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Ausgabe:

März/2001

Spalte:

296–298

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Wolfram, Herwig

Titel/Untertitel:

Konrad II. 990-1039. Kaiser dreier Reiche.

Verlag:

München: Beck 2000. 464 S. m. 25 Abb. 2 Ktn. 1 Stammtafel gr.8. Lw. DM 58,-. ISBN 3-406-46054-2.

Rezensent:

Gert Haendler

Der vor allem durch sein Standardwerk "Die Goten" (3. Aufl. 1990) bekannte Wiener Historiker legt eine Biographie über Konrad II. vor. Schon Konrads Zeitgenosse Wipo hatte die "Gesta Chuonradi imperatoris" beschrieben. Grundlegend dargestellt wurde die Epoche von Harry Bresslau in 2 Bänden "Jahrbücher des Deutschen Reiches unter Konrad II." (1877/1884); W. nennt sie "ein bewundernswertes Werk", das er mit seiner neuen Arbeit "weder quantitativ noch qualitativ ersetzen" könne (16). Als Gründe für eine neue Darstellung führt W. zunächst an, dass heute die klösterlichen Reformbewegungen differenzierter gesehen werden. Dazu hebt er ein "Paradoxon" hervor, auf das er auch im Text mehrfach wieder hinweist: "Ein hochmittelalterlicher Kaiser mit Rauschebart, der seine Frau an wichtigen politischen Entscheidungen in vielen, wenn nicht den meisten Fällen mitwirken ließ, ihren Rat suchte und annahm, mag er auch vorher anderer Meinung gewesen sein" (16).

Konrad II. hatte zu seiner Zeit Erfolge, die freilich nicht von Dauer waren. W. zieht Vergleiche: "Bismarck war ein erfolgreicher, das heißt guter Außenpolitiker seiner Zeit, doch die Folgen waren verheerend. Churchill gewann den Krieg und verlor die erste Parlamentswahl danach. Kohl erreichte die Wiedervereinigung Deutschlands, führte sein Land nach Europa und wurde abgewählt" (17). Konrad und Gisela haben in diesem Sinne zu ihrer Zeit gute Politik getrieben. Damit ist jedoch nicht gesagt, "daß sie zu den Großen der Geschichte zu zählen sind, daß ihre Politik nur großen Konzepten folgte, daß man die Methoden und Ergebnisse ihres Handelns stets gutheißen oder gar bewundern muß" (17). Fehlurteile unserer und vergangener Tage sollten jedoch überwunden werden.

Der einleitende Abschnitt "Als unsere Geschichte begann" schildert gesellschaftliche und geographische Gegebenheiten zur Zeit Ottos III. und Heinrichs II. um die Jahrtausendwende. Die Biographie Konrads II. beginnt mit seinen Anfängen 990-1016/17 (33-48), ein entsprechender Abschnitt über Gisela folgt. Der Schlusssatz lautet: "Die ,Firma' Konrad-Gisela war also bestens gerüstet für den Fall des Todes ihres Kaisers und Königs, Verwandten, Gegners - und unfreiwilligen Erblassers" (59). Die Darstellung der Wahl Konrads folgt zunächst Wipos ausführlichem Bericht (60-63).

Erzbischof Aribo von Mainz krönte Konrad am 8.9.1024, jedoch scheint Aribo eine Krönung Giselas abgelehnt zu haben (64 f.). Daher krönte Erzbischof Pilgrim von Köln am 21.09. 1024 die Königin Gisela. Konrads erstes Diplom vom 9.9.1024 gilt dem Abt Odilo von Cluny, der also auch an der Krönung teilgenommen haben dürfte (72). Der Königsumritt vom September 1024 bis Juni 1025 führte von Mainz über Köln nach Lothringen, Sachsen, Ostfranken, Bayern, Schwaben zuletzt nach Basel. Damit hatte König Konrad "das Reich durchzogen und für sich gewonnen" (86). Allerdings gab es auch eine durchaus beachtliche Opposition.

Der zweite Teil "Konflikte und ihre Lösungen" (89-156) schildert u. a. den Gandersheimer Streit 1025-1031 unter der modernen Überschrift "Konflikte aussitzen" (108-113). Mit den Worten "Konflikte austragen" werden der erste Italienzug 1026/27 ebenso wie der zweite 1036/38 charakterisiert (114 bzw. 136). Konrads Wirken in Deutschland 1027 wird schon in der Überschrift ausführlich angekündigt: Hoftage, Synoden, vertrauliche Gespräche, Kompromisse (133-135). Teil 3 "Das Reich" beginnt mit dem Thema: "Öffentliche Repräsentation und persönliche Religiosität" (171-186). Es geht primär um die Gründung einer neuen Dynastie. Von daher sieht W. die Entstehung des Begriffs "Reichsinsignie". Herrschaftszeichen sind nicht mehr Eigentum des jeweiligen Herrschers, sondern stehen für das Reich. "Daher wäre es nicht erstaunlich, wenn Krone und Reichskreuz, die beiden kostbarsten und wichtigsten Reichsinsignen, auf Konrad II. zurückgingen, sei es, daß der Kaiser sie anfertigen ließ, sei es, daß er ihnen ihre bis heute im wesentlichen gültige Gestalt verleihen ließ" (161).

W. lehnt die Spätdatierung der Reichskrone ab (164) und meint: Die Reichskrone ist "in ihrer gegenwärtigen Gestalt das Werk Konrads II., obwohl oder gerade weil ihr Grundbestand mit größter Wahrscheinlichkeit im 10. Jahrhundert noch unter den Ottonen angefertigt wurde ..." (165). Die Argumente für die Frühdatierung nennt W. nicht. Die Bücher von Reinhart Staats "Die Theologie der Reichskrone" (1976) und von Gunther Wolf "Die Wiener Reichskrone" (1995) bleiben ungenannt. Hinweise auf Erzbischof Brun von Köln, den Schöpfer der Komposition der Reichskrone, sowie aktuelle Zusammenhänge, die in Ottos II. Mitkaiserkrönung 967 und östlichen Heiratsprojekten lagen, hatte die ThLZ 122, 1997, 56 referiert.

Überzeugend sind W.s Ausführungen zum Stiftergrab im Speyerer Dom (179-183) und über Konrads Zugehörigkeit zu Gebetsverbrüderungen. W. verweist auf die "Tatsache, daß es keinen salischen Herrscher gibt, dessen Name nach seinem Tode in so viele Bücher des Lebens eingetragen wurde, wie der Konrads II.". Wie andere Laienadelige war sich auch Konrad II. bewusst, "in dieser Welt seine Aufgaben nicht erfüllen zu können, ohne Sünden zu begehen, so daß für ihn nach seinem Tode möglichst viele an möglichst vielen Orten möglichst viele Gebete verrichten müssen" (185). Das Problem einer Endzeiterwartung, deren Bedeutung um die Jahrtausendwende zur Zeit umstritten ist, scheint für Konrad keine Rolle gespielt zu haben.

Teil 4 "Die Außenpolitik" nennt die kaiserliche Gesandtschaft nach Konstantinopel (215-221) und schildert die Lage an der Nord- und Ostgrenze: "Von der holsteinschen Eider zur oberen Adria". Zuletzt erörtert W. den Erwerb des Königreiches Burgund 1032-1035 und das Einvernehmen mit Frankreich (257-264). Der längste Teil 5 trägt die Überschrift "Die Kirche" (267-333). Am Anfang steht Konrads Kirchenpolitik, es folgen die sechs Erzbistümer in Deutschland: Mainz, Köln, Hamburg/Bremen, Salzburg, Trier und Magdeburg, sowie weitere 12 wichtige Bistümer nördlich der Alpen. Zuletzt bringt W. Konrads Klosterpolitik und kirchenrechtliche Fragen (311-330).

Die Untersuchung führt zu einem nüchternen Ergebnis: "Es gab keine allgemeine, großen Leitlinien folgende Kirchenpolitik Konrads II., selbst wenn man die ,Ratschläge' seiner Kaiserin Gisela hinzuzählt" (331). Dennoch kommt Konrad große Bedeutung zu: Er vertrat "die transpersonale Existenz des Reiches unbeschadet der Existenz eines personalen Reichsoberhauptes". Nach Wipo (Kap. 7) hatte Konrad erklärt, ein Schiff fahre weiter, auch wenn der Steuermann gestorben sei. Konrad kannte - "vielleicht als erstes Oberhaupt des mitteleuropäischen Reiches" - den Gedanken "die Herrschaft sterbe nicht mit dem Herrscher" (340). Die Beweise für diese Denkweise Konrads sind weithin religiös-christlich geprägt: Traditionsbildend für kommende Generationen wurde "die Gründung einer Herrschergrablege zu Speyer. Aber schon die Wiener Kaiserkrone in der Verbindung mit der Heiligen-Kreuz-Insignie sollte wahrscheinlich nicht mehr ein Herrschaftszeichen sein, das man nach Belieben verschenken oder einschmelzen konnte, weil es zum Sinnbild des Reiches wurde" (340). Dazu kommt der Thron Karls des Großen, den Wipo "Erzstuhl des ganzen Reiches" nannte. Wipo (Kap. 6) überliefert ein Sprichwort "Konrads Sattel trage die Steigbügel Karls" (341). W. sagt: "Wipo baut seine Biographie so auf, daß die Thronmetapher im Kapitel vor der Schiffsmetapher steht und beide Aussagen über die Transpersonalität von Konrads Reichsverständis unmittelbar aufeinander folgen" (341).

W. warnt davor, grundsätzliche Strategien und Konzepte zu suchen, solche Forderungen können "nur Ideologen und Fundamentalisten" erfüllen. Er nennt nochmals Helmut Kohl, der einer Tradition seit 1948 folgend mehrfach erklärt hatte, die deutsche Einheit liege ihm am Herzen. "Aber niemand könnte behaupten, daß er von Anbeginn nichts anderes im Sinne hatte, als die deutsche Einheit herbeizuführen. Als sich aber die Gelegenheit dazu bot, überwand er schneller als alle anderen die Schrecksekunde, nutzte die Gelegenheit - und hatte Glück. Ebenso verstand auch Konrad II. als guter Politiker sein Glück zu organisieren, weil eben fortuna fortem juvat" (349).

Das Buch bietet eine Fülle von Quellenzitaten und setzt sich mit der Literatur umfassend auseinander. W. weiß seine Ansichten zu den Problemen um Konrad II. stets gut zu begründen. Die oft vermutete Weltuntergangsstimmung um die Jahrtausendwende scheint es für Konrad nicht gegeben zu haben. Trotz der komprimierten historischen Gelehrsamkeit bis in die Details hinein spürt man das Bemühen um eine spannende Biographie. Einige Formulierungen, zumal Vergleiche zur Gegenwart, zielen mit einigem Erfolg in diese Richtung. vermutlich wird das Buch über Konrad II. schon bald - ähnlich wie W.s Gotenbuch - als ein Standardwerk gelten.