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Ausgabe:

März/2001

Spalte:

266 f

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Luttikhuizen, Gerard P. [Ed.]:

Titel/Untertitel:

Paradise Interpreted. Representations of Biblical Paradise in Judaism and Christianity.

Verlag:

Leiden-Boston-Köln: Brill 1999. XIII, 218 S. gr.8 = Themes in Biblical Narrative, 2. Lw. hfl. 145,44. ISBN 90-04-11331-2.

Rezensent:

Daria Pezzoli-Olgiati

Das vorliegende Buch bietet eine spannende Auseinandersetzung mit zahlreichen Relektüren und Interpretationen des Paradies-Motivs in der jüdischen und christlichen Religionsgeschichte. Der Sammelband ist grundsätzlich chronologisch aufgebaut.

Die ersten zwei Aufsätze erörtern die gemeinsame Diskussionsgrundlage: Jan N. Bremen (Paradise: from Persia, via Greece, into the Septuagint) vertieft den etymologischen Hintergrund des Begriffes paradeisos in der Septuaginta und problematisiert ihn im Hinblick auf die verbundenen Vorstellungen, durch zahlreiche und zum Teil recht unterschiedliche Kulturen, während Ed Noort (Gan-Eden in the Context of Mythology of the Hebrew Bible) sich auf die biblischen Paradieskonzepte in Genesis 2-3 und Ezechiel 28 konzentriert.

Es folgen Beiträge zu nachbiblischen Konzepten in der frühjüdischen Literatur. Eibert Tigchelaar (Eden and Paradise: The Garden Motif in some early Jewish Texts) setzt sich unter anderem mit 1 Enoch und einigen Fragmenten aus Qumran auseinander. J. T. A. G. M. van Ruiten (Eden and the Temple: The Rewriting of Genesis 2:4-3:24 in the Book of Jubilee) untersucht die wahrscheinlich erste umfassende Relektüre der Paradieserzählung. Florentino GarcÃa MartÃnez (Man and Woman: Halakhah Based upon Eden in the Dead Sea Scrolls) analysiert aus Qumran bekannte Texte (CD 4:20-21 und 4Q265), in welchen Elemente der Paradieserzählung als Begründung von halakot zu Mann und Frau verwendet werden. Dieser Teil des Buches wird abgeschlossenmit einem Beitrag zum Vorkommen des Paradies-Motivs in Rabbinica und Kabbalah: W. J. van Bekkum (Paradise as Paradigm: Good and Evil in Rabbinica and Kabbalah) unterstreicht die dialektische Verwendung des Motivs als Paradigma sowohl für das Gute - das Paradies als ein Ort von Schönheit - als auch für das Böse - das Paradies als Ursprung von Sünde und Tod.

Der Übergang zu Beispielen aus der christlichen Tradition ist durch A. Hilkorsts Aufsatz (A Visit to Paradise: Apokalypse of Paul 45 and its Background) markiert: Diese Vision des im Himmel angesiedelten Paradieses aus der Paulus-Apokalypse wird vor allem im Hinblick auf ihren literarischen Hintergrund untersucht. Der Herausgeber des Sammelbandes, Gerard P. Luttikhuizen, setzt sich mit einer sehr kritischen Interpretation der biblischen Paradieserzählung aus der Gnosis auseinander, die eine starke Polemik gegen andere christliche Konzeptionen erahnen lässt (A Resistant Interpretation of the Paradise Story in the Gnostic Testimony of Truth 45-50). Einen Einblick in die anderen, am meisten verbreiteten Konzeptionen des Paradieses aus dem frühen Christentum bietet der Aufsatz von H. S. Benjamins (Paradisiacal Life: The Story of Paradise in the Early Church).

Die drei letzten Artikel weisen auf weitere Entwicklungen im Rahmen der christlichen Tradition hin. Christoph Auffarth (Paradise Now - but for the Wall Between: Some Remarks on Paradise in the Middle Ages) unterscheidet vier verschiedene Typen von Paradieskonzepten in der westlichen Tradition, während Sander Brouwer (Russian Medieval Concepts of Paradise) die Vorstellungen im slavischen Kontext behandelt. Zuletzt untersucht Helen Wilcox die Neuschreibung der Paradieserzählung durch den englischen Dichter John Milton. Das 1667 verfasste epische Werk Lost Paradise wiederspiegelt eine protestantische, in der Schrift stark verankerte Relektüre des biblischen Paradieses.

Sowohl auf der Zeitachse als auch im Hinblick auf unterschiedliche religiöse Kontexte und Traditionen spannen die vorgestellten Quellentexte einen großen Bogen: von der biblischen Paradieserzählung bis zu Miltons Neuschreibung wird eine Vielfalt von Konzepten und Entwicklungen angeboten. Dennoch wirkt die Sammlung auf keinen Fall zu allgemein. Wer sie liest, bekommt einen Überblick über dieses höchst relevante Thema durch präzis behandelte Textbeispiele. Darüber hinaus zeigen einige religionswissenschaftlich ausgerichtete Beiträge mögliche Ansätze, die unterschiedlichen Paradieskonzepte systematisch einzuordnen und allenfalls zu vergleichen. Die vorgestellten Konzepte des Paradieses heben die Vielfalt an unterschliedlichen Interpretationsverfahren eines gleichen alttestamentlichen Textes hervor: in dieser Hinsicht bietet das vorliegende Buch auch einen wichtigen Beitrag zur Rezeptionsgeschichte. "Paradise Interpreted" liefert einen Einblick in ein noch nicht ausgeschöpftes Forschungsfeld. Wie der Herausgeber selber in seiner Einleitung bemerkt, weisen die Aufsätze auch auf Themen hin, die noch vertieft werden könnten.

Das Buch erweist sich also als gelungene Bestandsaufnahme eines work in progress, das auf die Leser anregend und weiterführend wirkt.