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Ausgabe:

Februar/2001

Spalte:

142 f

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

[Weber, Edmund]

Titel/Untertitel:

Annäherungen an das Heilige. Gottesliebe und Nächstenliebe in den Religionen. Edmund Weber zum 60. Geburtstag. Hrsg. von M. Benad u. R. Töpelmann unter Mitwirung von Th. Mohr.

Verlag:

Stuttgart-Berlin-Köln: Kohlhammer 1999. 230 S. m. Abb., 1 Porträt, gr.8. Pp. DM 71,-. ISBN 3-17-016156-3.

Rezensent:

Klaus Hock

Es liegt in der Natur der Sache begründet: Wenn Freundinnen und Freunde, Kolleginnen und Kollegen zur Würdigung eines Jubilars ihre Artikel in einer Festschrift zusammentragen, kommt zumeist eine Sammlung äußerst vielfältiger, ja disparater Aufsätze heraus. Doch das, was als Disparatheit erscheint, lässt sich vielleicht auch anders lesen - als Spiegelung des gesamten Spektrums der akademischen Forschung und Lehre eines Wissenschaftlers, der sich einer Reihe von unterschiedlichen, dabei aber stets in einem inneren Zusammenhang stehenden Themen zugewandt hat und dessen breites Interessenfeld sich nochmals im Prisma der Beiträge bricht, die ihm seine Gratulanten gewidmet haben.

Wie die Herausgeber in ihrem Vorwort vermerken, hat der Geehrte "zwischen historischer Theologie in reformatorischer Tradition und Religionswissenschaft, zwischen westlichen und östlichen Religionskulturen Brücken geschlagen" (7). In der Tat findet sich diese Spannbreite der Forschungsinteressen in den Beiträgen der Festschrift wieder. Wollte man die einzelnen Titel in das Koordinatensystem der akademischen Theologie einordnen, wären mehrere traditionelle Disziplinen vertreten, aber auch die Grenzen der einzelnen Fächer vielfach durchbrochen. Eine Reihe von Aufsätzen widmet sich kirchengeschichtlichen Fragestellungen, wobei der Bogen vom Zeitalter der Konfessionalisierung (zum Thema "Reformiertes Selbstverständnis und adliges Berufsethos") über "Laienfrömmigkeit und Orthodoxie im 17. Jahrhundert" (am Beispiel von Antoinette de Bourgignon), Friedrich von Bodelschwingh den Älteren und das "Eindringen des Barthianismus in Hessen und Nassau" bis hin zur aktuellen Kirchenpolitik gespannt ist, die unter der Frage zur Sprache kommt, ob die "Kirche von unten" noch Zukunft hat. Doch auch dogmengeschichtliche und systematisch-theologische Probleme werden thematisiert, so "die neue Bedeutung der ,Religion' bei Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher", "Paul Tillich und die erstaunlich vielen Bezeichnungen Gottes" sowie der Zusammenhang von "Rechtfertigung und Geborgenheit". An den Randzonen der Systematischen Theologie hin zur Ökumenik und zur Missionswissenschaft bewegen sich Beiträge wie der, in dem "Protestantische Thesen zu einer Theologie der Religion" formuliert werden. In diese Kategorie gehören auch die "Biographische[n] und theologische[n] Skizzen" zum schottischen Indien-Missionar William Spencer Urquhart, der hierzulande kaum bekannt ist, für die Entwicklung einer indischen christlichen Theologie jedoch von großer Bedeutung war. Mit den übrigen Artikeln wird dann die traditionelle, auf die abendländische Theologie und Christentumsgeschichte bezogene Perspektive zu einem guten Teil verlassen: Ein Artikel beschäftigt sich mit "Krankheitsursachen und Krankheitsbewältigung in einer kulturvergleichenden medizinischen Anthropologie", ein anderer am Beispiel der "Bedeutung der Ursprungssagen für die Gesellschaftsstruktur der syrischen Christen in Kerala" mit einem ausgewählten Aspekt indischer Theologie und Kirche. Ein weiterer Beitrag thematisiert übergeordnete religionswissenschaftliche Fragestellungen in Form einer "Reflexion über die Wandlung des Tabu und die Beziehung zwischen Heil und Tabubruch", während sich insgesamt acht Aufsätze, großenteils auf Englisch und von indischen Autoren verfasst, mit theologischen, ökumenewissenschaftlichen, religionsgeschichtlichen und religionssoziologischen Themen auseinandersetzen: von der Frage, wie "Gottesliebe und das Böse in den vedischen Schriften" zur Sprache kommen, über die Kastenfrage und die Ideologie des Hindutwa bis hin zu Problemen der interreligiösen Beziehungen am Beispiel des Christusbildes bei Gandhi und der "Harmonie der Religionen" aus buddhistischer Perspektive.

Die Bibliographie Edmund Webers (221 ff.) bestätigt das eingangs Gesagte: Sie belegt die Entwicklung und die Vielfalt der Forschungsinteressen des Jubilars, wie sie auch in den Beiträgen zu dieser Festschrift reflektiert sind. Zu bemängeln wäre vielleicht, dass die Artikel alphabetisch nach Autorennamen aufgelistet und nicht entsprechend ihrer inhaltlichen Zusammengehörigkeit nach thematischen Blöcken geordnet sind. Auch der Titel hätte glücklicher gewählt sein können: "Annäherungen an das Heilige" klingt ein wenig nach einem Angebot aus der religionsphänomenologischen Mottenkiste. Dabei ist doch das, was diese Festschrift zum Ausdruck bringen will, höchst aktuell und von eminenter Bedeutung: Sie würdigt jemanden, der als Professor für Evangelische Theologie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität bereits seit Jahrzehnten die Integration sozialgeschichtlicher, ökumenewissenschaftlicher, religionssoziologischer und religionswissenschaftlicher Fragestellungen in seine Forschungsarbeit betrieben hat. Sein bisheriges uvre sowie diese Festschrift sind auch als Plädoyer dafür zu lesen, die Profillinien akademischer Theologie fortzuschreiben und die Grenzen der "klassischen" Disziplinen auszuweiten.