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Ausgabe: | Februar/2001 |
Spalte: | 152 f |
Kategorie: | Religionswissenschaft |
Autor/Hrsg.: | Keil, Siegfried, Jetzkowitz, Jens, u. Matthias König [Hrsg.] |
Titel/Untertitel: | Modernisierung und Religion in Südkorea. Studien zur Multireligiosität in einer ostasiatischen Gesellschaft. |
Verlag: | München-Köln-London: Weltforum Verlag 1998. 299 S. 8 = Internationales Asienforum, 5. Kart. DM 59,00. ISBN 3-8039-0715-2. |
Rezensent: | Volker Küster |
Südkorea ist in unseren theologischen Diskursen für viele immer noch eine terra incognita. Als ich mich Mitte der achtziger Jahre auf ein Studienjahr in Seoul vorbereitete, war es schwierig, überhaupt Literatur in deutscher Sprache zu finden. Mit einem Anteil von 25-30 % überwiegend protestantischen Christinnen und Christen an der Gesamtbevölkerung ist Südkorea neben den katholisch geprägten Philippinen (ca. 90 %) das einzige Land in Asien, wo sich das Christentum nicht in einer völligen Minderheitensituation befindet (im Durchschnitt ca. 1-3 %). Nicht zuletzt auch angesichts der großen Zahl koreanischer Doktorandinnen und Doktoranden an unseren Fakultäten ist es sehr erfreulich, dass sich hier eine Gruppe deutscher Wissenschaftler aufgemacht hat, dieses Terrain zu erkunden. Dass dabei fast paritätisch auch koreanische Kollegen zu Wort kommen, ist ein weiteres Plus.
Die Autorinnen und Autoren tragen die Fragestellung des interdisziplinär angelegten Marburger Graduiertenkollegs "Religion in der Lebenswelt der Moderne" an den koreanischen Kontext heran. Der Schwierigkeit der Übertragbarkeit von in der westlichen Wissenschaftstradition geprägten religionswissenschaftlichen und soziologischen Konzepten und Begrifflichkeiten sind sie sich dabei durchaus bewusst. Dennoch wollen sie "weiterhin mit den Begriffen von ,Religion' und ,moderner Gesellschaft' operieren, aber deren spezifisch okzidentale Verengung" aufbrechen (Einleitung der Herausgeber, 11). Den Anspruch, dadurch auch "eine neue Perspektive auf das Verhältnis von Christentum und moderner Gesellschaft in Europa" zu eröffnen (ebd., 14), kann der Epilog, der an die stärker theoretisch orientierte Sammlung von Aufsätzen zu "Religionen und Modernisierung in Südkorea" im Einleitungskapitel (I.) anknüpft, verständlicherweise erst ansatzweise einholen.
Das Herzstück des Buches sind drei Rubriken, die den in Korea dominierenden Religionen Schamanismus, Buddhismus und Christentum im Einzelnen gewidmet sind. "Ob der [ebenfalls behandelte] Konfuzianismus Religion ist, wird [selbst] in konfuzianischen Kreisen nicht einheitlich gesehen" (Karl-Fritz Daiber, 156). Die Überschrift des materialreichen II. Kapitels "Schamanismus und Volksreligion" deutet schon auf eine grundsätzliche Schwierigkeit bei der Beschreibung der primären Religionserfahrung der Koreaner hin. Der ursprünglich aus dem sibirischen Kulturraum stammende Begriff wird heute zur Bezeichnung einer Vielzahl vergleichbarer Phänomene gebraucht, die allerdings keiner klar identifizierbaren Religionsgemeinschaft zuzuordnen sind. "Die Ursache der erstaunlichen Renaissance des Buddhismus in Korea ist die Modernisierung des Buddhismus" (Choe Chong-Sok, 163), der eindeutig im Zentrum des III. Kapitels "Gegenwärtige Entwicklungen im Buddhismus und Konfuzianismus" steht. Deutlich herausgestellt wird dabei der Einfluss des Protestantismus (Karl-Fritz Daiber, 154, 160), der sich ähnlich auch in anderen buddhistischen Ländern wie Sri Lanka, Thailand oder Japan nachweisen lässt. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Beobachtung, dass die Kolonialmacht Japan (1905-45) den Buddhismus förderte um "das Christentum [zu] schwächen, dem sich viele progressive und nationalistische Koreaner aus Protest gegen die japanische Herrschaft zugewandt hatten" (Choe Chong-Sok, 169). Der Titel des IV. Kapitels "Der Protestantismus zwischen Inkulturation und Akkulturation" lässt erkennen, dass die Autorinnen und Autoren sich mit dem missionswissenschaftlichen Diskurs nicht vertraut gemacht haben. Während sich nämlich hinter dem älteren Konzept der Akkommodation ein statisches Verständnis von Evangelium und Kultur und ihres Verhältnisses verbirgt (Kern-Schale-Modell), ist es gerade das Innovative des im Gefolge des Vaticanum II entwickelten Inkulturationskonzeptes, dass die beiden Größen und ihre wechselseitige Beziehung in ihrer ganzen Dynamik in den Blick kommen. Dass die päpstliche Enzyklika Redemptoris Missio (1990) versuchte, hier gegenzusteuern und den Begriff der Inkulturation wieder auf das eigentlich mit Akkommodation Gemeinte einzuschränken, hatte auf den Diskurs bisher wenig Einfluss. Die Differenzierung in Inkulturation und Akkulturation ist insofern eine Tautologie. Die Minjung-Theologie wird in ihrer Bedeutung zwar gewürdigt, inhaltlich aber nur sehr selektiv rezipiert (Chi In-Gyw/Jens Jetzkowitz; Christian Hellmann). Chung Hyung-Kyung, die mit ihrer Performance auf der VII. Vollversammlung des Ökumenischen Weltrates der Kirchen in Canberra (1991) für Furore sorgte, gehört bereits der zweiten Generation an. Auf die breit geführte Inkulturationsdebatte innerhalb der methodistischen Theologie (Yun Sung-Bum; Tongshik Ryu u. a.) fehlt jeder Hinweis. Hier wird eine Schwäche in der Gesamtkonzeption des Bandes deutlich sichtbar: In dem Bemühen, religionswissenschaftlich zu arbeiten, bleibt die Theologie oft auf der Strecke. Ein Kabinettstück dieses Kapitels ist jedoch der Artikel von Karl-Fritz Daiber. Aus der Perspektive der teilnehmenden Beobachtung und teilweise in dichter Beschreibung spürt er dem Einfluss des Schamanismus auf das Christentum am Beispiel der christlichen Kidowon (Gebetshäuser) nach. Das Schlusskapitel (V.) umfasst unter der Überschrift "Traditionen von Multireligiosität und interreligiöser Dialog" zwei Detailstudien zum Won-Buddhismus (Woo Hairan) und der Arbeit der Christian Academy (Christoph Elsas).
Den Autorinnen und Autoren gelingt es, die vielfältigen Bezüge zwischen Schamanismus, Konfuzianismus, Buddhismus und Christentum, die z. T. weit in die Geschichte zurückreichen, in detailreichen Einzelanalysen herauszuarbeiten. Darin liegt die eigentliche Stärke des Buches.