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Ausgabe:

April/2001

Spalte:

434 f

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Weier, Winfried

Titel/Untertitel:

Sinnerfahrung menschlicher Existenz. Neue Wege der Gotteserkenntnis.

Verlag:

Frankfurt/M.-Berlin-Bern-New York-Paris-Wien: Lang 1999. 272 S. 8 = Schriften zur Triadik und Ontodynamik, 15. Kart. DM 79,-. ISBN 3-631-34377-9.

Rezensent:

Traugott Koch

In der Weise der neueren katholischen, von M. Müller begründeten und u. a. von H. Beck weitergeführten Religionsphilosophie wird auch in der vorliegenden Schrift die Seinsphilosophie Thomas v. Aquins, z. B. des kosmologischen Gottesbeweises, transponiert in eine "existential-ontologische" Sinn- und Verstehenslehre. Die theoretische Notwendigkeit für dieses Unternehmen wird damit begründet, dass der neuscholastische kosmologische Gottesbeweis als schlüssig für das Denken, aber nur für das - subjektive - Denken konzediert wird, und dass in Folge dieser Einschränkung der Bedarf bestehe, das postulierte "Sein" aus den Existenzvollzügen des Menschen in deren notwendiger Grund- und Sinnvoraussetzung und in deren Seins-Unvermeidbarkeit herzuleiten.

In den Worten des Vf.s wird das so ausgeführt: Es gelte, einen "neuen Weg ..., die Gottesfrage angehen zu können", zu finden, "ohne der subjektivistischen Kritik zu verfallen" (13). Zwar wird weiterhin nach dem "letzten Grund allen Seins" gefragt, der "hinsichtlich seines eigenen Seins keines weiteren Grundes mehr bedürftig" ist (26). Aber streng zu beachten sei, "daß die Geltung für das Denken noch nichts ... besagen müsse im Hinblick auf eine darüber hinausliegende Realität." (13) Und darum ist nach dem Vf. auf die "Selbsterfahrung" der Existenz zu rekurrieren; denn in ihr lasse sich "ein objektiver Sinn" als "wirksam und wirklich" "nachweisen" - werde doch dieser "Sinn" von der Existenz "als ebenso realexistent wie sie selbst" und zugleich als ihre eigene "Voraussetzung" und als "Bedingung ihrer Möglichkeit" erfahren (14). Die "Sinngehalte" in den Sinnerfahrungen der Existenz sind nach dem Vf. "eine ihr [sc. der Existenz] vorgegebene, ihr vorausliegende und sie übersteigende Wirklichkeit"; und mithin "muß dieser Sinn zugleich als Sein verstanden werden, und ... wegen seiner Unbedingtheit und Notwendigkeit als absolutes Sein und überdies als" die "Bedingung, Voraussetzung und Möglichkeit menschlicher Existenz ... Eine sinnhafte, absolute Urexistenz aber trifft sich mit dem Gott der Religion." (18)

Dieses Resultat wird dann in der Frage nach dem Sinn in der Gottesfrage weiter differenziert, um Gott auszusagen als ein "von Welt und Mensch wesentlich verschiedene[s] Wesen" (36)- und um die "Selbstursprünglichkeit" der menschlichen Existenz "als eine in sich ... unfertige, unvollendete, ... offene" darzutun (48). Die "Existenz" ,erfahre' "in ihrem In-sich-Sein, in ihrem eigentlichen Selbst-Sein Welt, Leben und Dasein in einem Mißverhältnis, einer wesentlichen Inkonformität" und darum "ausgerichtet ... auf eine jede Abhängigkeit ausschließende Unbedingtheit" (102). Da alle "Ausdrucksgestalten" des "göttlichen Ursinnes" - und so auch das "Denken" - nur "vorläufig[] und unvollkommen[]" sind (65), kann das "Zielobjekt der Gottesfrage" "nur der Intuition oder dem existentiellen Erspüren" ,zugänglich' sein (77). "Wie gezeigt, verfügt ... nicht Existenz über den absoluten Sinn, sondern vielmehr dieser über sie." (99; cf. 141) Die der Existenz eigene Unbedingtheit ist eine in Endlichkeit (142) - und folglich nach dem Vf. eine geliehene oder verliehene (150), "allein" eine "in der transzendenten Urexistenz" (184).

Gesetzt nun, das also ist demonstriert. Doch was ist damit, mit einer solchen Vorstellung von Gott, erreicht? An der Kritik des Vf.s am "Existentialismus" als Negativitätsphilosophie möge das beispielhaft deutlich werden: Der Vf. behauptet, in der Negation von Sinn wird der Sinn vorausgesetzt, sonst wüsste man um die Sinnlosigkeit, den Unsinn, nicht. "Entfremdung, Verlassenheit, Schwermut" (108), "Verlassenheit oder Geworfenheit" würden "sich ... weder begreifen noch erleben, wenn sie nicht nach Sinneinheit zwischen sich und der Wirklichkeit verlangen würde[n]" (109). Den "Existentialien der Entfremdung, Verlassenheit, Schwermut, Verlorenheit und Geworfenheit" wie dem "Gefühl des Absurden geht es um den Sinn der Einheit und Totalität, den sie in ihrer Begegnung mit dem Nichts als ihrer tiefsten Daseinsrettung unverzichtbar und daher als letztes und unbedingtes Daseinsanliegen erfahren" (110). "Indem die Existentialien der Sorge und des Schwindels aber den Sinn des Erhaltenden, Festigenden, Zielgebundenen sowie des Tragenden, Vereinigenden, Bergenden verlangen, meinen sie zutiefest und zuletzt den Sinngehalt der Erhabenheit und Mächtigkeit als die schlechthin souveräne, überlegene Urexistenz" (119), die in der Religion Gott ist. - Jedoch, so sei dagegen bedacht, was ist, wenn ein Mensch in seiner Verzweiflung den "Sinn" wohl ahnt und kennt und ihn doch nur schmerzlich entbehrt, wenn er in seinem Verlangen nach "Sinn" sich verzehrt und zu Grunde richtet? Was ist, wenn es einem Menschen wohl "unverzichtbar" um "Daseinsrettung" ,geht', er sie aber dennoch nicht als sein ,Dasein' verwandelnd erfährt? Ist das kein Thema für eine solche Relgionsphilosophie?

Sehr zu Recht wird, auch gegenüber der Religionskritik, "die wesentliche Verschiedenheit der psychischen und [der] religiösen Akte" herausgestellt (210; cf. 213. 260). Doch auch in Bezug auf das Theodizee-Problem wird ebenso verfahren wie bei den oben angeführten "Existentialien". Wieder wird behauptet, dass die Existenz "in den Erfahrungen des Übels ... nicht nur dieses, sondern darüber hinaus eben den absoluten Sinn und das absolute Sein ... unaufhebbar erfährt." (236; cf. 239). Nur wird diesmal auf der letzten Seite die Konsequenz dieser Position deutlich gezogen: Dem Übel, dem Bösen, "dem Sinnlosen" wird "das Sein" ,abgesprochen' (262). - Was, frage ich, sind nun die "neue[n] Wege der Gotteserkenntnis"?