Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

April/2001

Spalte:

422 f

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

McGrath, Alister E.

Titel/Untertitel:

Thomas F. Torrance. An Intellectual Biography.

Verlag:

Edinburgh: Clark 1999. XIV, 300 S. gr.8. ISBN 0-567-08683-6.

Rezensent:

Thomas Zeilinger

Nirgends anders als bei "seinem" Verleger T. & T. Clark in Edinburgh konnte die erste Biographie von Thomas F. Torrance erscheinen. Und kein geringerer als der Oxforder Theologe Alister E. McGrath unternimmt es, Denken und Leben des bedeutendsten schottischen Theologen des 20. Jh.s nachzuzeichnen. Der sehr ansprechend edierte Band bietet dabei nicht nur eine komplette Torrance-Bibliographie von fast 50 Seiten mit mehr als 600 Titeln, sondern auch über 20 Fotografien, die den bisherigen Lebensweg von T. illustrieren.

Mit dem Untertitel "An Intellectual Biography" weist McG. die Richtung, in die er sein Vorhaben verstanden wissen will. Es liegt ihm daran, die Einflüsse und Entwicklungen im theologischen Denken von T. zu erhellen. McG. teilt sein Unterfangen in zwei Teile: Der 1. Teil liefert unter dem Titel The Emergence of a Scientific Theologian einen biografischen Abriss, während der 2. Teil The Contours of a Scientific Theology einzelnen systematischen Themen in ihren Zusammenhängen nachgeht.

Ausführlich geht McG. im 1. Kapitel auf T.s Kindheit ein. Die Missionarstätigkeit seines Vaters hatte nicht nur zur Folge, dass der Brite T. am 30.9.1913 im chinesischen Chengdu zur Welt kam und dort die ersten vierzehn Jahre seines Lebens verbrachte. Sie pflanzte in T. von Kindheit an ein ausgeprägtes Bewusstsein für die Lebendigkeit und den missionarischen Charakter des christlichen Glaubens (13). Die politischen Entwicklungen in China führen 1927 dazu, dass die Missionarsfamilie nach Schottland zurückkehrt. Das 2. Kapitel widmet sich T.s Ausbildungsjahren in Europa. Von Anfang an wollte T. zum Studium an die Universität Edinburgh, um danach als Pfarrer und Missionar tätig zu sein. 1931 nimmt er dort das Studium der klassischen Sprachen und der Philosophie auf, ehe er 1934 mit der eigentlichen Ausbildung zum "Bachelor of Divinity" am "New College" von Edinburgh beginnt. McG. beschreibt kundig und detailliert die Einflüsse, die T. bestimmen. H. R. Mackintosh und D. Lamont gelten die Sympathien von T., während sich bereits in seiner Studienzeit eine gewisse Gegnerschaft zu J. Baillie abzeichnet, die auch seine spätere Dozentur nicht unbeeinflusst lassen wird (29 ff.). Nach einem halbjährigen Studienaufenthalt im Nahen Osten graduiert T. 1937 so erfolgreich, dass er ein Stipendium für postgraduierte Tätigkeit an einem Ort seiner Wahl erhält. Das Ziel ist klar: Basel. Hier lehrt mit K. Barth derjenige, dessen Theologie nicht nur T. selbst tief beeinflusst hat, sondern die dann auch von diesem im angelsächsischen Sprachraum entschieden weitervermittelt wurde. "T.s time in Basel was immensely stimulating ... By the end of his year in Basel, T.s theological loadstars were firmly established in his intellectual firmament. Athanasius, Mackintosh, Calvin and Barth would act as foci for his theological reflection." (46)

Ohne dass er seine (dogmengeschichtliche) Dissertation schon beendet gehabt hätte, wird T. von seiner Alma Mater 1938 nach den USA gesandt (3. Kap.). Am Auburn Theological Seminary liest er für ein Jahr vertretungsweise den gesamten Bereich der Dogmatik. McG. zieht die (bisher unveröffentlichten) Manuskripte dieser intensiven Vorlesungstätigkeit im zweiten Teil immer wieder heran, um den Weichenstellungen und Entwicklungen von T.s Theologie auf die Spur zu kommen. "Every Barth has a Safenwil" (60): Gemeindearbeit (Alyth und Beechgrove) und diakonischer Hilfseinsatz im Krieg stehen für T. in den vierziger Jahren im Vordergrund (4. Kap.), ehe 1950 die Berufung als Professor für Kirchengeschichte in Edinburgh erfolgt. Das 5. Kapitel widmet sich der dortigen Lehrtätigkeit, die bis zu T.s Emeritierung 1979 dauerte. Detailliert zeichnet McG. nach, wie umstritten, aber auch wie folgenreich der 1952 erfolgte Wechsel T.s auf den Lehrstuhl für Christliche Dogmatik für die Fakultät in Edinburgh war, verschweigt aber auch nicht die Veränderungen, die die theologische Orientierung der Fakultät in den Siebzigern und nach T.s Emeritierung erfuhr. Für T. selbst war neben der Universität in diesen Jahren stets die Kirche entscheidender Bezugspunkt seiner Arbeit. Seine zahlreichen ökumenischen Aktivitäten belegen dies ebenso wie sein Engagement für die Church of Scotland. Nach seiner Emeritierung konnte sich T. dann intensiver dem Themengebiet zuwenden, das ihm durch die innerfakultären Spannungen innerhalb seiner Lehrtätigkeit verschlossen war: der Gotteslehre, insbesondere der Trinitätslehre. 260 der (bisher) über 600 Titel der Bibliographie erschienen nach 1979!

Im zweiten Teil The Contours of a Scientific Theology entfaltet McG. in vier Kapiteln die Programmatik von T.s Theologie: Torrance and British Barth-Reception (ch. 6), Revelation and Salvation: The Place of Jesus Christ in Christian Theology (ch. 7), The Place and Purpose of Natural Theology (ch. 8), Theology and the Natural Sciences (ch. 9).

Die vier Kapitel lassen sich ihrerseits den zwei Hauptthemen zuordnen, die (nicht nur) nach McG. das Werk T.s zuvörderst kennzeichnen: sein intensiver Dialog mit den Naturwissenschaften und ihrer Methodik (v. a. der Physik in ihrer Einsteinschen Prägung) und sein Ansatz bei einer offenbarungsbestimmten Theologie im Gefolge K. Barths. Zurecht weist McG. dabei darauf hin, dass beide Themen, so fremd sie einander vielleicht zu sein scheinen, in T.s Interesse zusammenfinden, gegenüber allen dualistischen Erklärungsmodellen epistemologisch wie kosmologisch Einheit und Kohärenz festzuhalten (143 ff., 158 f., 192 ff.). T. tut dies jedoch nicht - und hierauf weist McG. abschließend eigens hin - um Theologie und Naturwissenschaft eine methodisches Apriori vorzugeben: "The quintessence of T.s scientific theology may be argued to rest on the affirmation that every reality is to be investigated kata physin - that is, according to its own distinct nature - in an aposteriori manner ... T.s 'kataphysical' approach to scientific method allows him to affirm a universal scientific (in the sense of wissenschaftlich) method while at the same time maintaining the distinctive place and approach of theology. Each science investigates reality kata physin, with the result that the method to be adopted is at least partly determined by the distinctive nature of the 'reality' under consideration." (234 f.)

Wer eine gut lesbare, über theologische wie historische Zusammenhänge präzis informierte Einführung in das Denken von T. sucht, greife zum Buch von McG. Besonders der intensive Einbezug bisher unveröffentlichter früher Texte macht das Buch auch für all diejenigen unverzichtbar, die sich eingehender mit T.s Theologie beschäftigen wollen. Allein die wiederholt vorgetragene Beteuerung, dass T. kein unkritischer Bewunderer oder Nachahmer K. Barths gewesen sei (z. B. 136, 147), lässt in Verbindung mit arg ausführlich geratenen Hintergrundskizzen zur europäischen Barth-Rezeption (z. B. 118 ff.) T.s Leistung vielleicht unfreiwillig kleiner erscheinen, als McG. es beabsichtigt.