit und Gegenwart. Beginn und Ende des Konstantinischen Zeitalters. Internationales Kolloquium aus Anlaß des 65. Geburtstages von Professor Dr. Adolf Martin Ritter, Mandelbachtal-Cambridge 2001 (Texts and Studies in the History of Theology, 6, im Druck).

88) So W.-D. Hauschild, Art. Harnack, 2. Adolf, in: RGG, 4. Aufl., Bd. III, 2000, 1457-1459, 1459.

89) Ein Beispiel oben in Anm. 7.

90) Vgl. Re (wie Anm. 1).

91) Ch. Axt-Piscalar u. a., Das Wesen des Christentums in seiner evangelischen Gestalt. Eine Vortragsreihe im Berliner Dom, Neukirchen-Vluyn 2000 (Veröffentlichungen aus der Arnoldshainer Konferenz).

92) Delgado (wie Anm. 52).

93) Vgl. den genauen Titel Anm. 1.

94) Vgl. z. B. Z-H 406-420=316-327; 538-545=420-425.

95) Davon wohl zu unterscheiden ist Harnacks eigene intensive praxis pietatis, wie sie etwa in der postum erschienenen Sammlung "Vom inwendigen Leben. Betrachtungen über Bibelworte und freie Texte" (Heilbronn 1931, S/D 1614) zum Ausdruck kommt. Vgl. dazu auch die Überlegungen bei No 42-46.

96) K. Nowak, Bürgerliche Bildungsreligion? Zur Stellung Adolf von Harnacks in der protestantischen Frömmigkeitsgeschichte der Moderne, ZKG 99 (1988), 326-353, 352 f.

97) In diesem Punkt enthalten die boshaften Bemerkungen Franz Overbecks ein Körnchen Wahrheit: "Wer am Ofen seines Ansehens sitzend an sich selbst einen so fleißigen Heizer wie Harnack hat, kann darauf rechnen, daß er, der Ofen, brennt. Und solange das Publikum warm daran wird, ist für den Heizer alles in Ordnung, und insbesondere mag ihn nur wenig kümmern müssen, was er in den Ofen steckt. Aber das wird anders, wenn sein Publikum anfängt zu frieren, und er nun erst seinerseits in die Lage kommt zuzusehen, womit geheizt wird. Nun kann es erst dem Heizer selbst recht heiß werden. Das wird Harnack einmal erleben, wenn die Strohnatur seiner Heizmaterialien an den Tag kommt. Und wie soll sie immer verborgen bleiben, wenn doch unzweifelhaft einmal um den Harnackschen Ofen herum recht gefroren werden muß!" (Christentum und Kultur. Gedanken und Anmerkungen zur Modernen Theologie. Aus dem Nachlaß herausgegeben von C. A. Bernoulli, Basel 1919 [Nachdr. Darmstadt 1963], 237 f.).

98) Dies in Variation zu Nowaks Feststellung: "Das Für und Wider um Harnack gehört einer vergangenen Zeit an. Sein Werk trägt mittlerweile das Gepräge des Klassischen" (No 1).

Charakteristischerweise sucht man denn auch in der Neuauflage der RGG - im Unterschied zur dritten Auflage (vgl. dazu oben Anm. 60) - unter dem Stichwort "Christentum" vergebens nach einem Abschnitt "Wesen des Christentums". Statt dessen scheint der Begriff der "Identität" viel von dem Sachgehalt des Wesensbegriffes übernommen zu haben. Dieser Kategorienwechsel wird programmatisch vollzogen in einem soeben erschienenen Buch von Wybren De Jong: Identities of Christian Traditions. An Alternative for Essentialism, Frankfurt a. M. etc. 2000 (Contributions to Philosophical Theology, 5). De Jong möchte nach einer "Alternative zum Essentialismus" suchen und findet sie im Identitätsbegriff. Harnacks WdCh wird allerdings auf nur fünf Seiten allzu flüchtig abgehandelt, als dass auch die Stärken eines solchen Essentialismus hervortreten könnten; vgl. bes. 39-44.

99) Vgl. Z-H 245-249 = 185-188. Vgl. hierzu auch H. W. Seidel, Drei Stunden hinter Berlin. Briefe aus dem Vikariat, zuerst hrsg. von I. Seidel, Gütersloh 1951; Neuausgabe von K. Goebel, Frankfurt a. M.-Leipzig 1998 (Insel-Taschenbücher, 2158).

100) Vgl. Rathje (wie Anm. 46), 114-117.

101) D. Hoffmann-Axthelm, Loisys "L'Évangile et l'Église". Besichtigung eines zeitgenössischen Schlachtfeldes, ZThK 65 (1968), 291-328; A. Raffelt, Das "Wesen des Christentums" nach Alfred Loisy. Zur Interpretation und werkgeschichtlichen Einordnung seiner Schrift "L'Évangile et l'Église", WiWei 35 (1972), 165-199. Weitere Literatur auch bei W. Weiß, Art. Loisy, Alfred Firmin, in: BBKL, Bd. V, 1993, 190-196 sowie im Internet unter www.bautz.de/bbkl.

102) Drescher (wie Anm. 27), 283-295.

103) Vgl. außer der in den folgenden Anm. genannten Literatur noch R. Mayer, Christentum und Judentum in der Schau Leo Baecks, Stuttgart 1961 (StDel 6), bes. 13-43; A. H. Friedlander, Leo Baeck. Leben und Lehre, Stuttgart 1973 (2. Aufl., München 1990 [KT, 84]), bes. 70-106 (1. Aufl.).

104) Vgl. P. von der Osten-Sacken, Rückzug ins Wesen und aus der Geschichte. Antijudaismus bei Adolf von Harnack und Rudolf Bultmann, WPKG 67 (1978), 106-122; ders., Christen und Juden in Berlin. Begegnung mit einer verlorenen Zeit, in: G. Besier/Ch. Gestrich [Hrsg.], 450 Jahre Evangelische Theologie in Berlin, Göttingen 1989, 547-599, bes. 587-593.

105) Bartsch (wie Anm. 64), bes. Anhang, XXXIX ff.

106) Vgl. F.-W. Marquardt, Unabgegoltenes in der Kritik Leo Baecks an Adolf Harnack, in: W. Licharz [Hrsg.], Leo Baeck - Lehrer und Helfer in schwerer Zeit, Frankfurt a. M. 1983 (ArTe, 20), 169-187.

107) Vgl. W. Homolka, Jüdische Identität in der modernen Welt. Leo Baeck und der deutsche Protestantismus, Gütersloh 1994, 47-73.

108) D. Bourel, Judentum und Christentum bei Leo Baeck, in: K. Nowak/G. Raulet [Hrsg.], Protestantismus und Antisemitismus in der Weimarer Republik, Hamburg 1994, 33-41.

109) Vgl. K. Nowak, Kulturprotestantismus und Judenfrage in der Weimarer Republik, Wolfenbüttel-Göttingen 1991 (Kleine Schriften zur Aufklärung, 4), 15 f., 23 f. Ferner No 38.

110) Vgl. B. Reymond, Die Konzepte einiger protestantischer deutscher Theologen zur "Judenfrage", in: Nowak/Raulet (wie Anm. 108), 127-146, 133-135.

111) Vgl. Ch. Wiese, Wissenschaft des Judentums und protestantische Theologie im wilhelminischen Deutschland. Ein Schrei ins Leere?, Tübingen 1999 (SWALBI 61), 131-139.

112) Von der Osten-Sacken, Christen und Juden (wie Anm. 104), 587.

113) Harnacks Vorlesungen über das Wesen des Christentums, MGWJ 45 (1901), 97-120, 118; auch in: Licharz (wie Anm. 106), 11-34, 32.

114) Von der Osten-Sacken, Christen und Juden (wie Anm. 104), 588f. unter Aufnahme eines Zitates von Felix Perles. Eine ausführliche, sehr differenzierte Darstellung der jüdischen Reaktionen auf die Publikation des WdCh bei U. Tal, Christians and Jews in Germany. Religion, Politics, and Ideology in the Second Reich, 1870-1914, Ithaca-London 1975, 204-222; ders., Theologische Debatten um das "Wesen" des Judentums, in: W. Mosse/A. Paucker [Hrsg.], Juden im Wilhelminischen Deutschland 1890-1914, Tübingen 1976 (SWALBI 33), 599-632. Ferner Homolka (wie Anm. 107), 55-62; Hübinger (wie Anm. 84), 273 f.

115) Rendtorff in: Harnack, Wesen (wie Anm. 1, 2. Titel), 33. Ferner ders., Das Verhältnis von liberaler Theologie und Judentum um die Jahrhundertwende, in: Das deutsche Judentum und der Liberalismus - German Jewry and Liberalism, Sankt Augustin 1986 (Schriften der Friedrich-Naumann-Stiftung/Liberale Texte), 96-112, 102 ff.

116) Vgl. dazu etwa Z-H 221=166; Re 518-537, bes. 521, 535 f. Jantsch geht in ihrer Behandlung der Mitwirkung Harnacks und Rades am Evangelisch-Sozialen Kongress auf diese Thematik nicht ein (vgl. Ja 31-45). - Vgl. auch Harnacks Stellungnahmen gegen den Antisemitismus aus seinen letzten Lebensjahren; dazu Nowak (wie Anm. 109), 23 f.

117) Vgl. zur Ablehnung des Rassenantisemitismus den wichtigen, leider jedoch unvollständig zitierten Brief Harnacks an Chamberlain vom 24.11.1912 bei Kaltenborn (wie Anm. 12), 84 f.; ferner Z-H 355=274. Zur Wertschätzung des Buches ("auch theologisch wirkt es aufklärend"!) vgl. den Brief an Althoff bei Re 410 f. sowie das Zitat in WdCh (wie Anm. 1, 2. Titel), 140.

118) Vgl. Z-H 352-355=272-274; Re 411, Anm. 49. Zum Kontakt mit Chamberlain vgl. auch P. Pretzsch [Hrsg.], Houston Stewart Chamberlain- Briefe 1882-1924 und Briefwechsel mit Kaiser Wilhelm II., 2 Bände, München 1928, bes. Bd. I, 212-218 (an Adolf von Harnack, 9. 12. 1912), 220-223 (an Adolf von Harnack, 20.5.1913), 269 (an Hugo Bruckmann, 26.11.1914), 271 (an Sidonie Peter, 23.12.1914); Bd. II, 121 f. (an Adolf von Harnack, 18.10.1922) u. ö. Eine Edition des gesamten Briefwechsels zwischen Harnack und Chamberlain wird von mir vorbereitet.

Harnack figuriert auch in der Korrespondenz zwischen Chamberlain und Cosima Wagner. Vgl. P. Pretzsch [Hrsg.], Cosima Wagner und Houston Stewart Chamberlain im Briefwechsel 1888-1908, Leipzig 1934, 610 (Cosima Wagner an Chamberlain, 1.3.1901), 627 (C. W. an Ch., 15.2.1902), 628 f. (Ch. an C. W., 17.2.1902), 630 (C. W. an Ch., 14.3.1902), 633 (C. W. an Ch., 29.5.1902), 644 (C. W. an Ch., 30.11. 1902), 652 (Ch. an C. W., 11.12.1902).

119) Vgl. hierzu auch die süffisante Feststellung Shaye Cohens: "Lest I be misunderstood I would like to state that nothing I have read leads me to think that Harnack was an ,anti-Semite.' ... Harnack, like Schürer, Wellhausen, Bousset, and virtually every other German liberal Protestant academic of his era, had no doubt that Judaism was much inferior to Christianity. Theodor Mommsen thought that the Judenfrage should be solved by the conversion of the Jews to Christianity, and I suspect that Harnack would have agreed. This is not anti-Semitism; this is Christianity" (S. J. D. Cohen, Adolf Harnack's "The Mission and Expansion of Judaism": Christianity Succeeds Where Judaism Fails, in: B. A. Pearson [Ed.], The Future of Early Christianity. Essays in Honor of Helmut Koester, Minneapolis 1991, 163-169, 169, Anm. 26).

Zu dieser Frage bereite ich eine Studie unter dem Titel "'This is not anti-Semitism; this is Christianity'. Harnack, das Alte Testament und die Juden" vor.

120) Vgl. hierzu die anregenden Beobachtungen bei F. W. Graf, Art. Kulturprotestantismus (wie Anm. 85), 235 ff. Heinrich Scholz schrieb 1953, er und seine Generation hätten "in den Jahren des Kirchenkampfes ein für allemal erfahren ..., daß man mit dem historischen Restbestand, den die wissenschaftliche Theologie des Harnack'schen Zeitalters erarbeitet hat oder geglaubt hat erarbeitet zu haben, einen solchen Kampf nicht einmal ernstlich versuchen, folglich erst recht nicht bestehen kann" (wie Anm. 56), 577 (Hervorhebung im Original).

121) KD I/1, 1932, 3: "Die sogenannte Kirchengeschichte antwortet auf keine selbständig zu stellende Frage hinsichtlich der christlichen Rede von Gott und ist darum nicht als selbständige theologische Disziplin aufzufassen. Sie ist die unentbehrliche Hilfswissenschaft der exegetischen, der dogmatischen und der praktischen Theologie" (gesperrt im Original).

122) G. Ebeling, Kirchengeschichte als Geschichte der Auslegung der Heiligen Schrift, Tübingen 1947 (SGV 189); auch in: ders., Wort Gottes und Tradition. Studien zu einer Hermeneutik der Konfessionen, Göttingen 1964 (KiKonf 7), 9-27.

123) Vgl. dazu auch K. Barth, KD III/4 im Zusammenhang seiner Diskussion um die "Erhebung des Begriffes ,Volk' in die Reihe der theologisch-ethischen Hauptbegriffe" (345; Hervorhebung im Original): "Eine positive Vorbereitung dessen, was dann eingetreten ist, wird man doch weder Schleiermacher noch der ihm folgenden Theologie, noch der Theologie im Zeitalter von Harnack und Troeltsch ernstlich zum Vorwurf machen können. Schon der gewisse vornehme Humanismus, der diese Generationen kennzeichnete, hat sie faktisch davor bewahrt, sich nach dieser Richtung schuldig zu machen. Ein Harnack hätte noch eher Kapuziner werden als sich in die Gesellschaft der in den zwanziger Jahren in den Vordergrund tretenden ,Volks'-Redner begeben können" (347).