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Ausgabe:

März/2001

Spalte:

233–256

Kategorie:

Aufsätze

Autor/Hrsg.:

Murrmann-Kahl, Michael

Titel/Untertitel:

"... wir sind der Herr Überall und Nirgends" (F. Th. Vischer) Historismusdebatten im letzten Jahrzehnt

In Max Webers berühmtem Vortrag "Wissenschaft als Beruf" heißt es bekanntlich: "Die alten vielen Götter, entzaubert und daher in Gestalt unpersönlicher Mächte, entsteigen ihren Gräbern, streben nach Gewalt über unser Leben und beginnen untereinander wieder ihren ewigen Kampf."1 Daran gemahnt die Wiederkehr des schon totgesagten Historismus in der einschlägigen Literatur der neunziger Jahre. Indes beobachtet man diesen Reigen mit gemischten Gefühlen. Angesichts der von Polemiken und schrillen Obertönen begleiteten Debatten wird man von vornherein gegenüber der Empfehlung skeptisch sein, "Historismus" als Leitkategorie der "Geistes- bzw. Kulturwissenschaften" zu wählen. Denn der in vielen Facetten schillernde Historismusbegriff erweist sich als von durch und durch polegomener Natur. Der Streit fängt schon an, wenn man nur die Konnotationen näher zu bestimmen sucht. Daher scheint der Begriff nicht konsensfähig zu sein.

Wenn man Historismus definiert als "eine bestimmte Weise des historischen Denkens und eine ihr entsprechende Konzeption von Geschichtswissenschaft"2, kann man zwei Dinge folgern: Erstens ist der Rekurs auf die neuzeitliche Geschichtswissenschaft unumgänglich, um in den Diskussionen einen festen Grund unter den Füßen zu bekommen. Wir haben es sozusagen mit dem unverzichtbaren Kern zu tun: Kein Historismus ohne Geschichtswissenschaft! Zweitens wird deshalb nicht geleugnet, dass mit "Historismus" ein Phänomen im Blick ist, das weit über die professionalisierte Geschichtswissenschaft hinausgeht. Die interdisziplinären und auch lebensweltlichen Zusammenhänge gehören dazu - dies um so mehr, als die Geschichtswissenschaft seit Ranke jedenfalls die Leitwissenschaft der "Geisteswissenschaften" im 19. Jh. war. Historismus geht offenbar nicht im spezifisch geschichtswissenschaftlichen Historismus auf. Diese Gemengelage macht einen Über- und Durchblick so schwierig.

Damit ist deutlich, welche grundsätzliche Weichenstellung gleich zu Beginn vollzogen wird. Für die Darstellung der hier zu behandelnden Literatur über "Historismus"3 wird der Einsicht
Rechnung getragen, dass zunächst eine Klärung nur so möglich ist, dass man zuerst die Geschichtswissenschaft beobachtet. Was "die" Geschichte ist, das sagen uns die Historiker (1., 2.). Darüber hinaus sind sodann die interdisziplinären Verflechtungen zu betrachten. Die Binnenperspektive der professionalisierten Geschichtswissenschaft ist mit den Historismusdiskursen anderer Disziplinen zu korrelieren (3.-5.). Einige Konsequenzen zum Thema sind abschließend zu ziehen (6.).

1. Zur Ambivalenz

des geschichtswissenschaftlichen Historismus


Eine gewiss moderate und auch für den "Laien" zugängliche Darstellung haben Friedrich Jaeger und Jörn Rüsen - ursprünglich für die Fernuniversität Hagen - verfasst.4 Auch wenn sich die Autoren der Vieldeutigkeit des Begriffs bewusst sind (1.5 ff.), fokussieren sie "Historismus" auf die hermeneutisch geprägte Geschichtswissenschaft (4). Demnach ist grob mit drei Epochen zu rechnen: den Anfängen in der Spätaufklärung des 18. Jh.s, dem 19. als dem eigentlichen "Jahrhundert des Historismus" und schließlich der berüchtigten "Krise des
Historismus" (20. Jh.). (1.7 f.) Dabei ist zu fragen, ob der geschichtswissenschaftliche Historismus letztlich als "Zerstörung der Vernunft" (G. G. Iggers) oder als "historische Aufklärung" (H. Schnädelbach) gelten kann.

Die Autoren gehen so vor, dass sie zunächst die Grundlagen in der Spätaufklärung betrachten (11-20), die Entstehung des Historismus verfolgen (21-40), sodann die "disziplinäre Matrix" (nach Thomas S. Kuhn) des geschichtswissenschaftlichen Historismus skizzieren (41-72) und schließlich die Hauptpositionen von Ranke, Droysen, Ranke-Renaissance des Kaiserreichs bis zum Nationalsozialismus vorstellen (73-112). Daran schließt sich ein instruktives Kapitel über die - in der Perspektive der Geschichtswissenschaft - "Außenseiter" des Historismus wie etwa Kant, Burckhardt, Meinecke (113-140) und schließlich über die "Krise" um 1900 angesichts des Lamprechtstreits und der externen Bemühungen bei Dilthey, Weber und im Neukantianismus (140-160). Die Frage nach den Überwindungsmöglichkeiten des Historismus in Auseinandersetzung mit Marxismus, der französischen "Annales"-Schule und der deutschen "Historischen Sozialwissenschaft" seit 1960 (161-192) beschließt das Buch.

Unter Berücksichtigung der neueren Forschungen (nicht zuletzt Blankes, siehe unter 2.!) widerlegen die Autoren die romantische Legendenbildung von der vermeintlich "unhistorischen" Aufklärung. Vielmehr konstituiert die Spätaufklärung seit etwa 1770 die moderne "Wissenschaftlichkeit im Bereich der historischen Forschung" (15 und ff.), was sich insbesondere am Beispiel der Universität Göttingen belegen lässt. Sowohl der perspektivische und konstruktive Charakter "der" Geschichte als auch ein bestimmter Methodenkanon werden von Historikern wie Gatterer und Schlözer hervorgehoben. Den Übergang zum Frühhistorismus verursacht die traumatische Erfahrung mit der Französischen Revolution und ihrem Tugendterror. Klassische Topoi des aufklärerischen Denkens wie die Fortschrittstheorie, das Naturrecht und der Pragmatismus werden schon von Herder, Burke, Hegel abgelehnt (21 ff.). Insofern verdankt sich die Entstehung des Historismus einem "ganzen Komplex von Krisenerfahrungen" (24), und zwar im europäischen Kontext (80). Die neuen Leitkategorien von Individualität und Entwicklung indizieren das neue Bedürfnis nach Traditionssicherung angesichts des als krisenhaft erfahrenen "Revolutionszeitalters" (Burckhardt) (25 ff.). Insbesondere Rankes antispekulative Wendung zu einem erkenntnistheoretischen Objektivismus und Humboldts Ideenlehre erzeugen das spezifische Amalgam von Forschung (Methoden) und divinatorischer Verknüpfung zur Geschichtsschreibung des "Ganzen" (34 ff.). "Das Geschäft des Geschichtsschreibers in seiner letzten, aber einfachsten Auflösung ist Darstellung des Strebens einer Idee, Daseyn in der Wirklichkeit zu gewinnen." (Humboldt, zitiert 40)

Die disziplinäre Matrix des geschichtswissenschaftlichen Historismus setzt sich aus Methoden (Quellenkritik), Forschungsregeln (Objektivitätsanspruch, Ideenlehre) und historiographischer Darstellung (Bildungsfunktion) zusammen (41-53). In den historischen Seminaren erhält das Wissenschaftsparadigma sein institutionelles Gerüst (67 ff.). Zu Recht halten die Autoren fest, dass diese Wissenschaftskonzeption "aus der Interessenlage der gebildeten bürgerlichen Mittelschichten vor der Entfaltung der kapitalistisch organisierten Industriegesellschaft" (50, Hervorh. M. M.-K.) resultiert. Unter diesem Aspekt leuchteten dann auch die spezifischen Grenzen und Innovationsprobleme des Historismus zwanglos ein, wenn die Autoren ihrer eigenen Einsicht gefolgt wären! Die Bildungsfunktion wird fortschreitend ideologisch besetzt, in Deutschland insbesondere mit einem zunehmend aggressiven Nationalismus/Imperialismus (53). Trotz des objektiven Anspruchs, "forschend zu verstehen" (Droysen) (60 f.), öffnet sich die Geschichtswissenschaft einer bildungspolitischen Instrumentalisierung. So erfindet die protestantisch geprägte, preußisch-kleindeutsche Schule um Droysen, Sybel und Treitschke seit der gescheiterten Revolution 1848/49 den angeblich historischen "Beruf Preußens" zur Reichseinigung (86 ff.). Insbesondere in Treitschkes Bilanz nach 1870 zeichnet sich schon ab, dass "im Gewande historischer Argumentationen nationalistische, antidemokratische und bereits antisemitische Ideologien" transportiert werden (92).

Schon vom Seitenumfang her (95-112) schenken die Autoren der "Historikerzunft" unter dem Nationalsozialismus große Beachtung. Dieser Abschnitt ist insofern von exemplarischer Bedeutung, als er ihre eigene zwiespältige Haltung zum geschichtswissenschaftlichen Historismus demonstriert. Dabei gehen sie von der These aus, dass das Arrangement der meisten Historiker mit dem Nationalsozialismus nur möglich war "unter Aufgabe bzw. Umdeutung zentraler Bestandteile des Historismus als Deutungsrahmen des historischen Wandels" (100). Der Teufel steckt im Detail, hier im "bzw.": Handelt es sich um eine Aufgabe (Verabschiedung) oder (nur) um eine Umdeutung? Die Autoren möchten plausibel machen, dass Historismus und nationalsozialistische Geschichtsideologie sich in einer "Paradigmenkonkurrenz bzw. -konfusion" befunden hätten, zumal das NS-Geschichtsbild "antihistoristisch" ausgerichtet sei (97.100 f.103.111). Aber die Belege, die sie selber etwa bei dem gänzlich unverdächtigen Otto Hintze schon um die Jahrhundertwende beibringen (96 f.), verdeutlichen die "Einbruchstellen" eines ideologisch gewendeten Historismus für biologistische Einfälle der gängigen Lebensphilosophien (so übrigens schon bei Dilthey!). Demnach waren die historistisch ausgerichteten und zu politisch autoritären Lösungen neigenden (96.98) Historiker weit entfernt davon, sich als "resistent" (111) oder gar politisch widerständig (104) gegenüber dem Nationalsozialismus zu erweisen, sondern, wie man aus jüngsten Forschungen weiß, waren sogar die "Väter" der Historischen Sozialwissenschaft Brunner, Conze und Schieder tief im nationalsozialistischen Volksgemeinschaftsdenken verstrickt. Offensichtlich war es eben doch möglich, "daß das historistische Paradigma von gedanklichen Elementen überlagert wird, die einer anderen, naturalistisch und biologistisch argumentierenden Theorietradition entstammen, die bereits zur Vorgeschichte des Nationalsozialismus gehört" (97). Nur: Was heißt "überlagert"? Denn die Autoren gestehen ein: "Die eigene - geschichtstheoretische - Schwäche des Historismus (sc. als Faktenpositivismus) selbst ließ überhaupt erst einen normativ entleerten Raum entstehen, den der Nationalsozialismus intellektuell neu besetzen konnte." (105, Hervorh. M. M.-K.) Demnach scheint es mit der historistischen "Resistenz" nicht gut bestellt zu sein.

Insofern überrascht es nicht, wenn die Autoren in ihrem Schlusskapitel sich nicht dazu durchringen können, dem Historismus endgültig den Abschied zu geben. Natürlich stellt sich die deutsche Geschichtswissenschaft in ihrer nachhistoristischen Phase nicht mehr als eindeutig dar (161). Sicher ist es auch berechtigt, gegenüber den Überwindungsversuchen des Historismus auf mögliche Defizite hinzuweisen (186 ff.). Aber kann angesichts der ideologischen Selbstkorruption des Historismus in Deutschland noch die angemahnte und hochgehaltene "Rationalisierung des historischen Denkens" (192) befolgt werden, wenn man nicht dazu bereit ist, mit dem klassischen Paradigma überhaupt zu brechen?

2. Rettung aus Bielefeld?

In Aufnahme des modifizierten Paradigmamodells (36 ff.) seines Lehrers Jörn Rüsen5 vertritt Horst Walter Blanke in seiner umfang- und detailreichen Dissertation von 1986 die Grundthese, dass die Geschichtswissenschaft der Neuzeit idealtypisch durch die drei Paradigmata von Aufklärungshistorie, klassischem Historismus und Historischer Sozialwissenschaft geprägt sei (60 ff.191.706 ff.). Nach der etwas unglücklichen Gliederung skizziert der kurze erste Hauptteil die Vorüberlegungen der eigenen Konzeption (21-66), die im riesigen zweiten Teil (67-750) anhand der Historiographiegeschichtsschreibung und der fachspezifischen Historik (als der Reflexionsinstanz der Geschichtswissenschaft) durchgeführt werden. Eine solche Disproportionierung hätte wenigstens im Lektorat beseitigt werden müssen. Blankes theoriegeleitete Wissenschaftsgeschichtsschreibung versteht sich inhaltlich als Rehabilitierung des Historikers Eduard Fueter (1876-1928), dessen soziologisch inspirierte Pionierarbeit (494-516) an der Geschlossenheit der damaligen "Zunft" abgeprallt ist und dessen akademische Karriere unter der Zusatzbelastung der politischen Umstände (im Ersten Weltkrieg) verhindert wurde, so dass er wahrhaft das Martyrium "eines durch den Historismus Verfemten" (499) erlitten hat.

Im ersten Unterabschnitt des zweiten Hauptteils wird die eigentliche Formierungsphase der modernen Geschichtswissenschaft bis zur Spätaufklärung verfolgt (82-188) und die disziplinäre Matrix der Aufklärungshistorie skizziert (111-175). Daran schließt sich der klassische deutsche Historismus des 19. Jh.s (189-353) an, wobei wiederum die systematische Rekonstruktion der Matrix (205-299) vorgeführt wird. Drittens ist mit der Selbstreflexion der Geschichtswissenschaft um 1900 die "Krise" des Historismus darzustellen (354-517), insbesondere der Methodenstreit um Karl Lamprecht (393 ff.439-474). Die Untersuchung des problematischen Beharrungsvermögens des historistischen Paradigmas bis 1945 und auch noch nach dem Zweiten Weltkrieg unternimmt der vierte Abschnitt (517-667). Dabei wird auch die Historismusdebatte zwischen den Weltkriegen bei Troeltsch (549-560) und Meinecke (577-589) gewürdigt. Der letzte Teil formuliert schließlich die These von der Überwindung des Historismus durch die Historische Sozialwissenschaft beim Bielefelder Historiker Hans-Ulrich Wehler und seinen Mitstreitern (668-750). Die differenzierten und umfangreichen Darlegungen (mit rekordverdächtigen 2415 Anmerkungen!) zeigen schon, dass es der Autor dem Leser nicht immer leicht macht, ihm in alle Verästelungen hinein zu folgen.

2.1 Im Blick auf die Aufklärungshistorie (111-175) vermag Blanke plausibel zu machen, dass im Unterschied zur Auffassung seines Lehrers Rüsen (133, Anm. 332) die eigentliche Paradigmatisierung der modernen Geschichtswissenschaft ausschließlich in die "Sattelzeit" seit 1770 ff. fällt. Dies gilt um so mehr, als er zusammen mit Dirk Fleischer einen umfangreichen Quellenband ediert hat, so dass er auf eine solide, wenn auch nicht erschöpfende Basis zurückgreifen kann. Als die sieben Merkmale der Aufklärungshistorie werden genannt: die Verarbeitung des gegenüber früher vermehrten empirischen Wissens, Erschließung einer qualitativ neuen geschichtlichen Welt, die Artikulation bürgerlichen Emanzipationsstrebens, fachwissenschaftliche Diskursivität, die Säkularisierung des historischen Denkens und fortschreitende Verwissenschaftlichung, der Aufstieg der Universitäten (namentlich Göttingen und Halle) (117
und ff.).6 An der Konstitution der Aufklärungshistorie waren Historiker (J. J. Maskov, J. Chr. Gatterer, A. L. Schlözer, L. T. Spittler, A. H. L. Heeren) und protestantische Theologen (J. G. Herder, J. M. Chladenius, S. J. Baumgarten, J. L. Mosheim, J. S. Semler, K. F Stäudlin, J. M. Schroeckh) gleichermaßen beteiligt (114 f.)! Wenn man sich die verdienstvolle Bio-Bibliographie der Edition vor Augen führt, dann ist es noch offensichtlicher, wie sehr die moderne Geschichtswissenschaft dem Geist protestantisch geprägter Mentalitäten entstammt.7

An dieser Stelle sei als Exkurs aus sachlichen Gründen auf diese Quellenedition eingegangen, die insgesamt 45 Quellentexte bietet.8 Da es eine zu Droysen analoge Historik der Aufklärungshistorie nicht gibt, muss die disziplinäre Matrix aus den Quellen zuallererst rekonstruiert werden. Blanke/Fleischer gehen dabei so vor, dass sie in einem ersten Abschnitt Texte zur metatheoretischen Reflexion sammeln (Quellen 1-9, S. 141-299; Quelle Nr. 1 ist ein anonymer Entwurf der traditionellen Regeln zur Geschichtsschreibung, von dem man sich in der Aufklärung absetzt!), im zweiten die Ansätze zu einer neuen Synthese (Quellen 10-14, S. 301-363) und im umfangreichen dritten die eigentlichen Elemente der Aufklärungshistorik (Quellen 17-42, S. 369-724) vorstellen. Der Schwerpunkt der edierten Quellen liegt freilich bei dem Göttinger Johann Christoph Gatterer (1727-1799; Quellen 11, 12, 21, 22, 33, 38, 43, 44), dem die ganze Ausgabe auch gewidmet ist.

Die Elemente werden nach Rüsens fünf "Basisfaktoren" der Matrix gegliedert (vgl. 52-68), nach leitenden Erkenntnisinteressen (Quellen Nr. 17-24, z. B. 17: J. S. Semlers "Über den wahren Begriff der Kirchenhistorie" von 1788; Nr. 21: Gatterers "teutscher Livius" von 1768), Theorie/Leitfragen (Nr. 25-31 mit einschlägigen Texten wie Kants "Idee zu einer allgemeinen Geschichte" von 1784, Schillers "Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?" von 1789), Methoden/Forschungsregeln (Nr. 32-35, besonders Gatterer und Semler), historiographische Darstellung (Nr. 36-40: Gatterer, Schlözer) und Daseinsorientierung (Bildungsfunktion) (Nr. 41-44). Grundsätzliches findet sich in der von den Herausgebern verfassten Einleitung (19-102), der noch zwei Beilagen folgen: ein Verzeichnis der Lehrstühle für Geschichte im 18. Jh. (103-123) und eine Dokumentation der Historik als akademischer Praxis (124-132).9 Zur Matrix der Aufklärungshistorie gehören die Einsicht in die Standortgebundenheit des Historikers (Chladenius' "Sehepunct"), die theorieförmigen Hinsichten auf "die" Geschichte unter dem Stichwort des kompositorischen "Plans" (Schlözer), der zentrale Regelkanon der historischen Forschung (Quellenkritik), die Entliterarisierung der Darstellung (im Gegensatz zum traditionell rhetorischen Topos der "historia magistra vitae") und schließlich die funktionale Ausrichtung auf die politische Belehrung (im Gegensatz zur moralischen Bewertung) (68-99). Eine umfangreiche Bibliographie zum Thema von H.-J. Pandel findet sich am Ende der Edition (813-832). Die Editionsleistung wie auch Blankes eigene systematische Rekonstruktion zerstört nachhaltig die historistische Gründungslegende, derzufolge die Aufklärung insgesamt "unhistorisch" gewesen sei und die eigentliche Geschichtswissenschaft erst mit Ranke beginne. Wesentliche Voraussetzungen des geschichtswissenschaftlichen Historismus sind vielmehr bereits in der Spätaufklärung geschaffen. Mit der Erforschung der Aufklärungshistorie werden die Leistungen des 18. Jh.s rehabilitiert, was in ganz analoger Weise auch die Aufgabe der Theologiegeschichte dieser Ära darstellt, zumal die Affinität von Historikern und protestantischen Theologen hier mit Händen zu greifen ist.10

2.2 In der Logizität des von Kuhn beschriebenen Paradigmawechsels liegt es, dass der Übergang von Aufklärungshistorie zum geschichtswissenschaftlichen Historismus weder als einseitiger Fortschritt noch als Bruch beschrieben werden kann,11 sondern allenfalls "dialektisch" als Einheit von Kontinuität und Bruch (255). Die Selbstsicht des Historismus (M. Ritter, von Below, Meinecke) als Antithese zum "unhistorischen Rationalismus" muss korrigiert werden.12 Die Matrix wird in Transformation der Aufklärung durch eine objektivistische Erkenntnistheorie, durch den Rekurs auf "historische Ideen" zur Einheitsstiftung der methodisch gewonnenen Fakten, die Dominanz von Quellenkritik und hermeneutischer Interpretation, die narrative Beschreibung historischer "Individualitäten" (Personen wie Kollektiva) und schließlich durch die Affirmation des bürgerlichen Nationalismus (im Gegensatz zum Kosmopolitismus) neu gestaltet (230-299, hier 255).13

Blanke differenziert dabei einen "objektivistischen" (Ranke, Neorankeaner) vom "subjektivistischen" ("kleindeutsche" Historiker um Droysen) Typus des Historismus, um den Spielraum innerhalb der disziplinären Matrix zu verdeutlichen (213 ff.). Diese Charakterisierung scheint aber in doppelter Hinsicht unglücklich: Einmal ist auch die Geschichtsschreibung Rankes trotz des erhobenen Objektivitätsanspruchs darin "subjektiv", dass sie der eigenen Standpunktbedingtheit so wenig wie Droysen entraten kann. Nur ist die vertretene politische Option verschieden, wenn sich Ranke an der Konkurrenz der europäischen Mächte orientiert (,was die Neorankeaner im Kaiserreich dann imperialistisch reinterpretieren), wogegen sich Droysen an der Nationalstaatsbildung (die Erfindung von "Preußens Beruf", welche Vorreiterrolle bekanntlich im protestantischen Bildungsbürgertum große Resonanz finden sollte!) festmacht (296 f.). Zum anderen teilen gerade auch die "kleindeutschen" Historiker Rankes Objektivitätsanspruch darin, dass sie typisch für das historistische Paradigma an der prinzipiellen Annahme festhalten, ihre für überparteilich ausgegebene Interpretation resultiere "aus dem objektiven Verlauf der Geschichte selbst"14 (264f.). "Dieses Selbstverständnis, sich als erkennender Historiker im Gleichklang mit der Geschichte selber zu befinden, ist Charakteristikum der deutschen Fachhistorie im Historismus ..."15 Insofern sind Rankes Selbstauslöschung des historistischen Erkenntnissubjekts und Droysens Selbsttranszendierung zum "höheren Ich" nur graduell, nicht prinzipiell verschieden. Der Objektivitätsanspruch ist ersichtlich hochgradig ideologieanfällig - um so mehr, als die Bereitschaft der Historiker, ihre leitenden Hinsichten (Humboldts "Ideen") der eigenen Geschichtsschreibung zu explizieren, gering bleibt (269 ff.). Das schlägt sich auch darin nieder, dass Grundlagenreflexion nur en passant betrieben wurde und die einschlägigen Historiographiegeschichten von F. X. Wegele und M. Ritter nicht überzeugend ausgefallen sind (300-353).

Die Ursache der nach der Kaiserreichsgründung einsetzenden "Krise" des Historismus war die Tatsache, "daß die akademische Geschichtsschreibung auf dringende Fragen ihrer Zeit keine plausiblen Antworten (sc. mehr!) zu geben imstande war, ja, sich der Dringlichkeit dieser Fragen offenbar nicht einmal bewusst war" (373). Die "Zunft" reagiert mit der Doppelstrategie, einmal sich nur auf innere Methodenfragen vornehmlich der Quellenkritik zurückzuziehen (Ernst Bernheims "Lehrbuch" von 1889) und die konzeptionellen Fragen auszulagern (namentlich in die Philosophie Diltheys und des Neukantianismus), zum anderen den Innovationsdruck in den Methodenstreitigkeiten abzuschmettern (Schäfer-Gothein- und Lamprecht-Streit) (354-516, hier 389 ff.393 ff.439-474). Die von Blanke gewählte Binnenperspektive der Geschichtswissenschaft hindert ihn daran, den ganz analog verlaufenden Streit (mit seitens der Historiker identischen Kontrahenten!) um die "Weber-Troeltsch-These" (über den Zusammenhang von Protestantismus und Kapitalismus) hinzuzuziehen, bei dem es sich implizit genau um denselben Methodenstreit handelt.16 Insofern gilt nur für die sog. "Wissenschaftslehre" Max Webers, dass die "deutsche Fachhistorie diese Schriften nicht rezipiert" habe (399 ff.), ansonsten war die Wirkung einer anderen als der historistischen Geschichtsauffassung sehr wohl präsent.

Mit dem Abweis der Herausforderung der "Zunft" durch Lamprecht und unter den spezifischen Bedingungen der politischen Entwicklung schließt sich die Fachhistorie endgültig ideologisch ab - über die beiden Weltkriege hinweg bis in die 1960er Jahre. Dies lässt sich am Sonderwegsdenken, der Historismusdebatte zwischen den Weltkriegen und dem Abdriften in völkische Geschichtsschreibung nachweisen (517-667). Die im ersten Weltkrieg auftretende interne Politisierung und Polarisierung der Historiker in "Gemäßigte" (um Hans Delbrück) und Annexionisten (um Georg von Below und Dietrich Schäfer) führen faktisch zum Zerbrechen der "Zunft" (524 ff.). In der Weimarer Republik stehen sich idealtypisch drei Formen der Historiographiegeschichtsschreibung gegenüber: die erkenntnistheoretisch-methodologisch geleitete Troeltschs (558 ff.), die geistesgeschichtliche Meineckes (577 ff.) und die politisch-reaktionäre von Belows (616 ff.) (534). Aber die "Gruppe der konservativen Historiker [bestimmte] weiterhin maßgeblich die Berufungspolitik. Es gelang ihr so, die Universität fast hermetisch gegen alle gesellschaftlichen Ansprüche abzuschirmen und damit zu einem Hort der Reaktion zu machen." (545) Die nun verstärkte Beschäftigung mit Historismus und die positive Umwertung des ursprünglich polemisch gemeinten Begriffs "bildete[n] gewissermaßen die Antwort auf die politische Krise (die als Weltanschauungskrise zugleich die Gültigkeit der traditionellen Wissenschaftskonzeption in Frage stellte). Erst jetzt wurden Weltanschauung und Wissenschaftskonzeption des Historismus zu einem geschlossenen System ausgebaut ..." (557).

Wenn Blanke recht unwirsch die nationalsozialistische Geschichtsschreibung als "zutiefst irrationales Unternehmen" beiseite schiebt (603), so umgeht er damit die spannende und peinliche Frage, inwieweit die Historikerschaft durch ihre Selbstabschottung ideologieanfällig war, zumal er selber als weitgehende Affinitäten die deutschnationale Haltung, Sonderwegsdenken, völkisches Gedankengut, den latenten Antisemitismus nennt (589-619, bes. 591). Tatsächlich wäre ja die Melange aus "stillschweigender Anpassung, bewußter Kollaboration, begeisterter Apologie, aber auch Bereitschaft zur partikularen Kollision" näher zu erforschen (597). Eine eigene nationalsozialistische Historik wurde nicht hervorgebracht, aber die Fachhistorie begnügt sich ihrerseits mit einer Edition der Historik Droysens! (599 f.) Insofern darf man schon bezweifeln, dass die deutsche Geschichtswissenschaft die Jahre von 1933 bis 1945 "relativ unbeschadet" überstanden habe (589, vgl. auch das Schweigen "danach", 639). Das klingt doch nach defensiver Apologetik.

2.3 Auch wenn Blanke für die Gegenwart einen "mehrfach-paradigmatischen Zustand der Geschichtswissenschaft" konstatiert (705), will er plausibel machen, dass sich der interne Innovationsdruck seit der Fischer-Kontroverse Anfang der 1960er Jahre (669 f.) in einem neuen Paradigma niedergeschlagen habe: in der Historischen Sozialwissenschaft (668-750). Demnach wäre die Matrix zu beschreiben in erkenntnistheoretischer Hinsicht als Aufnahme von M. Webers Überlegungen zur "Objektivität" (im Gegensatz zum historistischen Objektivismus), als dezidierte Explikation der leitenden Theoriehinsichten ("Ideen"), Aufnahme von soziologischen und quantitativen Methoden, analytisch-argumentative Darstellung (statt Erzählung) und als Bildungsfunktion unter den Bedingungen einer spätindustriellen (öko- nomieorientierten und strukturdeterminierten) Gesellschaft (706-712). Wie immer man diese Weichenstellung bewerten mag, eines ist nach dem Durchgang durch das umfangreiche Werk sicher: "Blankes Buch ist die bisher informativste und umfassendste Geschichte der deutschen Historiographie."17 Man wird es nur zum eigenen Schaden ignorieren können.

3. Streit ums Interpretationsmonopol

3.1 Die 1989 von Annette Wittkau abgeschlossene Dissertation18 fokussiert komplementär zum bisher Erörterten das Historismusthema vor allem auf die anderen Geistes- oder Kulturwissenschaften außerhalb der Historie. Zwar nennt sie einzelne Vertreter der Geschichtswissenschaft; aber deren Binnenperspektive kommt nur am Rande vor. Das wird durch Gliederung und Schwerpunkte verdeutlicht: der erste Teil widmet sich der Problem- und Begriffsgeschichte (23-55), der zweite breitet die eigentliche Historismusdiskussion in den verschiedenen Disziplinen aus (57-125) und der dritte skizziert einige der Lösungsversuche (127-196). Dabei muss man sich den geschichtswissenschaftlichen Historismus als "Leitwissenschaft" des 19. Jh.s (13) hinzudenken, weil sonst gar nicht einzusehen wäre, wie denn überhaupt die Historismusdebatten in anderen Disziplinen entstanden sein sollten.



Für die Begriffsgeschichte beruft sich Wittkau kurz auf Droysen und Burckhardt (I, 25-44), um dann sogleich die berühmte zweite "Unzeitgemäße Betrachtung" F. Nietzsches von 1874 heranzuziehen (II, 45-55), der diesen Terminus allerdings nicht verwendet hat (und zu dieser Zeit ohnehin eine Außenseiterposition vertrat!). Aber von ihm lässt sie sich offenbar die Frage nach der Lebensdienlichkeit der Historie vorgeben. Sie geht davon aus, dass seit 1880 die "Frage nach dem Verhältnis von Geschichtswissenschaft und Leben" in allen Kulturwissenschaften unter diesem Stichwort diskutiert wird (54 f.59 f). Begriffsgeschichtlich erweist sich allerdings der Terminus "Historismus" von Anfang an als schillernd zwischen positiven (C. Prantl) und negativen (R. Haym gegen Hegel; E. Dühring) Besetzungen (33ff.) Insofern leuchtet auch die Behauptung nicht ein, dass die "typische Vieldeutigkeit und Unschärfe des Historismusbegriffs" erst durch Troeltsch 1922 aufgebracht worden wäre! (151)

Der Schwerpunkt der Erörterungen liegt auf den Methodenstreitigkeiten im letzten Drittel des 19. Jh.s abzüglich des Lamprechtstreits, auf den Wittkau nicht eingeht. So werden nacheinander dargestellt der Historismusstreit in der Nationalökonomie 1883/84 zwischen Schmoller und Menger (III.61-79), Jurisprudenz 1888 zwischen E. I. Bekker und R. Stammler (IV, 80-95), Philosophie (V, 96-101), protestantischen Theologie (VI, 102-107) und noch einmal überblicksweise für die Zeit bis 1914 in allen diesen Disziplinen (VII, 108-125). In dem kurzen Kapitel zur Philosophie wird ausschließlich Wilhelm Diltheys Relativismus, die "Anarchie der Werte", diskutiert, wobei Diltheys lebensphilosophische Wende (Fundierung des Erlebens durch das Leben) fälschlicherweise mit Nietzsches Konzeption der Lebenssteigerung zusammengebracht ist (100).19 Das Theologiekapitel reduziert die Debatte auf Martin Kählers Schrift "Der sogenannte historische Jesus und der geschichtliche, biblische Christus" von 1892, die nur im Kontext der "Leben Jesu"-Forschung zu verstehen ist. Nach Auskunft der Autorin sei Julius Kaftans Abhandlung "Dogmatik und Historismus" von 1904 der "zentrale Text der Historismusdiskussion in der protestantischen Theologie" (!), weil er sich mit dem Phänomen der Historisierung der Theologie überhaupt befasse (117). In all diesen Fällen fungiere "Historismus" als Gegenbegriff zu der ihren Grenzen bewussten Geschichtswissenschaft angesichts der normativen Interessen von Theologie, Ökonomie und Jurisprudenz (119 u. ö.). Interessanterweise fehlt im Abschnitt über die Philosophie der ganze Neukantianismus, der die unmittelbare Voraussetzung für Weber darstellt.

Als Lösungsversuche werden Max Weber (VIII, 131-146) und Ernst Troeltsch (IX, 147-160) vorgestellt, weitere Lösungsvorschläge bis 1932 in der protestantischen Theologie, Philosophie, Historie (O. Hintze), Jurisprudenz, Soziologie, Nationalökonomie kurz aufgeführt (X, 161-164), um dann K. Heussis "Krisis des Historismus" als verfehlten Lösungsversuch zu kritisieren (XI, 185-189). Ein kurzer Abschnitt zu Meineckes "Entstehung des Historismus" (XII, 190-196) schließt das Bändchen ab.

Die eigentliche Lösung des Historismusproblems, zumal des Werterelativismus, erblickt die Autorin bei Weber, der den historistischen Objektivismus kritisiert und an seine Stelle den "bewußte[n] Entschluß zur subjektiven Unterwerfung unter ein bestimmtes Wertkonzept" gestellt habe (146). Demgegenüber ist der Versuch Troeltschs, aus den Wissenschaften (zumal der Geschichte) Werturteile zu begründen, abzulehnen (158 ff.) Glaubt man der Autorin, so würde R. Bultmann als Vertreter der "dialektischen Theologie" der zwanziger Jahre Weber in dessen Trennung von Wissenschaft und Glauben gefolgt sein, wobei sie freilich Bultmanns spezifische existentiale Hermeneutik übersieht, die das Historismusproblem eher unterläuft20 als löst (167 f.). Über die Zeit bis 1932 urteilt die Autorin, dass "Troeltschs Lösungstypus in den Konzeptionen von Max Scheler und Walter Eucken erkennbar ist. Nietzsches ... Lösung des Problems des Wertrelativismus wurde von Martin Heidegger übernommen. Die größte Verbreitung fand die Lösung Max Webers. Jaspers, Kracauer, Bultmann, Hintze, Lask, Kantorowicz, Radbruch und Laum übernahmen ... Webers Lösungsvorschlag." (183) Heussi und Meinecke haben dagegen vor dem Historismusproblem versagt, da ihnen die Begriffsgeschichte und Grundlagenprobleme nicht mehr präsent gewesen seien, und sie deshalb auch willkürliche Neudefinitionen vorgenommen hätten (188ff.). Überflüssig zu erwähnen, dass der Autorin zufolge auch die Geschichtswissenschaft nach 1945 "an den Grundsatzfragen weiterhin vorbeiging" (196). Dieser Überblick zeigt schon, dass, wenn auch vieles genannt und angedeutet ist, das meiste eben auch nur flüchtig behandelt wird. Überdies staunt man über "die fast vollständige Vernachlässigung der nicht-deutschen Literatur. Schließlich waren die Probleme des Historismus Teil einer umfassenden Krise des Bewusstseins in der modernen westlichen Welt."21 Daraus resultieren auch die recht merkwürdigen Urteile, die die Autorin zum Besten gibt.

Im Hinblick auf die Theologie fällt natürlich der Mangel besonders auf: Weder Troeltschs "Ueber historische und dogmatische Methode in der Theologie" (1900) noch seine Absolutheitsschrift (1902) (beides vor Kaftan!) werden genannt, auch Harnack nicht besprochen, von den Debatten der Religionsgeschichtler ganz zu schweigen. Die von Wittkau herangezogenen Schriften kann man gewiss nicht als "repräsentativ" einstufen, sie stehen allenfalls für die konservativ-dogmatische Wahrnehmung des Historismusproblems. Schließlich sind auch sonst eine Fülle von Flüchtigkeitsfehlern zu monieren.22 Im Vergleich zu der umfassenden Editions- und Forschungsarbeit Blankes fällt die Publikation Wittkaus als ein rechtes Leichtgewicht ab. Nur ergänzend bezüglich der Perspektive über die Geschichtswissenschaft hinaus kann sie mit erheblichen sachlichen Vorbehalten genutzt werden. Ein gewichtiges Thema ist verschenkt worden.

3.2 Nicht zuletzt auch deshalb dürfte Wittkaus Doktorvater, der Historiker Otto Gerhard Oexle, in die Diskussion ein- und Blanke scharf angegriffen haben.23 Denn wenn sich die detailreiche und solide Sicht Blankes (und Rüsens) durchsetzt, muss man Oexle Unrecht geben, dessen Bewertungen von Wittkau reproduziert worden sind. Offensichtlich wird um das Interpretationsmonopol des Phänomens Historismus gestritten. Das Thema hier ist "die historische und systematische Erneuerung der Historismus-Debatte in den deutschen Kulturwissenschaften vom Ausgang des 19. bis zum ersten Drittel des 20. Jahrhunderts". Oexle und Wittkau sehen "diese Debatte konzentriert auf das ihnen immer noch als unabgegolten erscheinende Problem des Werterelativismus".24



Die beiden älteren Arbeiten "Geschichtswissenschaft im Zeichen des Historismus" (1984) und "Historismus" (1986) liegen in Oexles gleichnamigen Sammelband25 bequem zugänglich vor (17-40.41-72). Oexle unterscheidet in der älteren Arbeit zwei Konnotationen, den (geschichtswissenschaftlichen) "Historismus II" vom "Historismus I" als "geistig-kultureller Be-wegung" insgesamt (31). Wenn es auch zutreffen sollte, dass Meineckes Identifizierung beider eine Verstellung des Historismusproblems hervorruft (1986 als eine eigene Konnotation aufgeführt!, 42 f.), so ist die Behauptung nicht nachvollziehbar, dass zwischen beiden Konnotationen "keine notwendige und exklusive Beziehung" bestehe (31). Denn wenn der geschichtswissenschaftliche Historismus den anderen Disziplinen nicht als vorbildlich und leitend erschienen wäre, warum sollten sie dann überhaupt ihre je eigenen "historischen Schulen" (der Nationalökonomie, der Jurisprudenz, der Theologie) begründet haben? Wie schon bei Wittkau gezeigt, gibt auch Oexle einen kurzen begriffsgeschichtlichen Abriss (beginnend allerdings mit Novalis, 47-53), springt dann auf Nietzsches Historismuskritik zurück (53-57), um Troeltsch, Hintze und Weber anzuschließen (57-62).

Ersichtlich versucht Oexle den weiten Historismusbegriff Troeltschs im Sinne der "Historisierung unseres ganzen Wissens und Empfindens der geistigen Welt" (zitiert 58) vor dem geschichtswissenschaftlichen Einspruch zu retten. Wenn nämlich "Historismus I" gilt, dann ist Historismus ein Grundmerkmal der Moderne seit dem 18. Jh. und als solches nicht aufhebbar (41.71 f.101 ff.108). Wenn "Historismus II" gilt, dann handelt es sich um ein bestimmtes geschichtswissenschaftliches und zeitlich begrenztes Paradigma, dem womöglich endgültig der Abschied zu geben ist.

Ohne an dieser Stelle entscheiden zu wollen, welche Lesart von "Historismus" einleuchtender ist, soll hier danach gefragt werden, welche Argumente Oexle selber für seine Option vorbringt. Seine These ist - kurz gesagt: die Geschichtswissenschaft sei nach 1945 in die "Meinecke-Falle"(Rüsen) getappt und habe sich deswegen in ihrer Historismus-Kritik verirrt (63-67; 96-136, hier 114 ff.)26. Meinecke habe das Historismusverständnis im Gegensatz zu Troeltsch auf das Individualitätsaxiom verengt und zudem einem deutschen Sonderwegsdenken Vorschub geleistet. Der Historismus der Goethezeit (Möser, Humboldt, Goethe, Ranke) sei eine der "deutschesten Leistungen" des "deutschen Geistes" (zitiert 65.116). Zugleich entfernt sich diese "heroische" Gründungsphase des historistischen Individualitätsgedankens von der bedrängenden Gegenwart ("Beruhigungsphilosophie", denn die Goethezeit hatte noch kein Relativismusproblem!) (65). Gerade wegen dieser Reduktion der Komplexität des Problems und der Neudefinition des Historismus (auf Individualität und Entwicklung) habe die geschichtswissenschaftliche Diskussion ausschließlich an Meinecke angeküpft und die Debatten nach 1918 vergessen (66 f.) In gewisser Hinsicht kehrt Meinecke zu den metaphysisch gehaltenen Anfängen Rankes ("Geschichtsreligion" nach W. Hardtwig) zurück: "Diese Art der Überwindung des Historismus war für Meinecke individuell, subjektiv und letztlich religiös begründet." (120) Die Brisanz ergibt sich aus der anschließenden These: "Die deutschen Historiker sind jedenfalls auch nach 1945 ohne Bedenken der Suggestion Meineckes erlegen und haben sich damit auch des Historismus als eines Grundproblems der Moderne entledigt" (131, vgl. 136).

Mir scheint diese Darstellung Oexles schlicht irreführend zu sein. Zwei Punkte sind zu unterscheiden: Einmal ist nach der Interpretation Meineckes selber zu fragen. Das von Oexle erhobene Historisierungsgebot fällt in seiner Darstellung Meineckes reichlich unhistorisch aus. Meineckes "Entstehung des Historismus" wird 1936 publiziert. Demnach müssen seine Ausführungen auf den nationalsozialistischen Kontext bezogen werden. Warum also betont Meinecke die "deutsche" Leistung des Historismus? Warum akzentuiert er in der Ära der "Volksgemeinschaft" wohl das Individualitätsaxiom? Oexle unterlässt es durchgängig nach dem Subtext der Ausführungen Meineckes zu fragen, der im Übrigen selber heftig seitens der Nationalsozialisten angegriffen wurde. Daher scheint mir die naheliegende Frage von Oexle gar nicht gestellt zu werden: warum greift Meinecke zu einer scheinbar "willkürlichen" Neudefinition von Historismus? Das müsste im zeitgeschichtlichen Kontext differenziert erläutert werden.27

Sodann scheint mir auch der neu kreierte Mythos von der "Meinecke-Falle" der deutschen Geschichtswissenschaft nach 1945 nicht zutreffend zu sein. Denn einerseits war der geschichtswissenschaftliche Historismus seit 1945 gerade nicht "erledigt" - dessen Beharrungsvermögen ist doch das Problem!-, andererseits brach der innere Innovationsdruck der deutschen Geschichtswissenschaft auf einem ganz klassisch politischen Feld aus (nicht auf der Theorieebene), nämlich in der Frage der Darstellung des Kaiserreichs und seiner Kriegsziele (Fischer-Kontroverse, Wehlers Kaiserreichbuch von 1973). Nicht der Außenseiter Meinecke machte der Geschichtswissenschaft Vorgaben, sondern die längst überfälligen Fragen nach dem Zustand der "Zunft" und der Interpretation der jüngsten Vergangenheit lösten die Kritik am bisherigen "modus procedendi" aus. Die Wirkungsgeschichte Meineckes scheint mir jedenfalls weit überschätzt und überdramatisiert zu sein.

Damit ist ausdrücklich noch nicht die Frage Oexles vom Tisch, ob und welche Art Historismus konstitutiver Bestandteil der Moderne ist. Nur scheint mir die von Oexle aufgebaute Alternative zwischen Binnenperspektive der Geschichtswissenschaft im Gegensatz zur allgemeineren kulturwissenschaftlichen Wahrnehmung des Historismus kontraproduktiv zu sein. Genau solche Konstruktionen zeitigen wieder den typisch polemogenen Charakter des Historismusbegriffs. Oexles wissenschaftspolitische Option für eine Neubegründung der Geschichtswissenschaft im Zeichen des Historismus steht überflüssigerweise in Opposition zur Geschichtswissenschaft (bzw. zu einer dominanten Strömung in ihr) selber. Dabei befinden sich geschichtswissenschaftlicher und allgemeiner Historismus doch in einer Wechselbeziehung. Das wird noch offensichtlicher, wenn man Oexles (und Wittkaus) Plädoyer für eine Lösung im Sinne Max Webers mit der Weber-Renaissance gerade im Kontext der Historischen Sozialwissenschaft (Wehler, Kocka) betrachtet.

3.3 Auch dem wohlwollenden Betrachter wird die weitergeführte Historismusdebatte der neunziger Jahre als verwirrend erscheinen. Das hängt nur zum Teil mit der tatsächlichen (historisch konstatierbaren und rekonstruierbaren) Komplexität "des" Historismus zusammen. Oder müsste man nicht besser von "Historismen" sprechen, zumal sich dieser Begriff hartnäckig nicht dingfest machen lässt?

In dem Sammelband "Historismus in den Kulturwissenschaften" versucht man die 1993 in Essen geführte Diskussion unter fünf Teilen in den Griff zu bekommen: Orientierung (G. G. Iggers, W. Bialas), Entstehung (P. H. Reill, H. W. Blanke, G. Walther), gegenwärtige Kontroversen (J. Rüsen, O. G. Oexle, U. Muhlack, E. Flaig, W. Küttler, J. Telman), internationale Dimensionen (P. Schiera, G. Cacciatore zu Italien; F. Jaeger zu den USA; Z. Norkus zu Rußland) und ein Ausblick (F. R. Ankersmit). Faktisch dreht sich der Hauptstreit um den geschichtswissenschaftlichen Historismus und die Bewertung der Aufklärungshistorie (So schon Iggers, 7-27, hier 17 ff.).

Die zahlreichen Ambivalenzen lassen sich am Beitrag von Ulrich Muhlack exemplarisch verdeutlichen (201-219). In einem ersten Schritt weist er zu Recht darauf hin, dass die von Historikern und Philosophen gebildeten Abstrakta wie "Aufklärungshistorie" und "Historismus" idealtypischen Charakters sind und nicht unmittelbar in die jeweilige Epoche zurückprojiziert werden dürfen (201-208). Zweitens begrüßt er die von Oexle und Wittkau vorgetragene Kritik an der Engführung des Phänomens auf die deutsche Geschichtswissenschaft und die Erneuerung des Relativismusproblems (209-212). In einem dritten Schritt unternimmt er es aber dann, gerade die tragende Säule - Oexles Meinecke-Kritik - zu widerlegen! (212-219) Er führt den Nachweis, dass und wie sehr Meinecke zunächst einmal den Weichenstellungen Troeltschs gefolgt ist (!), so dass von einer "Neudefinition" eigentlich keine Rede sein kann (212-215). Sodann hält er Meinecke ausdrücklich das zu Gute, was Oexle verworfen hatte, dass der transformierte Historismusbegriff überhaupt erst ein erforschbares "in sich konsistentes System methodischer Regeln" konstituierte (218). "Troeltsch und nach ihm Meinecke sind in diesem Sinne geradezu Gründer des Historismus ... Der neue Historismus-Begriff erlaubt erstmals, die Gesamtheit der Kulturwissenschaften in einer bestimmten Epoche zusammenzusehen ..." (218, Hervorh. M. M.-K.). Angesichts dieser emphatischen Zustimmung zu Troeltsch und Meinecke ist es schwer nachzuvollziehen, wie Muhlack dennoch Oexles Kritik an der "Meinecke-Falle" zustimmen kann. Es scheint symptomatisch für die Historismusdebatten zu sein, dass sich bisweilen kaum klären lässt, worum es überhaupt geht. (Das wird im internationalen Maßstab potenziert, weil zunächst nur die italienischen Diskussionen ein verwandtes Historismusverständnis aufweisen, vgl. 309-339, im Unterschied etwa zu den USA.)

Jörn Rüsen verteidigt noch einmal seinen Zugang zur Historismusthematik über die Konzeptionalisierung mit Kuhns Wissenschaftsparadigma gegen die vorgetragene Kritik (119-137). Die Aufnahme eines modifizierten Verständnisses von "disziplinärer Matrix" für die Geschichtswissenschaft zeigt mit der expliziten Theorieförmigkeit den offenkundig nachhistoristischen Zugang Rüsens zum Historismusproblem (131 ff.). Zustimmend registriert Rüsen die Gefahr einer einseitigen Fixierung auf die deutsche Geschichtswissenschaft (135). Aber Oexles eigener Historismusbegriff scheint ihm dann doch selbst zu unspezifisch zu sein: eine "metahistorische Größe ..., die das gesamte historische Denken der Moderne abdeckt und keine Differenzierungen in Form größerer Perioden" (136) mehr zulässt. Rüsen interpretiert die Historismusdebatten des 20. Jh.s als Indiz dafür, "daß sich das paradigmatisch vorgegebene Erkenntniskonzept der Kulturwissenschaften des 19. Jahrhunderts durch einen zunehmenden Verlust an Erfahrungsbezug auszeichnet" (136). G. G. Iggers urteilt hier mit W. Hardtwig schärfer, dass nämlich die historistische Bildungsreligion "ihren Anspruch auf eine gesamtgesellschaftlich schlüssige und akzeptable Deutung der sozialen und politischen Wirklichkeit immer weniger einlösen" konnte, "weil sie sich dem immer rascheren ... gesellschaftlichen und politischen Wandel im Übergang von der liberalen bürgerlichen Gesellschaft zur industriellen Klassengesellschaft konfrontiert sah" (Hardtwig, zitiert bei Iggers, 12). Das impliziert weitergehend möglicherweise auch, dass heute erst recht die Abnehmer von Historismusdebatten abhanden gekommen sein könnten.

Breit diskutiert wird noch einmal die Bedeutung der Aufklärungshistorie. H. W. Blanke verteidigt seine Sicht der Einheit von Kontinuität und Bruch im Übergang zum Historismus (69-97). Hier zeigen sich Differenzen zu vor allem im angelsächsischen Sprachraum beheimateten Sichtweisen, etwa bei P. H. Reill (der die Kontinuität zwischen Aufklärung und Historismus betont) und J. Telman (45-68.289-305). Telman28 würdigt die Hauptleistung der ersten drei Bände der Reihe "Fundamenta Historica", "daß sie auf einer Neubeurteilung der Beziehung zwischen Aufklärungshistorie und Historismus besteht" (295, vgl. 298), will aber das Eigenrecht der Aufklärungshistorie noch stärker zum Zuge gebracht wissen (nicht nur als "Vorgeschichte" des Historismus). Auch ist die bisherige Forschung auf die Göttinger Schule begrenzt, mithin noch keine hinreichende Basis zu einer Würdigung der Aufklärung gewonnen (299).

Der von Gunter Scholtz herausgegebene Band (über ein Symposion 1994, eine in etwa parallele Veranstaltung zu derjenigen in Essen) versucht noch einmal eine Standortbestimmung und Selbstvergewisserung des Historismusthemas am Ende des 20. Jh.s zu geben. Je drei Beiträge befassen sich mit dem "New Historicism" in den USA (B. Thomas, O. Arnold, H. C. Seeba, 13-54) und dem italienischen "Storicismo" (F. Tessitore, G. Cantillo, G. Cacciatore, 55-101). Zum deutschen Historismus nehmen Stellung G. G. Iggers (Überblick des gegenwärtigen Stands, 102-126), L. A. Scaff (zur Nationalökonomie, 127-145), K. Acham zum Thema Multikulturalismus und Kommunitarismus (155-173), H. Lübbe (146-154), V. Steenblock (174-191) und G. Scholtz (192-214) aus philosophischer Perspektive (zum letzteren s. Abschnitt 4!).

Für Italien ist das große Vorbild natürlich die Philosophie Benedetto Croces, dessen Stellungnahme etwa gegen Meinecke sich der eigenen, von Hegel inspirierten Position verdankt. Gerade in Abgrenzung von diesem "absoluten" Historismus konstituiert sich der "existentielle" des Philosophen Pietro Piovani, der hier deutschen Lesern erstmals vorgestellt wird (Tessitore und Cantillo, 55 ff.68 ff.). In den USA dagegen muss im Hinblick auf den Historismus unterschieden werden: Zu Beginn des 20. Jh.s entfaltet der in Deutschland verfemte Karl Lamprecht gerade an der Columbia University ("New History") eine eindrucksvolle Wirkungsgeschichte (H. C. Seeba, 40-54, hier 45 ff.). "Es gehört zu den wissenschaftsgeschichtlichen Pointen, daß die vergleichende Kulturgeschichte, wie sie Karl Lamprecht im Gegensatz zur in Deutschland vorherrschenden nationalistischen Historiographie durchzusetzen versuchte, in Deutschland viel weniger Anklang fand als vor allem in Amerika ..." (47). Von Lamprecht beeinflusst oder direkte Schüler waren J. H. Robinson, W. E. Dodd, Aby Warburg (48 ff.). Dagegen ist der sogenannte "New Historicism" der achtziger Jahre eine klare Reaktionsbildung auf den "New Criticism" innerhalb der Literaturwissenschaft von 1950 bis 1970 und hat also zunächst nichts mit den europäischen Debatten zu tun. Der Begriff bedeutet "nichts anderes als eine Rückkehr zur historischen Analyse in der Literaturwissenschaft" (Thomas, 14; vgl.
Arnold, 24), wie sie vor allem von Stephen Greenblatt und Louis Montrose inszeniert worden ist. Der New Historicism kennt eine Analogie zum traditionellen hermeneutischen Zirkel, geht aber darin über das Bekannte hinaus, dass er die Phänomene der Differenz und Alterität nicht nur in vergangene Epochen, sondern vor allem in die eigene Kultur selbst hineinverlegt. Innerhalb einer Kultur gebe es keinen Wert und keine Idee, die von der gesamten Bevölkerung akzeptiert würde (Arnold, 25). Demnach wandert der Kulturenrelativismus in die je eigene Kultur ein (durchbuchstabiert insbesondere an der Renaissancekultur im England Elisabeths I., vgl. Arnold, 29 ff.).

Die Faszination des Labels "Historismus" im vergangenen Jahrzehnt hängt nicht zuletzt mit den damaligen Postmodernedebatten zusammen, die selber inzwischen wieder leicht antiquiert wirken. Der folgende Abschnitt zur philosophischen Wahrnehmung und Verteidigung der "Legitimität des Historismus" (Steenblock) wird diesen Zusammenhang deutlich machen. Zunächst aber müssen drei resümierende Punkte festgehalten werden. Erstens ist es immer wieder eine recht begrenzte Autorenzahl, die sich mit diesem Thema beschäftigt. Die Debatten haben nicht mehr die Spannbreite wie in der Zeit um 1900. Zweitens fällt auf, dass im Konzert der Historiker die deutlichste Analogie fehlt, obwohl sie bei der Formierung der Historischen Sozialwissenschaft regelmäßig genannt wird: die französische Historie. Um 1900 waren die Ausgangslage und der Problemdruck in Deutschland und Frankreich vergleichbar; aber nur die französischen Philosophen und Historiker haben die Herausforderung konstruktiv angenommen und in der "Annales"-Schule eine alternative Geschichtsschreibung etabliert und institutionalisiert. Warum ist dort gelungen, was in Deutschland bis 1970 blockiert war? Drittens beteiligen sich nicht (mehr) die Soziologen und protestantischen Theologen an der Debatte. Dabei wäre die Auseinandersetzung mit der beanspruchten "Überwindung" des Historismus am Beispiel von Günter Dux' rekonstruktiver "Geistesgeschichte" (als Weiterentwicklung der Wissenssoziologie) oder Niklas Luhmanns Systemtheorie (und seinem eigenständigen Projekt von "Gesellschaftsstruktur und Semantik") dringend erforderlich.29

4. Zur philosophischen Wahrnehmung des Historismus

4.1 Hermann Lübbe30 erneuert seine bekannte Komplementaritätsthese: angesichts der beschleunigten Modernisierung und des Auseinandertretens der Zeithorizonte ("Gegenwartsschrumpfung", 150) bedarf es der historischen Vergewisserung und Identitätssicherung. Für den kulturellen Historismus sprechen erstens die "Dauerblüte" der Geschichtswissenschaft, zweitens das expandierende Museumswesen, drittens der moderne Denkmalschutz, viertens die kulturhistorischen Aktivitäten außerhalb der Universität (146 ff.). Diese "Leistungen des historischen Bewußtseins sind Leistungen zur Kompensation eines
änderungstempobedingten kulturellen Vertrautheitsschwundes." (152) Da aber die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen immer unüberschaubarer und dichter wird, tritt eine Überforderung des historischen Sinnes ein, der vom Publikum mit einer Verweigerungshaltung quittiert wird. "Postmoderne Kultur ist Kultur in Reaktion auf die Überforderung durch die Moderne und ihre historistischen Herausforderungen." (154) Während Historismus ein Konstitutivum der Moderne ist, gehört zur postmodernen Kultur auch die "überforderungsbedingte Weigerung ..., die eigene Positionalität in der zivilisatorischen Evolution historisch zu indizieren" (154).

Freilich beweisen Denkmäler und Museen nicht die Herrschaft der Geschichte über die Gegenwart. Angesichts der Umstellung der Subsysteme der Gesellschaft auf zukünftige Erwartungen könnte man Lübbes Aufstellungen auch gegen ihre Intention lesen. Wenn für das überforderte, postmoderne Publikum ohne ausreichende Kennerschaft die ausgestellten Relikte "die Qualität des Kuriosen" (wieder) annehmen (153), dann scheint sich ein anderer Trend abzuzeichnen. An die Stelle der Allmacht des Vergangenen tritt deren Vergegenwärtigung durch Exotisierung. Die Sammlungsanstrengung widerlegt nicht die faktische Ohnmacht vergangener Relikte. So wie man früher die Ferne (fremde Völker, andere Räume) exotisch verklärt hat, widerfährt dies heute der Vergangenheit (besonders dem Mittelalter!). Kurz: Die von Lübbe angeführten Belege beweisen nur, dass "die" Geschichte an Experten, Behörden und Freizeitaktivitäten delegiert wird, weil sich die Funktionssysteme von ihr entlasten.

4.2 Am weitesten hat sich in der gegenwärtigen Affirmation des Historismus im Kontext von Postmoderne und Pluralismus Volker Steenblock31 hervorgewagt (110 f.152 ff.). Der transformierte Historismus bzw. die historistische Aufklärung ist ihm zufolge definitiv unverzichtbar. Dabei muss Steenblock freilich all das negieren, was zum Grundbestand des Historismus gehört, nämlich "seine geschichtsphilosophischen Wurzeln, seine häufig überzogene Frontstellung gegen die Natur ... und die Ontologisierung des methodischen Prinzips der Individuation zum Konzept eines ,ineffablen' Individualkerns"32 (106 ff.). So resümiert er selbst die Ergebnisse seiner 1991 publizierten Dissertation. Das evoziert allerdings den Verdacht, dass ein solcher entkernter Historismus gar kein "Historismus" mehr ist.

Steenblock gibt nach einer kurzen Vorstellung des eigenen Ansatzes (9-17) eine Typologie des (klassischen und der Krise des) Historismus (19-49), stellt als heute relevante, weil selbst schon transformierte Positionen U. Muhlack (52 ff.), J. Rüsen (61 ff.), H. Lübbe (69 ff.) und H. Schnädelbach (77 ff.) dar (51-82), versucht seine Reformulierung des Historismus auszuführen (83-163) und fasst schließlich den Ertrag seiner Studie zusammen (165-183). Die eigentliche Frontstellung wird gegenüber einem Vernunftverständnis aufgebaut, das auf Letztbegründungen zielt. Ihm gegenüber läuft die intendierte "historische Kritik der Vernunft" (109) auf die Aufhebung der durch solche Geltungsansprüche evozierten Aporiefixierungen hinaus.

Näherhin werden vier "Pointen" genannt: das historische Nichtnaivitätsaxiom, das Immanenzgebot, die "Invasion" objektwissenschaftlicher Theorieelemente in die Metaebene der Erkenntnis und die Anerkennung einer nichtaporetischen Plu-
ralität der Orientierungssysteme (109 ff.). Das Nichtnaivitätsaxiom bezeichnet die historische Bedingtheit aller Normen, woraus die "Anti-Universalisierungstendenz" folge (111-116). Das Immanenzprinzip weist jeglichen Dualismus von Wissenschaft/Ethik und Geschichte ab, weil es keine Instanz mehr gebe, die jenseits der Geschichte angesiedelt werden könnte. Der Historismus wendet sich gegen jede autonom prozedierende Logik (116-124). Die (transzendentale) "Begründungsphilosophie" wird im Stadium einer Karikatur zur leichten Beute des vermeintlich überlegenen Historismus (125-151). Schließlich verdanke sich das historistische Relativismusproblem nur der Aporiefixierung der "Begründungstheoretiker" (151-163). "Wir haben immer schon Standpunkte, sind geprägt von Traditionen und Denkhorizonten, beeindruckt von Zuständen und Ereignissen. Das menschliche Selbst- und Weltverhältnis vollzieht sich nicht in einer schlechthinnigen, mit einem abstrakten Wertekosmos oder allgemeinen Logiken kommunizierenden Reflexion, sondern es ist historisch-kulturell und sprachlich vermittelt." (162) Ergo: "Historismus ist vor allem nichts zu Überwindendes und schon gar nicht Überwundenes." (182)

Man muss schon über einen solchen gleichsam umgekehrten, "historistischen Dogmatismus" (wenn das nicht ein Selbstwiderspruch wäre) staunen. Äußerst bedenklich scheint die Art der Selbstinszenierung Steenblocks, in der die entgegenstehenden Überlegungen nur als Karikatur (150 f.162) verhandelt und Belegstellen der eigenen Position zu Florilegien aufgebläht (85-103.126-149.169-174) werden. Auch die rasche Abfertigung der Geschichtswissenschaft selber unterstreicht den Eindruck, dieser frei schwebende Historismus möchte sich möglichst auf nichts festlegen lassen. Die berechtigte Frage nach dem Stellenwert einer historistischen Aufklärung wird dergestalt selbst zu Tode geritten.

4.3 Neben begriffsgeschichtlichen und historischen Untersuchungen zu den Geisteswissenschaften allgemein (17-35.36-54) verdienen die Ausführungen von Gunter Scholtz33 zu den Überwindungsversuchen des Historismus Beachtung (130-157). Die Gegenmaßnahmen gegen den Historismus-Relativismus werden von Scholtz typologisch geordnet in die Suche nach dem Festen im historischen Fluss (dem "Sein") und nach einer Ordnung (Einheit). Für den ersten Typ steht die Wende zur Philosophischen Anthropologie zu Beginn des 20. Jh.s bei Scheler, Plessner und Heideggers "Sein und Zeit" (135-144). Allerdings kehrt der faktische Wertepluralismus in der Geschichte auf die eine oder andere Weise wieder, wenn er nicht verdrängt wird (143). Beim zweiten Typus wird angesichts des Datenpositivismus eine systematische Einheit erstrebt, in dem das Wesen oder die Struktur des Bereichs (der Kunst, Sprache, Religion) als konstant gesetzt wird. Die repräsentative philosophische Leistung dafür ist Ernst Cassirers "Philosophie der symbolischen Formen" (144-149). Aber auch die Suche nach der Einheit endet im Pluralismus der Einheitsmodelle (149). Die Geisteswissenschaften reagieren demnach mit zwei kontradiktorischen Strategien: Entweder sie "liefern einen Normenpluralismus [sc. i. e. Historismus] oder einen normenlosen Monismus" (150), also entweder Religionsgeschichte oder generelle Religionssoziologie, entweder Kunstgeschichte oder Kunstsoziologie.

Diese Situation, dass die Geisteswissenschaften eine Fülle an historischem Wissen, aber keine Normen zu geben vermögen (154), interpretiert Scholtz dennoch entkrampft: Der Pluralismus sei einmal angesichts der Endlichkeit des Menschen
erträglich, zum anderen gegen Uniformitätsdruck und Fanatismus durchaus wünschenswert. Ein solcher Pluralismus beruht freilich in Wahrheit auf einer ethischen, nicht historischen Option: Pluralismus, Freiheit soll sein, und dem liegt das "Prinzip der Anerkennung der Freiheit der anderen" zu Grunde (157, Hervorh. M. M.-K.): Dies vor allem sei ins Stammbuch der Historismustheoretiker geschrieben!

Eine analoge Überlegung wird für die Wissenschaftsgeschichtsschreibung (der Naturwissenschaften) an den Beispielen von Thomas Kuhn, Kurt Hübner und Yehuda Elkana entfaltet (158-200). Der Einbruch des Historismus in die Naturwissenschaften demontiert das Selbstbild einer einfachen Fortschrittsgeschichte und ruft als Widersacher K. Popper, J. Mittelstraß und H. M. Baumgartner hervor (173 ff.). Die historistische Wissenschaftsphilosophie nähert zwar die Naturwissenschaften wieder an die anderen Kulturbereiche an (187), wirft aber selber interne Aporien auf. Aporien insoweit, als ihrer eigenen Option eine nichthistoristische (nichtrelative) Entscheidung vorausliegt (188 ff.). Erstens: "Alles Wissen wird vom kognitiven Historismus für vergänglich erklärt - aber sein eigenes Wissen behauptet er als zeitlos gültig." (188) Zweitens: Er betont die Kontextabhängigkeit alles Wissens, nimmt sich aber selber davon aus (189). Drittens: Trotz der historischen Bedingtheit alles Wissens behauptet er selbst, "wahrer" zu sein als die bisherigen Wissenschaftstheorien (190). So kann die historistische Wissenschaftstheorie allenfalls vom versteckten Dogmatismus (Wahrheitsanspruch) der Naturwissenschaften gegenüber allem anderen Wissen (Kunst, Religion) befreien, ohne doch selber wirklich auf festem Grund zu stehen (oder wie im Falle Steenblocks einen Art Gegendogmatismus hervorzurufen) (197 ff.). Denn der Historismus kann seine eigene Option nicht begründen, sondern verfängt sich entweder im Zirkulären oder erschleicht sich seine Position. Von daher wird man den Ansprüchen der Historismusapologeten (Oexle, Wittkau, Steenblock) nicht so ohne weiteres stattgeben. Das Selbstreferenzproblem "der" Geschichte muss offenbar noch einmal anders als bisher verhandelt werden (dazu Abschnitt 6).

5. Religionsaffiner Historismus und historistische Theologie

So, wie die Erforschung der Aufklärungshistorie und des Historismus deutlich macht, dass die moderne Geschichte in erdrückendem Übermaß eine Angelegenheit protestantischer Mentalitäten war und viele verschwiegene metaphysische (idealistische) Voraussetzungen mit sich führte,34 überrascht umgekehrt auch die Affinität der modernen Theologie um 1900 zum Historismus nicht. Entsprechend fällt der theologische Beitrag denn auch, rückwärts gewandt, vor allem als Klassikerexegese aus (Harnack, Troeltsch35).

Adolf von Harnacks neuediertes "Wesen des Christentums"36 kombiniert, kurz gesagt, den klassischen Objektivismus Rankescher Prägung (64) mit der Annahme anthropologischer Konstanten (57.158), wie sie namentlich Burckhardt und Dilthey als metaphysische Residualbildung in die Geschichtstheorie eingeführt haben. Zwar ist sich Harnack dessen durchaus bewusst, dass die (Geschichts-)Wissenschaft nicht (mehr) zur unmittelbaren Sinnstiftung taugt (64, 261 f.). Dennoch folgt seine historisch angelegte Wesensschau der seit Humboldt und Ranke einschlägigen historistischen Ideenlehre (56). "Für den Historiker, der das Wertvolle und Bleibende festzustellen hat - und das ist seine höchste Aufgabe - ergibt sich aus diesen Verhältnissen die notwendige Forderung, ... das Wesentliche zu ermitteln." (61) Das von Harnack immer wieder beschworene Modell von Kern ("Kern der Sache") und Schale (60.62.90) lebt von der Überzeugung, man könne objektiv das Substantielle von bloß zufälligen historischen Einkleidungen unterscheiden. Das Evangelium "enthält immer Gültiges in geschichtlich wechselnden Formen", und durch die Übersicht über die gesamte Christentumsgeschichte ("vollständige Induktion", 60) lässt sich der "Maßstab für das Wesentliche und wahrhaft Wertvolle" gewinnen (61). Harnack argumentiert hinsichtlich der Christentumsgeschichte exakt analog zur historistischen Politikgeschichte. Allerdings wirft das die entsprechenden Probleme auf; bei einer durchgängigen Historisierung fiele das Kern-Schale-Modell in sich zusammen. "Harnack wollte ein Historiker sein, der das Unwesentliche vom Immergültigen zu scheiden hatte. Er machte von dem Begriff des ,Wesens' einen gar zu unbefangenen Gebrauch und endete mit einer Theologisierung der historischen Forschung, die ,bewies', was Harnack für das theologisch Erwünschte hielt ... In der wirklichen Geschichte ist alles Kern und ist alles Schale."37

In seiner Einleitung zur Neuedition (7-35) geht Trutz Rendtorff auf den biographischen Kontext (13-16), die Vorgeschichte, den Apostolikumsstreit von 1892, (17-20; der 18, Anm. 36 von Julius Kaftan genannte Aufsatz muss sich in Chr W 3, 1889, befinden, nicht "1898"!) ein, um dann einen kurzen inhaltlichen Überblick über die Vorlesungen zu geben (20-26) und auf unerledigte Fragen hinzuweisen (26-28). Ein kurzer Abschnitt zur kritischen Wirkungsgeschichte (30 ff.) schließt ab. (Eine Seitenkonkordanz der verschiedenen Editionen findet sich 266 ff.) Der Herausgeber betont: "Die strenge historische Betrachtungsweise ... sollte der Einheit und der Verständigung in einer höchst strittigen kirchlich-theologischen und ... politisch-kulturellen Lage dienen. Dem gleichsam universalistischen Anspruch der historischen Methode wird eine pazifizierende Rolle zugeschrieben." (33 f., vgl. 21) Nun ist ersichtlich dieser Anspruch nicht eingelöst worden, sondern hat im Gegenteil eine Fülle von Gegenpositionen und Gegenschriften evoziert. Nichtprotestantische Beobachter Harnacks (wie A. Loisy, L. Baeck) haben erkannt, dass "das" Wesen des Christentums bis in die Wolle protestantisch gefärbt ist. Offensichtlich vermag das historistische Paradigma nicht zu befriedigen, sondern führt über die mit ihm verbundenen Exklusionen zum Streit. Die "Objektivität" und Allgemeinheit deckt in Wahrheit nur eine partikularistische Position. Im Gegensatz zu Troeltsch war Harnack nicht der Meinung, seine Wesensbestimmung sei Wesensgestaltung (vgl. Harnacks Vorwort von 1903, 45 f.).

In nuce lässt sich dieser Objektivitätsstreit an dem Vorwurf durchbuchstabieren, Harnacks Darstellung in den Vorlesungen hätte einem virulenten Antisemitismus Vorschub geleistet.38 Nun ist dieser Vorwurf insofern unberechtigt, als Harnack wie
derholt sich gerade gegen eine solche Propaganda (zum Beispiel A. Stoeckers) ausgesprochen hat. In der Tat aber bildet die von Harnack gegebene Schilderung der Pharisäer zur Zeit Jesu die dunkle Folie, vor der das reine Evangelium in hellem Licht erstrahlt. So kann Harnack pointiert formulieren: Die offiziellen Führer sahen Gott "nur in seinem Gesetze, das sie zu einem Labyrinth von Schluchten, Irrwegen und heimlichen Ausgängen gemacht hatten, er [sc. Jesus] sah und fühlte ihn überall. Sie besaßen tausend Gebote von ihm ...; er hatte nur ein Gebot von ihm und darum kannte er ihn. Sie hatten aus der Religion ein irdisches Gewerbe gemacht - es gab nichts Abscheulicheres ..." (87, vgl. 82.84 f.101 f.116 f.126: "Die Priester und die Pharisäer hielten das Volk in Banden und mordeten ihm die Seele.") Auch wenn die Dependenzforschung nachzuweisen vermag, dass Harnack hier die (Vor-) Urteile J. Wellhausens reproduziert,39 bleiben sie nicht weniger bedenklich: ohne Grund wird Harnack sie nicht übernommen haben.

Das Problem weist auf den historistischen Objektivitätsanspruch zurück, der eine solche Schilderung tendenziell unkorrigierbar macht. So ist die einschlägige (insbesondere jüdische) Kritik an diesem Pharisäerbild von Harnack nicht berücksichtigt worden, ja er hat sein Exemplar von Leo Baecks "Wesen des Judentums" von 1905 nicht einmal gelesen!40 Demnach ist eine beachtliche Kommunikationsverweigerung gegenüber anders gearteten Einsichten als denjenigen festzustellen, die Harnack für "objektiv" galten. (Auch darin wird das Verhaltensmuster der zeitgenössischen "Historikerzunft" reproduziert.) Wie immer man die Details beurteilen mag und Harnacks Bewertungen einschätzt: hinsichtlich des historistischen Theoriedesigns muss man sich vor den "Risiken und Nebenwirkungen" jedenfalls dieser historischen Methode fürchten. So ist es sicher kein Zufall, dass sich die Beiträge weitgehend auf Harnack und Troeltsch beschränken. Der Herausforderung der gegenwärtigen Geschichtswissenschaft als Historischer Sozialwissenschaft kann man freilich weder dadurch begegnen, dass man den Stand um 1900 festschreibt, noch mit einer von der dogmatischen Eschatologie geleiteten, eigenen Form von Geschichtstheologie (Moltmann, Pannenberg). Insofern steht der protestantischen Theologie die Auseinandersetzung mit dem Nachdenken über "die" Geschichte (nach den gegenwärtigen Standards) noch bevor.

6. Geschichte in der posthistoristischen Ära

"Die" Geschichte als Kollektivsingular war seit jeher ein Reflexionsbegriff. Er spielt geradezu eine Vorreiterrolle für die Probleme, die mit dem modernen Gesellschaftsbegriff später auftauchen: "Die Geschichte enthält ihre eigene Beschreibung, die ihrerseits dem ,Zeitgeist' entspricht und mit dem Geschichtslauf variiert, - der wohl erste Fall einer Beschreibung von Selbstbeschreibungen, die sich selbst in das Beschriebene einschließt."41 Genau dafür steht "Historismus", welcher Konnotation man immer anhängen mag. Erst heute, erst im Rückblick, erscheint "der" geschichtswissenschaftliche Historismus als das, was er ist: als ein extrem unwahrscheinliches Produkt von Aufklärung und neunzehntem Jahrhundert.

Wie immer man hinsichtlich der einzelnen Bedeutungen optieren mag: Dies steht fest, dass die ständige Thematisierung des Historismus in der Geschichtswissenschaft selbst ein Indiz dafür ist, dass man ihn nicht mehr ungefragt teilt. Ob man nun wie Blanke ein drittes Paradigma "Historische Sozialwissenschaft" für etabliert hält oder nicht, jedenfalls hat der interne Innovationsdruck das geltende Paradigma des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jh.s erheblich verändert. Entsprechend vollzieht sich die wissenschaftspolitische Renaissance des Historismus (im weiten Sinne) heute im Kontext der Postmoderne- und Pluralismusdebatten, oder womöglich an deren Stelle. Dabei muss der Historismusbegriff inhaltlich wesentlich verändert werden (Steenblock), soll er dafür taugen. Insofern kann man zwar dem zustimmen, dass die moderne Historisierung unserer ganzen Kultur unumkehrbar ist (Oexle, Wittkau mit Troeltsch), aber dennoch bezweifeln, dass die Begriffswahl mit "Historismus" besonders geglückt sei. Der entscheidende Gesichtspunkt bleibt die Frage, was "Historisierung" inhaltlich bedeutet. Wenn man den Empfehlungen folgt, dann jedenfalls ist der gegenwärtige "Historismus" nicht mehr derjenige, von dem Troeltsch und Meinecke sprachen (und den Nietzsche und Weber der Sache nach kritisierten). Werden die identitätsstiftenden Merkmale derart radikal eliminiert, wie Steenblock es vorschlägt, dann kann man auf den Historismusbegriff gleich ganz verzichten.

Was bleibt, wenn sich der Pulverdampf der Streitigkeiten verzogen hat? Der Vorschlag, einmal die Perspektive zu wechseln und die moderne Geschichtswissenschaft systemtheoretisch als ein Subsystem des Subsystems "Wissenschaft" der Gesellschaft zu beobachten (und deshalb notwendigerweise auf die Historiken und Historiographiegeschichten zu achten). Dann kann man folgende Einsichten formulieren:

Erstens die Geschichtswissenschaft kann ihren eigenen Grund- "die" Geschichte - nicht garantieren, so wenig wie die übrigen modernen Wissenschaften den ihren. Sie greift auf etwas zu und zurück, das sich ihr permanent entzieht. Auch auf ihrem Grund lauert offenbar ein Paradox, nämlich die logische Paradoxie "der sich selbst einschließenden Einheit"42. Gerade weil mit "der" Geschichte auf den denkbar weitesten Horizont abgehoben wird (analog zu "Gesellschaft"), kann man nur noch zu paradoxen Selbstbeschreibungen gelangen.

Zweitens stellt sich die Geschichte der modernen Geschichtswissenschaft selbst als eine fortschreitende Desillusionierung dar. Wenn man von dem naiven Objektivitätsanspruch eines Ranke und Droysen ausgeht, der von einer Fülle metaphysischer Vorannahmen getragen war, vollzieht sich eine fortschreitende Entmetaphysierung und, wenn man so will, eine interne "Säkularisierung" der Geschichtswissenschaft bis ins 20. Jh. Dass jede Epoche "unmittelbar zu Gott" sei, verliert dort an Plausibilität, wo man an keinen Gott mehr glaubt. Die historistische Ideenlehre seit Humboldt wird als Ideologie durch schaubar. Der fortschreitende Theorie- und Reflexionsbedarf zeigt, dass die Frage nach dem "Ganzen", den interesseleitenden Gesichtspunkten, ihre Unschuld verloren hat. Die selbstverständliche Einheit von Vergangenheit und aus dieser Vergangenheit zur deutenden Gegenwart ist zerbrochen. Analog zu den Naturwissenschaften verlieren teleologische Konstruktionen ihre Plausibilität, und die Geschichtswissenschaft muss sich mit prinzipiell unendlichen temporalen Kausalnetzen begnügen.43 Das Studium der Geschichte macht nicht weise, sondern traurig (Schiller), und zeigt einem vor allem nicht mehr, was man tun soll.

Drittens artikuliert sich das Unbehagen an dieser desillusionierten Geschichte als "Historismus". Begriffsgeschichtlich ist nicht auszumachen, ob er ursprünglich positiv oder negativ gemeint war (Wittkau). Klar ist nur, dass sich seit der Jahrhundertwende die Binnenkrise der Geschichte als Historismus ausformt. Durch die bedrückende Innovationsverweigerung der deutschen Geschichtswissenschaft um 1900 (Lamprechtstreit) und im Unterschied zur amerikanischen oder französischen Entwicklung verliert sie zugleich ihr Deutungsmonopol, die Bildungsfunktion für die interessierte bürgerliche Öffentlichkeit. Die moderne Industrie- als Klassengesellschaft lässt sich mit der klassischen Politikfixierung nicht mehr adäquat beschreiben. Natürlich erhebt dabei auch die Geschichtswissenschaft wie alle Funktionssysteme Universalitätsansprüche - jetzt "aber nur für je ihren Bereich"44. Insofern scheint die erneute Überdehnung des Historismusbegriffs auf alle Kulturwissenschaften eher wieder einen Rückfall in ein überholtes Stadium darzustellen. Sinnvoll wird "Historismus" wohl doch nur noch subsystemspezifisch verwendet und ist darum auch kaum zufällig auf die Geschichtswissenschaft selber zurückgenommen worden.

Viertens kann man als "redescription" dieser Historismusdebatten um das geschichtswissenschaftliche Paradigma und seine Wirkung im Sinne von Relativierung und Werterelativismus vorschlagen, dass damit die aller Beschäftigung mit Geschichte zu Grunde liegende Paradoxie artikuliert und thematisiert, aber eben nicht begriffen wird. Die paradoxe Anweisung besteht darin, alles historisch zu nehmen, auch das eigene Vorhaben der Erforschung der Historie. Aus diesem Zirkel gibt es keinen Ausweg. Beim Anblick des alles verschlingenden historischen Strudels kann man traditionell nur noch paradoxe Anweisungen geben, die die Paradoxie nicht lösen, sondern steigern: etwa dass die Geschichte mit Geschichte zu überwinden sei.

Das Paradox lautet demnach fünftens, dass jeder Geschichtsschreiber auf die Geschichte aus- und zugreifen muss, ohne doch den berühmten archimedischen Punkt jenseits der Geschichte einnehmen zu können. Mitten in der Zeit muss man in der Gegenwart die Vergangenheit überblicken. "Die Gegenwart ist die Einheit der Differenz von Vergangenheit und Zukunft. Sie katapultiert sich als Zeit des Beobachters der Zeit selbst aus der Zeit hinaus. Sie ist die Zeit, in der man keine Zeit hat, weil alles, was man als Zeit erfassen kann, schon vergangen oder noch zukünftig ist."45

Nach allgemeinem Konsens ist das nur in einem sehr eingeschränkten Sinne möglich: unter der Voraussetzung, dass man den jeweils selbst partikularen Beobachterstatus ausdrücklich macht. Posthistoristisch ist es, das Erkenntnissubjekt nicht etwa zum Verschwinden zu bringen, sondern reflektierend explizit zu berücksichtigen. In "der" Geschichte muss man auf "die" Geschichte ausgreifen, auf ein allenfalls gedachtes (wo nicht fiktives) "Ganzes". Dies ist eigentlich nicht möglich, und deshalb muss man die Entparadoxierung über Forschungsstrategien und -programme leisten, die das Paradox faktisch vervielfältigen. Die Gegenwart wird daher entparadoxiert, "indem man zwischen der gegenwärtigen Vergangenheit bzw. Zukunft und den vergangenen bzw. künftigen Gegenwarten unterscheidet, die Zeitbegrifflichkeit also doppelt modalisiert. Genau das leistet, auf konkreteren Forschungsebenen, die Historisierung des Geschichtsbewusstseins."46

Der Gesamthorizont "der" Geschichte ist immer nur perspektivisch gebrochen zugänglich. Je mehr historische "Beobachter" sich an einer Debatte beteiligen, desto mehr entschwindet die "Wahrheit" in die Ferne eines unabschließbaren Diskurses. "Die Ablehnung des Bestimmtseins durch Herkunft ..., führt außerdem zu einer Steigerung des Selbstdeutungsbedarfs der Moderne und im Ergebnis dann zu der Unmöglichkeit, sich darüber zu einigen: zu ideologischen Kontroversen."47 Ein Beobachter der historischen Beobachter vermag das zu sehen und vielleicht noch: dass diese Beobachter nicht sehen können, was sie nicht sehen können, nämlich ihre konstitutiv und unaufhebbar selbstreferentielle Verstrickung. Diese Paradoxie und Selbstreferenz sind in der Tat nicht "überwindbar". Frieden (Harnack, Rendtorff) wird deswegen aus der historischen Methode niemals kommen; denn sie zielt gerade nicht auf Einheit, sondern auf Differenz (sogar in der eigenen Kultur, um den amerikanischen "historicism" zu nennen). So bleibt die "Welle, die wir selbst sind, ... nahezu unberechenbar", und die "Brandung der Geschichte rollt, wie sie will"48.

Summary

The 1990s marked a surprising return of the concept 'Historicism' to German historical studies and to international historiographical discussion. In principle two major currents conflict with each other in history and philosophy. The first, following Th. S. Kuhn, consists of 'Historicism', meaning the specific German definition used between Ranke and c. 1960, visible especially in documentary collections, which suppressed rehabilitated Enlightenment history, and is dismissed today by contemporary 'historical social science' represented by Rüsen, Blanke, and Scholtz. The second current uses 'Historicism' to mean the principled and invincible historicization of all branches of knowledge (Oexle, Wittkau, Steenblock), whereby 'Historicism', given the neglect of a historical perspective, flees into the metahistorical. Theology reacts to this development with exegesis of classical authors like Harnack and Troeltsch. Given its opaque and polemical nature, Historicism is not exactly a concept designed to create a consensus amongst all branches of the humanities. This article, following the arguments of the late Bielefeld sociologist, Niklas Luhmann, advances the thesis, that the concept 'Historicism' should serve to define only the typical modern and paradoxical self-description and self-reference associated with historical science, and the heady self-historicization of History.

Fussnoten:

1) Weber, Max: Wissenschaft als Beruf. (1917) In: Ders., Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, hrsg. von Johannes Winckelmann. Tübingen: Mohr Siebeck 71988, 582-613, hier 605.

2) Jaeger, Friedrich/Rüsen, Jörn: Geschichte des Historismus 1 (Anm. 3) (Hervorh. M. M.-K.). Vgl. Hardtwig, Wolfgang: Geschichtsstudium, Geschichtswissenschaft und Geschichtstheorie in Deutschland von der Aufklärung bis zur Gegenwart. In: Ders., Geschichtskultur und Wissenschaft. München: dtv 1990, 13-57, hier 22: "Die Professionalisierung und Institutionalisierung der Geschichtserkenntnis und die Entstehung eines regelrechten Geschichtsstudiums ließen das Verständnis von Geschichte selbst nicht unberührt." Und 34 (Hervorh. M. M.-K.): "Historismus ... ist also sowohl eine Methode verwissenschaftlichter Erkenntnis der Vergangenheit, die der durchgehenden Historisierung der Wirklichkeit gerecht werden will, als auch eine Methode, die Voraussetzungen für praktisches gesellschaftlich-politisches Handeln zu klären und insofern auch zu dessen Orientierung beizutragen."

3) Folgende 11 Bücher waren zu besprechen (jeweils chronologisch angeordnet):

a. Monographien:

Blanke, Horst Walter: Historiographiegeschichte als Historik. Stuttgart-Bad Cannstatt: frommann-holzboog 1991. 809 S. gr.8 = Fundamenta Historica, 3. Lw. DM 264,-. ISBN 3-7728-1391-7.

Steenblock, Volker: Transformationen des Historismus. München: Fink 1991. 205 S. gr.8. DM 64,-. ISBN 3-7705-2694-5.

Jaeger, Friedrich, u. Jörn Rüsen: Geschichte des Historismus. Eine Einführung. München: Beck 1992. VIII, 239 S. 8. DM 38,-. ISBN 3-406-36081-5.

Wittkau, Annette: Historismus. Zur Geschichte des Begriffs und des Problems. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1992. 237 S. 8. ISBN 3-525-01347-7.

b. Aufsatzsammlungen:

Scholtz, Gunter: Zwischen Wissenschaftsanspruch und Orientierungsbedürfnis. Zu Grundlage und Wandel der Geisteswissenschaften. Frankfurt/Main: Suhrkamp 1991. 385 S. kl.8 = Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft, 966. ISBN 3-518-28566-1.

Oexle, Otto Gerhard: Geschichtswissenschaft im Zeichen des Historismus. Studien zu Problemgeschichten der Moderne. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1996. 315 S. gr.8 = Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, 116. Kart. DM 64,-. ISBN 3-525-35779-6.

Oexle, Otto Gerhard, u. Jörn Rüsen [Hrsg.]: Historismus in den Kulturwissenschaften. Geschichtskonzepte, historische Einschätzungen, Grundlagenprobleme. Köln-Weimar-Wien: Böhlau 1996. 414 S. 8 = Beiträge zur Geschichtskultur, 12. Kart. DM 78,-. ISBN 3-412-14595-5.

Scholtz, Gunter [Hrsg.]: Historismus am Ende des 20. Jahrhunderts. Eine internationale Diskussion. Berlin: Akademie Verlag 1997. 224 S. gr.8. Lw. DM 78,-. ISBN 3-05-002848-3.

c. (Neu-) Editionen:

Blanke, Horst Walter, u. Dirk Fleischer [Hrsg.]: Theoretiker der deutschen Aufklärungshistorie. 1: Die theoretische Begründung der Geschichte als Fachwissenschaft. 2: Elemente der Aufklärungshistorik. Stuttgart-Bad Cannstatt: frommann-holzboog 1990. 363 S. u. 855 S. gr.8 = Fundamenta Historica, 1, 1 u. 2. Lw. DM 158,-. ISBN 3-7728-1171-X u. 3-7728-1172-8.

Harnack, Adolf von: Das Wesen des Christentums. Hrsg. und kommentiert von T. Rendtorff. Gütersloh: Kaiser/Gütersloher Verlagshaus 1999. 273 S. 8. Kart. DM 58,-. ISBN 3-579-02629-1.

4) Jaeger/Rüsen: Geschichte des Historismus (Anm. 3). Hier wie im Folgenden beziehen sich die in Klammern gesetzten Seitenzahlen stets auf das jeweils im Text besprochene Buch.

5) Blanke: Historiographiegeschichte als Historik (Anm. 3) bezieht sich präzise auf Rüsen, Jörn: Historische Vernunft. Grundzüge einer Historik I. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1983, 21-32, hier 29.

6) So auch Blanke/Fleischer [Hrsg.]: Theoretiker der deutschen Aufklärungshistorie, Bd. 1 (s. o. Anm. 3), 34. Vgl. auch Blanke, Horst Walter: Aufklärungshistorie und Historismus: Bruch und Kontinuität. In: Oexle/Rüsen [Hrsg.]: Historismus in den Kulturwissenschaften (s. o. Anm. 3), 69-97, hier 74 f.

7) Blanke/Fleischer [Hrsg.]: Theoretiker der deutschen Aufklärungshistorie 2 (s. o. Anm.3), 771-811.

8) Blanke/Fleischer [Hrsg.]: Theoretiker der deutschen Aufklärungshistorie, Bde. 1 und 2 (s. o. Anm. 3).

9) Vgl. die ausführliche Fassung: Blanke, Horst Walter, Fleischer, Dirk, u. Jörn Rüsen: Historik als akademische Praxis. In: Dilthey-Jahrbuch 1. Göttingen 1983, 182-255, hier 216 ff.

10) Vgl. Nowak, Kurt: Vernünftiges Christentum? Über die Erforschung der Aufklärung in der evangelischen Theologie Deutschlands seit 1945. Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 1999 = ThLZ. Forum 2.

11) Das Folgende bezieht sich wieder auf Blanke: Historiographiegeschichte als Historik (s. o. Anm. 3).

12) Diese These wird auch noch verfochten von Muhlack, Ulrich: Geschichtswissenschaft im Humanismus und in der Aufklärung. Die Vorgeschichte des Historismus. München 1991.

13) Vgl. Blanke: Aufklärungshistorie und Historismus (s. o. Anm. 6), 88.

14) Blanke: Aufklärungshistorie und Historismus (s. o. Anm. 6), 94. Vgl. den gewichtigen Beitrag von Hardtwig, Wolfgang: Von Preußens Aufgabe in Deutschland zu Deutschlands Aufgabe in der Welt. Liberalismus und borussianisches Geschichtsbild zwischen Revolution und Imperialismus. In: Ders., Geschichtskultur und Wissenschaft (s. o. Anm. 2), 103-160, hier 129, 146 ff.

15) Blanke: Aufklärungshistorie und Historismus (s. o. Anm. 6), 95 (Hervorh. M. M.-K.).

16) Gemeint ist natürlich Felix Rachfahl. Dazu Weber, Max: Die protestantische Ethik II. Kritiken und Antikritiken, hrsg. von Johannes Winckelmann. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 51987, hier 57-148 und 216-282.

17) Iggers, Georg G.: Historismus - Geschichte und Bedeutung. Eine kritische Übersicht der neuesten Literatur. In: Scholtz, Gunter [Hrsg.]: Historismus am Ende des 20. Jahrhunderts (s. o. Anm. 3), 102-126, hier 120.

Meine eigenen Überlegungen gingen unabhängig davon in dieselbe Richtung, vgl. vom Vf.: Die entzauberte Heilsgeschichte. Der Historismus erobert die Theologie 1880-1920. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 1992, 25-294, hier besonders 75 ff.168 ff.243 ff.

18) Wittkau, Annette: Historismus (s. o. Anm. 3).

19) Vgl. Vf.: Die entzauberte Heilsgeschichte (s. o. Anm. 17), 131-156.

20) Vgl. Vf.: Die entzauberte Heilsgeschichte (s. o. Anm. 17), 438 ff.

21) Iggers, Georg G.: Historismus - Geschichte und Bedeutung (s. o. Anm. 17), 111.

22) Nachweise in der Besprechung vom Vf., in: ZNThG 3, 1996, 182-184.

23) Vgl. Oexle, Otto Gerhard: Einmal Göttingen - Bielefeld einfach. In: Rechtshistorisches Journal 11, 1992, 54-66. Die Replik: Blanke, Horst Walter: "Historismus" im Streit. In: Rechtshistorisches Journal 12, 1993, 585-597.

24) Muhlack, Ulrich: Gibt es ein "Zeitalter" des Historismus? In: Oexle/ Rüsen [Hrsg.]: Historismus in den Kulturwissenschaften (s. o. Anm. 3), 201-219, hier 209.

25) Oexle, Otto Gerhard: Geschichtswissenschaft im Zeichen des Historismus (s. o. Anm. 3).

26) Vgl. Oexle, Otto Gerhard: Meineckes Historismus. Über Kontext und Folgen einer Definition. In: Oexle/Rüsen [Hrsg.]: Historismus in den Kulturwissenschaften (s. o. Anm. 3), 139-199, für die Ausgabe (s. o. Anm. 25) gekürzt.

27) Vgl. für eine differenzierte Würdigung den älteren Beitrag von Schulin, Ernst: Friedrich Meinecke. In: Wehler, Hans-Ulrich [Hrsg.], Deutsche Historiker I. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1971, 39-57, hier 51 ff.

28) Vgl. auch Telman, Jeremy: Clio Ascedant. The Historical Profession in Nineteenth Century Germany. Cornell University 1993.

29) Vgl. als Auswahl: Dux, Günter: Die Logik der Weltbilder. Sinnstrukturen im Wandel der Geschichte. Frankfurt/Main: Suhrkamp 1982. = stw 370. Dazu: Wagner, Falk, u. Michael Murrmann-Kahl [Hrsg.]: Ende der Religion - Religion ohne Ende? Zur Theorie der "Geistesgeschichte" von Günter Dux. Wien: Passagen 1996.

Luhmann, Niklas: Gesellschaftsstruktur und Semantik. Studien zur Wissenssoziologie der modernen Gesellschaft. 3 Bände. Frankfurt/Main: Suhrkamp 1993 = stw 1091-1093. Ders.: Liebe als Passion. Zur Codierung von Intimität (1982). Frankfurt am Main: Suhrkamp 21995 = stw 1124.

30) Lübbe, Hermann: Die Modernität der Vergangenheitszuwendung. In: Scholtz, Gunter [Hrsg.]: Historismus am Ende des 20. Jahrhunderts (s. o. Anm. 3), 146-154.

31) Steenblock, Volker: Transformationen des Historismus (s. o. Anm. 3).

32) Steenblock, Volker: Die Legitimität des Historismus. In: Scholtz, Gunter [Hrsg.]: Historismus am Ende des 20. Jahrhunderts (s. o. Anm. 3), 174-191, hier 189. Vgl. auch meine Besprechung in: ZNThG 3, 1996, 317-320.

33) Scholtz, Gunter: Zwischen Wissenschaftsanspruch und Orientierungsbedürfnis (s. o. Anm. 3).

34) Vgl. Howard, Thomas Albert: Religion and the Rise of Historicism. W. M. L. de Wette, Jacob Burckhardt and the Theological Origins of Nineteenth-Century Historical Consciousness. Cambridge: University Press 2000.

35) Vgl. Troeltsch, Ernst: KGA 5. Die Absolutheit des Christentums und die Religionsgeschichte (1902/1912). Hrsg. von Trutz Rendtorff und Stefan Pautler. Berlin-New York: de Gruyter 1998. Rezension von Fischer, Hermann, in: ThLZ 125, 2000, 805-810.

36) Harnack, Adolf von: Das Wesen des Christentums (s. o. Anm. 3). Vgl. Rieske-Braun, Uwe: Vom Wesen des Christentums und seiner Geschichte. In: ThLZ 125, 2000, 471-488, hier bes. 471 Anm. 4, 480, 485.

37) Flasch, Kurt: Die Stunde der wahren Empfindung. Rezension der Neuedition von Harnacks "Wesen des Christentums". In: FAZ 279, 30.11.1999, L 29.

38) Niewöhner, Friedrich: Das Halbe und das Ganze. Adolf von Harnack über das Wesen des Judentums. In: FAZ 45. Beilage "Geisteswissenschaften", 23.2.2000, N 5. Der Artikel enthält viele sachliche Irrtümer!

39) Claussen, Johann Hinrich: Sprung und Wagnis. Adolf von Harnack, Kulturprotestantismus und Judentum. In: FAZ 63. Beilage "Geisteswissenschaften", 15.3.2000, N 5. Vgl. ferner die Studien, die deutlich machen, wie sehr die Pharisäer zur Projektionsfläche unterschiedlichster Deutungen geworden sind (angesichts des raren historischen Wissens über sie): Waubke, Hans-Günther: Die Pharisäer in der protestantischen Bibelwissenschaft des neunzehnten Jahrhunderts. Tübingen: Mohr Siebeck 1998. Wiese, Christian: Wissenschaft des Judentums und protestantische Theologie im wilhelminischen Deutschland. Tübingen: Mohr Siebeck 1999 = Wissenschaftliche Abhandlungen des Leo Baeck Instituts 61.

40) Vgl. die Einleitung der Herausgeber: Baeck, Leo: Das Wesen des Judentums. Hrsg.von Albert H. Friedlander und Bertold Klappert. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 1998, 11-26 = Leo Baeck Werke 1.

41) Obwohl oder besser: Weil der Soziologe Niklas Luhmann nicht an den Historismusdebatten teilgenommen hat, beschreibt er das Phänomen exakt. Ich beziehe mich hier nur auf sein "summum opus": Luhmann, Niklas: Die Gesellschaft der Gesellschaft. 2 Bände. Frankfurt/Main: Suhrkamp 1997, hier 1072.

42) Luhmann, Gesellschaft (s. o. Anm. 41), 81.

43) Vgl. Vf.: Theologische Konstruktivität und historische Rekonstruktion - Konkurrenz oder Partnerschaft? In: Laarmann, Matthias, u. Tobias Trappe [Hrsg.]: Erfahrung - Geschichte - Identität. FS Richard Schaeffler. Freiburg-Basel-Wien: Herder 1997, 165-183, hier 171 ff.

44) Luhmann, Gesellschaft (s. o. Anm. 42), 983.

45) Luhmann, Gesellschaft (s. o. Anm. 42), 1074 (Hervorh. M. M.-K.), vgl. 1007 ff.1016.1073.

46) Luhmann, Gesellschaft (s. o. Anm. 42), 1074 (Hervorh. M. M.-K.).

47) Luhmann, Gesellschaft (s. o. Anm. 42), 1073 (Hervorh. M. M.-K.).

48) Jeismann, Michael: Bitte abspeichern! Gegenwartslust: Internationaler Historikertag in Oslo. In: FAZ 190, 17.8.2000, 43.