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Ausgabe:

Februar/2001

Spalte:

207

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Trowitzsch, Michael

Titel/Untertitel:

Über die Moderne hinaus. Theologie im Übergang.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 1999. VIII, 230 S. 8. Kart. DM 54,-. ISBN 3-16-147099-0.

Rezensent:

Andreas Großmann

Das Unbehagen an der Moderne hat sich stets schon an ihren Ambivalenzen, Zweideutigkeiten entzündet. Denker wie Nietzsche und Heidegger haben ihm beredten Ausdruck verschafft. Ihrer Kritik weiß sich auch T. verpflichtet. T. will dezidiert ,über die Moderne hinaus'. Die Wegrichtung, die die in dem vorliegenden Bande versammelten Vorträge und Aufsätze anzeigen, gibt sich dabei keineswegs als Optimierungsofferte zu erkennen. Derlei, so T. im Vorwort des Buches, ist vielmehr als "enthusiastische Verirrung" zu identifizieren. Geboten ist ihm zufolge eine "Kritik der enthusiastischen Vernunft" oder, mit Heidegger gesprochen, "der Abstieg aus der Verstiegenheit" (VI).

Heidegger ist es in der Tat, der T. immer wieder entscheidende Stichworte liefert, den Gang der Reflexionen wesentlich bestimmt. Vorzüglich in der "Seinshermeneutik" (200) des späten Heidegger entdeckt er Einsichten, die, im Kontext "theologischer Schöpfungshermeneutik" (200 f.) gelesen, fruchtbar zu machen seien. So sieht der Leser die Heideggersche Seinsgeschichte überraschend gedeutet als "Geschichte der Stimme der Schöpfung", die "Wahrheit des Seins" als "Schöpfungsgeheimnis" (201), das es im Lichte des Evangeliums und wider die Anmaßungen der neuzeitlichen, "soteriologischen Vernunft" wieder wahrzunehmen gelte. Eine derartige Heidegger-Adaption hat freilich, was T. einräumen muss, in Heidegger selbst keinen Anhalt, der in dem Hauptwerk seines seinsgeschichtlichen Denkens, den Beiträgen zur Philosophie aus den Jahren 1936-38, Überlegungen über den "letzten Gott" ausdrücklich "gegen die Gewesenen, zumal gegen den christlichen" Gott gerichtet und sich überhaupt wiederholt gegen eine Vermengung der Sache seines Denkens mit der Sache christlicher Theologie gewandt hat.

Doch T. geht es als Theologe um einen entscheidenden Schritt eben auch über Heidegger hinaus bzw. hinter ihn zurück: Von Letzterem und Nietzsche, Ernst Jünger und Kafka über das ,Unwesen' der Moderne, ihren in "Operationalismus und Praktizismus und Ethizismus" sich kundgebenden "spezifischen Fundamentalismus" (36), die "Anstrengungs- und Aufrüstungsmetaphysik der Neuzeit" (39) belehrt, geht er zu den biblischen Texten zurück, um von daher Theologie als Kritik der "machtförmigen" oder "soteriologischen" Vernunft der Neuzeit (158, 215, 217) zu entwerfen. So erfährt das Gespräch mit Denkern und Dichtern denn auch eine signifikante theologische Situierung: in der Zwiesprache mit Paulus und Luther, Barth und, vor allem, Bonhoeffer.

Es sind mit Behutsamkeit und gleichermaßen Entschiedenheit vorgetragene Töne, Töne einer "emphatisch evangelischen Theologie" (145), die hier anklingen und dazu anleiten wollen, "vor allem erneut gleichsam in die Lichtung des ,Ecce homo' einzutreten" (169), Theologie als "soteriologische Unterscheidungskunst" (158, vgl. 220) zu vollziehen. Grenzen der Kommunikation werden dabei bewusst in Kauf genommen. Denn Gesprächsfähigkeit, so T., ist "kein zuletzt maßgebliches Kriterium" (218, vgl. 21, 188).

Über die Moderne hinaus dürfte damit vermutlich so manche um ihre Anschlussfähigkeit und Modernität besorgte Theologen verstören. T. wird das als Indiz für die eingangs des Buches diagnostizierte Nervenschwäche gegenwärtiger Theologie (vgl. 21) nehmen können - und als Beleg zugleich für die Triftigkeit der von ihm konzipierten "Theologie im Übergang".