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Ausgabe:

März/2001

Spalte:

288 f

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Anzulewicz, Henryk

Titel/Untertitel:

De forma resultante in speculo. Die theologische Relevanz des Bildbegriffs und des Spiegelbildmodells in den Frühwerken des Albertus Magnus. Handschriftliche Überlieferung, literargeschichtliche und textkritische Untersuchungen, Textedition, Übersetzung und Kommentar. Teil I u. II.

Verlag:

Münster: Aschendorff 1999. IX, 356 S. u. VII, 330 S. 8 = Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters, NF 53/1 u. 2. Kart. DM 166,-. ISBN 3-402-04004-2.

Rezensent:

Hans Georg Thümmel

Diese Dissertation steht in Zusammenhang mit der Kölner Albertus-Magnus-Ausgabe. Ihr 1. Teil ist der Herausgabe einer quaestio des Albertus gewidmet. A. beginnt mit einer Biographie Alberts und einem Überblick über dessen Werke, worin der neueste Forschungsstand festgehalten ist. Die quaestio über das Spiegelbild liegt in zwei Fassungen vor, als Exkurs innerhalb des Werkes "De homine" und als selbständiges Werk. A. kann zeigen, dass es sich bei Letzterem um ein nicht von Albertus selbst stammendes Exzerpt handelt. "De homine" ist mit dem Exkurs um 1242 in Paris entstanden.

A. hat eine editio magna der 20 Druckseiten umfassenden quaestio angestrebt (I, 181-200, wobei jeweils über die Hälfte der Seite der Apparat einnimmt). Die riesigen Vorarbeiten besonders in der Beschreibung der Handschriften und in der Aufstellung von Stemmata dürften ihre Bedeutung vor allem für die weitere Werkausgabe und besonders die von "De homine" haben. Dieses Material kann hier nicht vorgeführt werden. Erwähnt sei nur, dass die quaestio (wie andere Schriften Alberts) wohl im 14. Jh. auch ins Hebräische übersetzt worden ist (I, 114-117).

Albertus versucht in "De forma resultante in speculo" mit den Kategorien aristotelischer Ontologie das Wesen des Spiegelbildes zu bestimmen und kommt zu dem Ergebnis, dass es ein Akzidens, genauer eine dispositio in der Substanz des Spiegels ist. Es hat daher auch keine lokale Bewegung, sondern entsteht ständig neu. Es ist auch nicht eigentlich "imago et forma", sondern nur deren "species", hat daher auch keine Ausdehnung etc.

Dem Text ist eine gute Übersetzung beigegeben, der "Kommentar" ist nicht eigentlich ein solcher, sondern eher eine Einordnung in die wissenschaftsgeschichtliche Tradition, bleibt trotz großer Materialfülle formal und ist wenig konkret. Der einzige wirkliche Zusammenhang scheint zu einem anonymen Traktat in der Erfurter Amploniana zu bestehen, der als Vorbild für Albertus in Frage kommt (I, 240 f.). A. verbaut sich auch den Weg zu Einsichten, indem er vor allem auf den Sehvorgang rekurriert, der aber in "De forma r. i. s." kaum eine Rolle spielt, obwohl der Exkurs dem Sehvermögen des Menschen zugeordnet ist.

Angefügt sind dankenswerterweise fünf Texte, die abweichende Textfassungen, Bearbeitungen des Albertus-Textes und auch die quaestio der Amploniana (s. o.) bieten.

Der Versuch von A., Albertus gegen die bisherige Forschung auf Grund dieser quaestio als bedeutenden Optiker und Geometriker herauszustellen, überzeugt nicht. Die geometrischen Aussagen beschränken sich auf die bekannte Gleichheit von Einfallwinkel und Ausfallwinkel bei der Reflexion. Dass Albertus wissenschaftlich Ungeheures geleistet hat, das auch geschichtlich wirksam geworden ist, bleibt unbestritten. Dass sein Unternehmen, mit einem aristotelischen Instrumentar das Wesen des Spiegelbildes zu bestimmen, heute in keiner Weise mehr Geltung beanspruchen kann, dürfte sicher sein. Aber bereits zu seiner Zeit betrieben die von platonischer Grundlage ausgehenden Perspektivisten, die besonders in Oxford beheimatet waren, die Optik geometrisch (vgl. 238-240). Und diese geometrische Behandlung optischer Probleme war gewiss zukunftsweisender als ihre ontologische Einordnung.

Nun soll es aber ja doch um theologische Relevanz gehen. Diese ist weder durch den Zusammenhang noch durch die Aussagen der quaestio gegeben. Hier ist in keiner Weise auf Theologisches Bezug genommen. Die Theologie ist nun spezielles Thema des 2. Teils. Nach allgemeinen einleitenden Kapiteln gibt A. eine lexikalische Auflistung und Beschreibung von 18 einschlägigen Bild-Begriffen im Frühwerk Alberts, darunter der meist im Sinne aristotelischer Metaphysik gebrauchte Begriff "forma". Es soll eine Theologie des Bildbegriffs folgen, was aber gegeben wird, ist eher eine Darstellung der Theologie des Albertus mit gelegentlicher Beziehung auf Bildliches, so auf die "vestigia" Gottes in der Schöpfung, die Arten der Gottesschau, Christus als Bild Gottes, den Menschen als Ebenbild Gottes, den Zeichencharakter der Sakramente und prophetische Traumbilder. Albertus ist in vielfacher Weise von der Tradition abhängig, besonders von Augustin. Spezifisches habe ich nicht entdecken können. So nimmt wohl auch der Begriff des Bildes und des Spiegelbildes in der Theologie Alberts nicht die zentrale und grundlegende Rolle ein, die A. ihm immer wieder zuschreibt. Eine Beziehung zu der quaestio "De forma r. i. s." ist in diesem theologischen Teil nicht zu erkennen.