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Ausgabe: | April/2001 |
Spalte: | 415 f |
Kategorie: | Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie |
Titel/Untertitel: | Lexicon Gregorianum. Wörterbuch zu den Schriften Gregors von Nyssa. Bd. I u. II. Bearb. von F. Mann. |
Verlag: | Brill: Leiden-Boston-Köln 1999/2000. XVII, 664 S. u. XII, 555 S. 4. Lw. hfl je 495.83. ISBN 90-04-11228-6 u. 90-04-11450-5. |
Rezensent: | Hubertus R. Drobner |
"Diese imposante Leistung ist ... im Wesentlichen das Werk eines einzigen Mannes, des Altphilologen ... Dr. Friedhelm Mann, der in unermüdlichem Einsatz mit größter Akribie die zahlreichen Lemmata erarbeitet hat bis hin zur technischen Ausgestaltung. ... Es ist auch insofern ein Lebenswerk, als ein Wissenschaftler hier nicht nur seine jahrzehntelange Gregorforschung eingebracht hat, sondern auch seine gesamte Zeit - unter Verzicht auf Vieles - geopfert hat" (Vorwort, VI). Wer wie der Autor dieser Zeilen das Privileg hat, Herrn Dr. Mann seit Jahrzehnten zu kennen, weiß, dass damit nicht zuviel zu seinem Lobe gesagt ist. Freilich stellt sich damit auch die Frage: Was wird einmal werden, wenn M. nicht mehr daran mitarbeiten wird? Denn nach menschlichem Ermessen wird die gegenwärtige Forschergeneration das Lexikon, das nun, nach einigen Jahrzehnten der Vorbereitung, bis zum Buchstaben E (im angekündigten Band 3) gediehen ist, nicht beenden können.
Nun ist es selbstverständlich keine Frage, dass es richtig war, ein Werk zu beginnen, das seiner Natur nach Generationen beschäftigen wird, denn es wird noch viel mehr künftigen Generationen unverzichtbare Dienste leisten. In unserer schnelllebigen Zeit, in der alles nur kurzatmig für heute oder morgen getan wird, weil alles beständig von der neuesten Entwicklung überholt wird oder zumindest überholt scheint, stellt dieses Lexikon ein wohltuend "altmodisches" Produkt dar, bei dem Generationen für Generationen arbeiten im berechtigten Bewusstsein, dass sich die Arbeit lohnt und Bestand haben wird.
Ebenso selbstverständlich war es richtig, mit der Publikation des Werkes zu beginnen, ohne auf die Vollendung der kritischen Edition der Werke Gregors von Nyssa zu warten. In der Tat ist gegenwärtig nicht absehbar, welches der beiden Vorhaben zuerst seine Vollendung finden wird, und man muss insofern ganz "aktuell" denken, nämlich an den großen, praktischen Nutzen, der der Wissenschaft in den noch ausstehenden Jahrzehnten bis zur Fertigstellung beider Projekte zur Verfügung stehen wird.
In demselben Sinne kann man daher auch nur ermuntern, dass andere Parerga von anderen Personen und Institutionen auf derselben gemischten Textgrundlage wie das Lexikon der Wissenschaft zur Verfügung gestellt werden (vgl. z. B. Hubertus R. Drobner, Bibelindex zu den Werken Gregors von Nyssa, Paderborn 1988; Cajus Fabricius/Daniel Ridings, A Concordance to Gregory of Nyssa (= SGLG 50), Göteborg 1989 [microfiches]; Biblia Patristica. Index des citations et allusions bibliques dans la littérature patristique 5: Basile de Césarée, Grégoire de Nazianze, Grégoire de Nysse, Amphiloque d'Iconium, Paris 1991).
"Unter der sachkundig-zielstrebigen Anleitung von M. haben verschiedene wissenschaftliche Hilfskräfte nicht nur Material aufbereitet, sondern auch eigenständig einige Lemmata bearbeitet ...: Frau Dr. Dörte Teske, Frau Susanne Gödde, Frau Heidrun Bärenfänger-Zobov, Frau Ruth Mariß sowie die Herren Dr. Kyriakos Savvidis, Wolfgang Schoedel, Dr. Volker H. Drecoll" (Vorwort VII). Zwar kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Kraft und Hingabe eines Einzelnen oft mehr erreicht als Großunternehmen, bei denen viele personale und organisatorische "Reibungsverluste" entstehen, ob sich aber die Konzeption eines einzigen wissenschaftlichen Mitarbeiters mit studentischen Hilfskräften zur Vermeidung "der Schwierigkeiten bei der Ausarbeitung der Artikel durch viele Spezialisten" (Vorwort VI) auch in Zukunft bewähren wird, bleibt abzuwarten.
Bei dem Lexicon Gregorianum handelt es sich um "eine pragmatische kleine Lösung: eine Kombination von Index, Konkordanz und Wörterbuch" (Vorwort VI). Ursprünglich war "die Vorbereitung eines lexique raisonnée" geplant gewesen, "welches nach Analogie des von Gerhard Kittel begründeten Theologischen Wörterbuchs zum Neuen Testament monographische Darstellungen zu den wichtigsten Begriffen aus der Feder vieler Gregorforscher enthalten sollte" (Vorwort V), was aber aus verschiedenen Gründen scheiterte. Ist also die gegenwärtige Gestalt des Lexikons nur eine aus der Not geborene, ganz unvollkommene? Wäre viel mehr wünschenswert? Vielleicht nicht. Denn man darf auch einmal fragen, ob eine so umfassende und ins Detail gehende Aufarbeitung des Vokabulars wie für das Neue Testament für einen Kirchenvater - und sei es ein Augustinus - wirklich erforderlich ist. Die jetzt gewählte Form scheint mehr als genug für ein Lexikon, das sich an Spezialisten richtet, die sich alles darüber Hinausgehende sowieso selbst erarbeiten können und müssen.
Das Lexikon ist insofern eine Konkordanz, als in den Lemnach Bedeutung, Grammatik und sachlich-inhaltlichen Kriterien, immer unter Zitat des unmittelbaren Kontextes. Sehr praktisch und nützlich ist der immer jeweils direkt nach dem Stichwort aufgeführte Negativ-Verweis auf dessen fehlende Behandlung in den beiden einschlägigen Griechisch-Lexika der antiken Welt: H. Liddell/R. Scott u. a., A Greek-English Lexicon, Oxford 91940 with a supplement 1968, und G. W. H. Lampe, A Patristic Greek Lexicon, Oxford 1961. Damit wird Gregors Vokabular nicht nur beständig in den allgemeinen Kontext der klassischen und spätantiken Gräzität gestellt, sondern auch seine "Sondersprache" deutlich.
Als ebenso nützlich erweist sich auch die Aufnahme der wichtigen variae lectiones, nicht nur für den - vom Lexikon generell ins Auge gefassten - ernsthaften philologischen Benutzer, sondern vor allem auch für diejenigen, die noch an der kritischen Edition der Werke Gregors von Nyssa arbeiten. Ihnen wird damit ein besonders großer Dienst erwiesen, was sicher darauf zurückzuführen ist, dass M. selbst Mitherausgeber ist und daher deren Bedarf von Grund auf kennt. Ähnliches gilt für die akribische Notierung der biblischen Zitate und Anspielungen, die dieses Lexikon auch den Theologen als unentbehrliches Arbeitsinstrument empfiehlt.
Summa summarum kann man ohne Zögern urteilen: Das gesteckte Ziel, "philologisches, philosophie- und theologiegeschichtliches Hilfsmittel" (Einleitung XI) zu sein, wird vollständig erreicht. Das Lexicon Gregorianum ist ein Musterbeispiel philologischer Gelehrsamkeit, das jede Minute des immensen Herstellungsaufwandes lohnt. Es ist mit dem Erscheinen der beiden ersten Bände und wird für viele künftige Generationen das unentbehrliche Hilfsmittel zum Studium der Werke Gregors von Nyssa sein, in eben dem umfassenden Sinn, in dem es angelegt ist. Herrn Dr. Friedhelm Mann kann man nur zu seinem meisterlichen Lebenswerk gratulieren und sich selbst wünschen, dass das Werk unter seiner Ägide noch weit voranschreiten möge.