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Ausgabe:

März/2001

Spalte:

262–264

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Hübner, Hans, u. Bernd Jaspert [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Biblische Theologie. Entwürfe der Gegenwart.

Verlag:

Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag 1999. 223 S. 8 = Biblisch-Theologische Studien, 38. Kart. DM 48,-. ISBN 3-7887-1753-X.

Rezensent:

Wilhelm Pratscher

Das Programm der Biblischen Theologie mit dem Versuch, die Zusammengehörigkeit der beiden Testamente aufzuzeigen, erfreut sich in der jüngeren Vergangenheit zu Recht steigender Aufmerksamkeit. Der vorliegende Band will informieren und Mut machen zu dieser sowohl in der hermeneutischen Grundsatzreflexion wie in der materiellen Gestaltung noch recht offenen Arbeit. Er geht zurück auf eine im Februar 1996 in der Evangelischen Akademie Hofgeismar unter der Leitung von Bernd Jaspert veranstalteten Tagung, deren überarbeitete Referate hier vorliegen. Dementsprechend geht es nicht primär (wie der Untertitel zunächst andeuten könnte) um eine Auseinandersetzung mit den neueren Entwürfen, sondern um verschiedenartige und gleichwohl nicht weniger interessante Zugänge zur Thematik.

H. Hübner fragt eingangs "Warum Biblische Theologie?" (9-39) und antwortet nach Reflexionen über das Verhältnis von Schrift und Tradition sowie über Begriff und Wirklichkeit der Offenbarung abschließend: "Insofern nun Biblische Theologie letztlich auf das Ganze der Theologie hinweist und umgekehrt das Ganze der Theologie konstitutiv Biblische Theologie impliziert, ist es eben diese gegenseitige Korrelation, die für theologisches Denken eine Biblische Theologie, wie man sie auch konzipiert, unverzichtbar macht. Unsere Frage war: Warum Biblische Theologie? Unsere Antwort ist: Weil die Theologie ihrer bedarf!" (39).

Der umfangreichste (und vom Untertitel her auch wichtigste) Beitrag ist der von T. Söding, "Entwürfe Biblischer Theologie in der Gegenwart. Eine neutestamentliche Standortbestimmung" (41-103). Nach einer Einführung, in der er zu Recht festhält, dass Biblische Theologie vom Anspruch der Texte her nicht durch eine religionsgeschichtliche Betrachtung ersetzt werden kann, formuliert er im Hauptteil vier Problemfelder (den innerkirchlichen, ökumenischen, jüdisch-christlichen und interkulturellen Dialog). In einer sorgfältigen, gut einführenden und gleichwohl detaillierten Darstellung finden sich hier vielfältige Ausführungen. Zu den (grundlegenden) Arbeiten von B. Childs, P. Stuhlmacher und H. Hübner bietet Söding übersichtliche und Positiva wie Negativa gleichermaßen deutlich herausstellende Informationen. Freilich hätte man sich auch einiges zu den kleineren Entwürfen Biblischer Theologie von G. Kittel und H. Klein gewünscht. Bezüglich der Gesamtbedeutung der Biblischen Theologie formuliert er: "Die große Stärke Biblischer Theologie ist es, den essentiellen Zusammenhang in der Unterschiedlichkeit beider Testamente herauszuarbeiten, das Neue Testament im Lichte des Alten Testaments wie des Frühjudentums zu verstehen und die eschatologische Offenheit des Alten Testaments als jedenfalls eine bedeutende Möglichkeit israelitischer Theologie zu würdigen" (93).

Die folgenden zwei Beiträge benennen grundlegende Angelpunkte Biblischer Theologie. J. Hausmann konzentriert ihre Überlegungen auf das Syntagma "Volk Gottes": ",Ihr sollt mein Volk sein, und ich will euer Gott sein'. Die Rede vom Volk Gottes als biblische Kategorie" (105-123). Sie möchte den Volk-Gottes-Begriff nur auf Israel angewandt wissen: "Wenn überhaupt diese Kategorie auf die Kirche angewandt werden kann, dann allenfalls in einem eschatologischen Kontext als Hoffnungsaussage" (122). Trotz aller Vorsicht gegenüber der Substitutionsthese wird man bei so einer Aussage doch fragen müssen, ob das präsentisch ausgedrückte Selbstverständnis der frühen Kirche damit getroffen ist. Dass hingegen "das Alte Testament von uns Christinnen und Christen auch in seiner ureigenen, nicht neutestamentlich interpretierten Aussage wahrgenommen und akzeptiert werden muß" (123), ist nur zu unterstreichen - stellt aber vielleicht das größte Problem der Rezeption der Schriften Israels in der Kirche dar.

U. Mauser nimmt unter dem Titel "Die Bibel: Das Buch der werdenden Einzigkeit Gottes" (125-142) "einen thematischen Querschnitt durch die Bibel als Ganzheit" vor. Er will dabei "die innerbiblische Dialektik der Exklusivität und der Universalität Gottes" (127) als Leitlinie einer Biblischen Theologie aufzeigen, in der der "Weg zur Vollendung der Schöpfung in der noch vor uns liegenden Rückgewinnung alles Geschaffenen in Gottes Herrschaft" (141) und so letztlich die "werdende ... Einzigkeit Gottes" (142) erkennbar ist. Die Konzentration auf das Gottesverständnis und die Betonung des dynamischen Aspektes scheinen mir sehr fruchtbar zu sein.

Der Blick in Nachbardisziplinen liegt in den letzten beiden Beiträgen vor. B. Jaspert bietet unter der Überschrift "Biblische Theologie und Kirchengeschichte" (143-181) interessante Thesen (wobei er freilich unter "Biblischer Theologie" nicht bloß die Wissenschaftsdisziplin, sondern auch verschiedene Theologien in der Bibel meint) und streicht den Bezug zur Praxis der Kirche kräftig heraus: "Die biblisch theologische Reflexion hat ihren letzten Sinn in der Verkündigung" (179). Der Beitrag ist auch wertvoll wegen seiner geschichtlichen und hermeneutischen Überlegungen.

J. Riches schließlich erörtert das Verhältnis von "Neutestamentliche[r] Theologie und kulturelle[r] Anthropologie" (183-211). Er fragt u. a. "im historischen und kulturell-anthropologischen Kontext nach dem gemeinschaftsbildenden Potential der kanonischen Texte" (206) und zeigt dabei Veränderungen in der kollektiven und individuellen Identitätsfindung in den Texten bzw. in deren Wirkungsgeschichte auf. In Bezug auf die Frage nach der Mitte der Schrift antwortet er: "Gerade die Betonung der notwendigen Pluriformität der biblischen Wirkungsgeschichte bietet einen Ansatzpunkt für eine christliche Theologie des Multikulturalismus" (209 f.). Formulierungen dieser Mitte seien als Linsen zu verstehen, die "uns näher an die Wirklichkeit Gottes heranbringen" (211).

Der mit einem Stellen- und Namenregister ausgestattete Band bietet insgesamt eine gut brauchbare Einführung in Geschichte und Fragestellungen der Biblischen Theologie. Die Auswahl der Themen ist geglückt. Der Band ist trotz der Einzelaufsätze von hoher Homogenität.