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Ausgabe:

März/2001

Spalte:

331–333

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Bär, Michael

Titel/Untertitel:

Homiletik im Priesterseminar Passau 1828-1964.

Verlag:

Würzburg: Seelsorge/Echter 1998. XXII, 714 S. gr.8 = Studien zur Theologie und Praxis der Seelsorge, 33. Kart. DM 80,-. ISBN 3-429-02020-4.

Rezensent:

Wilhelm Gräb

Die umfängliche Untersuchung zur Geschichte der homiletischen Ausbildung am Priesterseminar der Diözese Passau, die von der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Passau 1997 als Dissertation angenommen wurde, ist aus der praktischen Unterrichtstätigkeit des Vf.s am Priesterseminar St. Stephan in Passau erwachsen. Die Lokalhistorie steht denn auch im Zentrum der Untersuchung. Dennoch findet die neuere - in Würzburg bzw. Frankfurt insbesondere von Rolf Zerfass und Heribert Arens betriebene - katholische Homiletik, die auch der homiletischen Ausbildung an evangelisch-theologischen Fakultäten und Predigerseminaren wesentliche Impulse gegeben hat, wenigstens am Rande Erwähnung.

Im Zentrum der Untersuchung stehen die historische Abfolge der Bischöfe, welche die Diözese Passau seit dem Umbruch durch die Säkularisation geleitet haben, sowie dann auch die Reihung der Dozenten am Priesterseminar, in deren Händen die homiletische Ausbildung lag, schließlich die Darstellung des Einflusses, den die in der Regel dem Kapuzinerorden angehörigen Passauer Domprediger auf die Predigtauffassung der Kandidaten am dortigen Priesterseminar genommen haben. Die Abgrenzung des Untersuchungszeitraumes ergibt sich einmal aus der ersten Wiederbesetzung des Passauer Bischofsstuhles nach der Säkularisation, die 1826 erfolgte, sodann vom Ende der Wirksamkeit des Dompredigers und Kapuzinerpaters Gebhard Fesenmayers her.

Letzterer, der von 1954 bis 1964 auch am Priesterseminar Homiletik gelehrt hat, findet mit 120 Seiten den breitesten Raum (413-531). Ausführlich, aber wie auch sonst in diesem allzu ausgreifenden Buch wenig übersichtlich in der Gliederung, werden die Predigtauffassung sowie die Grundsätze und Methoden der Predigtlehre Fesenmayers dargestellt. Der Vf. rekonstruiert in diesem Zusammenhang teilweise aus Beständen des Archivs bayrischer Kapuziner in Altötting den Typus einer eigenständigen "Kapuziner-Homiletik". In den literarischen Beiträgen Fesenmayers zur wissenschaftlichen Homiletik, seiner Wirksamkeit als Domprediger in Passau, schließlich in den Impulsen, die von seinem homiletischen Unterricht am Priesterseminar ausgegangen sind, erkennt der Vf. den "unumstrittenen Höhepunkt" (659) der Passauer Homiletik. Fesenmayer lehrte, biblisch zu predigen. Er mühte sich um eine Theologie der Predigt, welche das die Homiletik von der weltlichen Rhetorik spezifisch Unterscheidende hervorhob, den wesentlichen Beitrag der Rhetorik zur Orientierung der Predigt an den Erwartungen und Rezeptionsweisen der Hörer aber festhielt.

Durch die gleichsam monographische Abhandlung zur Homiletik Fesenmayers gelingt es dem Vf., deutlich zu machen, dass die Passauer Homiletik einen beachtenswerten und bislang zu wenig gewürdigten Beitrag zur Förderung der Predigt im römisch-katholischen Raum geleistet hat. In den übrigen Kapiteln der Arbeit tritt ein spezifisches Profil der in Passau gelehrten Homiletik wenig deutlich hervor. Der Vf. gesteht dies selbst unumwunden zu. Zunächst waren es die Jesuiten, die - freilich vor dem Untersuchungszeitraum - für die Predigerausbildung in der Diözese Passau gesorgt haben. Dann oblag sie im Wesentlichen den Bischöfen, die allerdings mehr durch ihre eigene Predigttätigkeit gewirkt oder eben auch nicht gewirkt haben, denn durch eine theoriefähige bzw. praxisförderliche Homiletik. Bis weit ins 19. Jh. hinein waren vor allem die pastoraltheologischen Schriften des gemäßigten katholischen Aufklärungstheologen Johann Michael Sailer - wie der Vf. zeigt - für die homiletische Schulung am Passauer Priesterseminar maßgeblich.

Ansonsten verzeichnet der Vf. für die Verhältnisse in der Diözese Passau eine im 2. Vatikanischen Konzil gipfelnde kirchliche Entwicklung, die der Predigt im katholischen Raum verstärkt geistlich-theologische Bedeutung zuwachsen ließ. Immer näher rückte sie dem eucharistischen Altarsakrament. Es wurde auf ihre kerygmatische Ausrichtung gedrängt. Das Katechetische sollte zurücktreten, die Predigt schließlich, indem sie auf die Sehnsüchte, Fragen und Sorgen der Hörer eingeht, ihnen mit dem Trost des Evangeliums ein heilsames Erlebnis in seelsorgerlicher Zuwendung vermitteln.

Vieles, was der Vf. breit, aber wenig systematisch geordnet ausführt, dürfte von bloß lokalhistorischem Interesse bleiben. Fleiß hat der Vf. darauf verwandt, die Passauer Bischöfe, die dortigen Domprediger, alle für die Ausbildung am Priesterseminar in leitender Funktion Zuständigen Erwähnung finden zu lassen, auch wenn ein nennenswerter Beitrag zum Thema sich nicht immer ausmachen ließ.

Im letzten, 5. Kapitel, liefert der Vf. zwar auch noch einige Analysen von Predigten ehemaliger Seminaristen. Ansonsten jedoch dominiert der Blick von oben. Man erfährt einiges darüber, wie in Passau Homiletik gelehrt, wenig jedoch darüber, wie am Priesterseminar das Predigen gelernt worden ist und wie sich diese Lernerfahrungen auf die Predigtpraxis in den Gemeinden der Diözese ausgewirkt haben. Bezüglich ihrer Fragestellung sowie ihres Aufbaus hätte die Dissertation systematisch präzisiert und für die Publikation um die bloß lokalhistorischen Reminiszenzen gekürzt werden müssen.