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Ausgabe:

Februar/2001

Spalte:

185 f

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Baumgart, Karl

Titel/Untertitel:

Philipp Jacob Roemmich (1766-1813). Vom reformierten Pfarrer zum "fonctionnair" in der Zeit der Französischen Revolution. Zugleich ein Beitrag zur rheinisch-pfälzischen Landes- und Kirchengeschichte.

Verlag:

Köln: Rheinland GmbH 2000. 183 S. m. zahlr. Abb. 8 = Schriftenreihe des Vereins für Rheinische kirchengeschichte, 143. Pp. DM 19,-. ISBN 3-7927-1806-5.

Rezensent:

Klaus Fitschen

Die französische Revolution blieb im linksrheinischen Deutschland kein "gallisches Schauspiel" (K. Nowak): Sie wurde hier in den Jahren seit 1795 inszeniert, und es fanden sich Akteure, die von den neuen Idealen entflammt die Bühne betraten. Zu ihnen gehörten, ähnlich wie in Frankreich, auch Geistliche, die in der Revolution eine neue religiöse Option sahen und von ihr überdies die Verbesserung ihrer materiellen Verhältnisse erwarteten.

Karl Baumgart, der Profession nach kein Theologe oder Kirchenhistoriker, sondern ehemals Richter in Frankfurt a. M., ist als ,Amateur' aus Interesse an der Familiengeschichte dem Schicksal eines dieser Geistlichen nachgegangen. Entstanden ist eine illustrierte und gründlich aus dem Archivmaterial erarbeitete Biographie, die den Werdegang des Pfarrers Philipp Jacob Roemmich unter jeweiliger Einordnung in das Lokalkolorit nachvollzieht. Man erfährt von seiner Geheimbündelei in einem studentischen "Amicistenorden" und von der Schwierigkeit, eine angemessen dotierte Stelle im kirchlichen Dienst zu erlangen. Aus seiner Tätigkeit im Armenwesen in den Jahren 1787/88 wird auf eine Sensibilität für das Anliegen der Revolution geschlossen (33).

Über den persönlichen Hintergrund hinaus ist der regionalgeschichtliche Aspekt interessant: Roemmich wirkte im Umkreis der Stadt Meisenheim in einem Gebiet, das zwar zum Herzogtum Pfalz-Zweibrücken gehörte, aber seit den Reunionskriegen unter französischer Aufsicht stand. Als reformierter Pfarrer litt er unter der materiellen Benachteiligung seiner Konfession durch den katholischen Herzog und setzte Hoffnungen auf eine Besserung der Lage durch die kirchenpolitischen Beschlüsse der französischen Nationalversammlung (47). Um das Jahr 1790 begann er sich für die Revolution zu engagieren, was zu Denunziationen beim Herzog und zur Versetzung in eine andere Gemeinde führte. Die folgenden Jahre waren von dem Kampf um die Selbstverwaltung des Kirchenvermögens geprägt, die der Herzog 1755 an sich gezogen hatte und die durch die Durchsetzung der französischen Herrschaft 1797, trotz der zwischenzeitlichen Einführung von Festgehältern (die in den wertlosen Assignaten ausgezahlt wurden), wieder möglich wurde. Die staatliche Kirchenpolitik war hier doch weniger radikal als in Frankreich.

1801 gab Roemmich sein Pfarramt auf. Vielleicht, um den dauernden materiellen Schwierigkeiten zu entgehen, hatte er sich schon zuvor bei der französischen Verwaltung verdingt; ein Schritt, den mit ihm aber auch andere Geistliche taten (K.-G. Faber in FS F. Steinbach 1960, 363-365). Seit 1798 schon vertrat er die antikirchlichen und antichristlichen Maßnahmen der Revolution, nicht zuletzt die Durchsetzung des Dekadenkalenders. Dies mag "ein rätselhafter und unerklärlicher Zug seines Charakters" sein (111), doch gibt es dafür in Frankreich Parallelen genug: Roemmich hatte sich einer neuen Zeit und einer säkularen, vernünftigen Religion verschrieben, der Aufklärung durch das Licht der Philosophie (vgl. 144). Er bemühte sich in seiner Tätigkeit als "SecrÈtaire en chef" und "Kommissar der vollziehenden Gewalt" um die Durchsetzung der revolutionären Symbolik (Freiheitsbäume, Kokarden und den Verfassungseid) und die Reunion mit Frankreich. Seit der napoleonischen Zeit war Roemmich bis zu seinem Tod 1813 als Finanzbeamter tätig.

Das Buch ist ein Mosaikstein im Bild der Rezeption der Französischen Revolution in Deutschland, die ja durchaus ambivalent war, wobei Angst und Ablehnung überwogen. Auch wenn hier und da natürlich nach einer stärkeren Einordnung der Gestalt Roemmichs in den Horizont der Zeit zu fragen wäre, hat der Vf. für sein Buch Anerkennung verdient.