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Ausgabe:

Februar/2001

Spalte:

216–218

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Menken-Bekius, Corja

Titel/Untertitel:

Rituelen in het individuele Pastoraat. Een pratisch-theologisch onderzoek.

Verlag:

Kampen: Kok 1998. X, 294 S. gr.8. Kart. hfl 57.50. ISBN 90-242-9417-7.

Rezensent:

Michael Scherer-Rath

Riten in der Individualseelsorge - so lautet das Thema dieser empirischen praktisch-theologischen Untersuchung, die als Dissertation an der Universität Utrecht angenommen wurde und bereits in der zweiten Auflage erschienen ist. Die Autorin untersucht dabei die Frage, unter welchen Bedingungen und auf welche Weise ein Seelsorger oder eine Seelsorgerin legitim und effektiv mit Hilfe von Riten in der Individualseelsorge pastoral handeln kann. Motiviert wurde sie duch persönliche Berufserfahrungen, durch die Professionalisierungsdiskussion im und über den Seelsorgeberuf und der Frage nach der normativen Bedeutung der christlichen Tradition für das (rituelle) pastorale Handeln in einer pluriformen und multikulturellen Gesellschaft.

In einem ersten theoretischen Teil befasst sich die Autorin mit der definitorischen Erfassung von Riten im Allgemeinen und versucht schließlich als heuristischen Ausgangspunkt ihrer empirisch-theologischen Arbeit, eine Arbeitsdefinition des Ritus zu formulieren, um dann nach den Funktionen der verschiedenen Ritenarten zu fragen. Um einen theologischen Bezugsrahmen abzustecken, sucht sie schließlich nach der Bedeutung der Riten in der christlichen Tradition.

Der zweite Teil der Arbeit umfasst sowohl die Beschreibung einer quantitativen Erhebung als auch die einer qualitativen Untersuchung. Nachdem die Autorin die theoretischen Erkenntnisse des ersten Teils ihrer Arbeit anhand eines Praxisbeispiels, das als Testlauf für die folgenden beiden empirischen Forschungsteile fungiert, erläutert hat, präsentiert sie die Ergebnisse einer Survey-Untersuchung unter 280 Seelsorgerinnen und Seelsorgern beider Konfessionen in der niederländischen Provinz Utrecht. Ziel dieser quantitativen Erhebung ist eine breite Informationsgewinnung hinsichtlich des Einsatzes von Riten in der Individualseelsorge, wobei insbesondere der Umfang, der Kontext, die Zielsetzung und die theologische Legitimierung rituellen Handelns im Mittelpunkt steht. Auf Basis dieser Erhebung wurden 16 Seelsorgerinnen und Seelsorger sowie sechs Gemeindeglieder für die zweite Phase dieser Untersuchung ausgewählt: ein Interview, das mit Hilfe eines Interviewschemas gehalten wurde. Diese Interviews sollten gezielte Informationen über die Art und Weise des Einsatzes von Riten zu Tage fördern. Das Interview war dreiteilig: der Seelsorger und sein Arbeitskontext, der pastorale Kasus des Riteneinsatzes und die Grenzen eines solchen Einsatzes.

Der dritte Teil der Arbeit versucht in einer revalutiven Analyse, Theorie und Empirie aufeinander zu beziehen. Mit Hilfe einer vergleichenden Fallstudie, deren methodologischer Ursprung leider nicht genannt wird (Ähnlichkeiten mit der "grounded theory" von Glaser und Strauss sind unübersehbar), wird in drei Fallbeispielen nach Kriterien für die Bewertung der Legitimität und Effektivität des Riteneinsatzes in der pastoralen Praxis gesucht.

Am Ende einer sehr umfangreichen, aber dennoch detaillierten Analyse kommt die Autorin zu dem Schluss, dass das pastorale Handeln in Riten und mit Hilfe von Riten Legitimität besitzt, wenn es auf die beiden Kernriten der christlichen Tradition geeicht wird: Taufe und Eucharistie. Der Einsatz von Riten in der Individualseelsorge ist folglich immer dann theologisch legitim, wenn sie mit einem der beiden Kernriten oder mit einer Kombination der beiden in Verbindung steht. Effektiv kann dieses pastorale Handeln immer dann genannt werden, wenn der Seelsorger oder die Seelsorgerin authentisch handelt und die Lebenswelt der Gesprächspartner bzw. Gemeindemitglieder aufgreift, wenn sich dieses pastorale Handeln kongruent zu Ziel und Funktion des allgemeinen pastoralen Arbeitsfeldes und der alltäglichen Arbeitspraxis verhält, wenn der Ritus auf hohem qualitativen Niveau vollzogen wird und genügend Raum für Kreativität, Freiheit und gesunde Traditionsverbundenheit bietet.

Diese empirische praktisch-theologische Studie ist einzigartig, da sie die praktisch-theologischen Teildisziplinen der Poimenik und Liturgik auf eine bisher noch nicht gekannte Art und Weise miteinander verbindet und studiert. Sie ist praxisnah, da sie aus der Praxis heraus entstand, im pastoralen Arbeitsfeld situiert und auf dieses ausgerichtet ist. Sie ist sehr breit angelegt, da es ihr nicht gelingt, das Arbeitsfeld der Individualseelsorge zur Diakonie oder zum Gemeindeaufbau hin ab- bzw. einzugrenzen. Zugleich verdeutlicht diese Breite die Bedeutung pastoraler Liturgik. Darüber hinaus ist sie ein positives Beispiel eines geglückten Zusammenspiels von quantitativen und qualitativen Forschungsmethoden in der Theologie.