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Ausgabe:

März/2001

Spalte:

261 f

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Hanhart, Robert

Titel/Untertitel:

Studien zur Septuaginta und zum hellenistischen Judentum. Hrsg. von R. G. Kratz.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 1999. X, 298 S. gr.8 = Forschungen zum Alten Testament, 24. Lw. DM 198,-. ISBN 3-16-147101-6.

Rezensent:

Christfried Böttrich

Wer immer sich mit der Septuaginta und ihrer Verankerung in der Welt des hellenistischen Judentums befasst, dem sind die Arbeiten R. Hanharts, der lange Jahre (1961-1993) das Septuaginta-Unternehmen der Göttinger Akademie der Wissenschaften geleitet und maßgeblich geprägt hat, wohlvertraut. Der vorliegende Sammelband, von R. G. Kratz zusammengestellt, ermöglicht nun auch den bequemen Zugriff zu den oft weit verstreuten und mitunter schwer erreichbaren Einzelstudien des Autors.

Fünfzehn Aufsätze aus einem Zeitraum von fünfunddreißig Jahren eröffnen ein weites Spektrum. Inhaltlich sind sie vier thematisch gegliederten Komplexen zugeordnet. Unter dem Thema Entstehung und Geschichte der Septuaginta finden sich: "Fragen um die Entstehung der LXX", "Textgeschichtliche Probleme der LXX von ihrer Entstehung bis Origenes" sowie "Ursprünglicher Septuagintatext und lukianische Rezension des 2. Esrabuches im Verhältnis zur Textform der Vetus Latina". Das Wesen der Septuaginta versammelt die Beiträge "Die Bedeutung der Septuaginta für die Definition des ,hellenistischen Judentums'", "Die Übersetzungstechnik der Septuaginta als Interpretation. Daniel 11,29 und die Ägyptenzüge des Antiochus Epiphanes", "Die Septuaginta als Interpretation und Aktualisierung. Jesaja 9:1(8:23)-7(6)" und "Die Übersetzung der Septuaginta im Licht ihr vorgegebener und auf ihr gründender Tradition". Die Wirkung der Septuaginta umfasst "Kriterien geschichtlicher Wahrheit in der Makkabäerzeit. Zur geschichtlichen Bedeutung der danielischen Weltreichlehre", "Zur geistesgeschichtlichen Bestimmung des Judentums", "Der status confessionis Israels in hellenistischer Zeit", "Zur Vorgeschichte von Israels status confessionis in hellenistischer Zeit" und "Die Bedeutung der Septuaginta in neutestamentlicher Zeit". Unter Die Nachwirkung der Septuaginta folgen schließlich "Die Septuaginta als Problem der Textgeschichte, der Forschungsgeschichte und der Theologie", "Jüdische Tradition und christliche Interpretation. Zur Geschichte der Septuagintaforschung in Göttingen" sowie "Paul Anton de Lagarde und seine Kritik an der Theologie". Eine vollständige Bibliographie der Werke R. Hanharts bis 1998 schließt sich als willkommenes Hilfsmittel für den Zugang zu weiteren Arbeiten an.

In der Fachdiskussion haben die Beiträge des Bandes längst ihren unverzichtbaren Platz eingenommen. Dass sie nun erneut zugänglich werden und noch einmal einen weiteren Leserkreis erreichen, kann die Bedeutung der Septuaginta für die theologische Entwicklung des frühen Judentums nur um so nachdrücklicher in das Bewusstsein gerade der neutestamentlichen Exegese rücken. Alle Aufsätze sind in der Form ihrer Erstveröffentlichung belassen worden und dokumentieren darin auch ein Stück jenes Weges, den die Erforschung jüdischer Geschichte und Literatur vor der Zeitenwende seit Beginn der 60er Jahre zurückgelegt hat. Neue Einsichten, die vor allem aus den Textfunden von Qumran sowie einer damit verbundenen intensiven Auseinandersetzung mit den alttestamentlichen Pseudepigraphen resultieren, haben das Bild des frühen Judentums inzwischen deutlich verändert oder erweitert. Ob sich etwa die Bewertung der geistesgeschichtlichen Situation, in der die LXX entstand und deren wesentlicher Ausdruck sie zugleich ist, so ausschließlich mit dem Theologumenon vom Erlöschen der Prophetie vollziehen lässt (z. B. 151-164) oder ob im Judentum seit der Entstehung eines einheitlichen hellenistischen Kulturraumes nicht auch grundlegendere Neuaufbrüche jenseits restaurativer Bemühungen festzustellen sind - darüber gehen die Meinungen heute sicher weiter auseinander. Die frühe Christenheit hat sich nicht nur als eine Bewegung verstanden, mit der eine "Zwischenzeit" endgültig überwunden worden ist und die alten Verheißungen nun zur Erfüllung gekommen sind - sie hat auch in vielfach positiver Weise an das Judentum ihrer Zeit anknüpfen können. Die Arbeiten H.s bieten dabei jedoch stets eine klare, aus sorgfältiger Textanalyse erwachsene Position, die zu fruchtbaren Auseinandersetzungen herausfordert.

H. hat die zeitgeschichtlichen Implikationen der Septuaginta-Übersetzung mit großer Genauigkeit und Detailtreue herausgearbeitet. Für das in jüngster Zeit wieder neu erwachte Interesse an dem eigenständigen theologischen Profil der Septuaginta in seiner ganzen Vielschichtigkeit ist damit eine entscheidende Grundlage geschaffen. Der Band, der durch drei Register (I. Stellen, II. Namen und Begriffe, III. Autoren) hervorragend erschlossen ist, wird aus diesen Diskussionen nicht mehr wegzudenken sein.