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Ausgabe:

Januar/2001

Spalte:

63 f

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Cook, John Granger

Titel/Untertitel:

The Interpretation of the New Testament in Greco-Roman Period.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2000. XVI, 385 S. gr 8 = Studien und Texte zu Antike und Christentum, 3. Kart. DM 128,-. ISBN 3-16-147195-4.

Rezensent:

Jürgen Zangenberg

J. G. Cooks wichtiges Buch greift ein Thema der spätantiken Geistesgeschichte auf, das in dieser Form bisher noch nicht bearbeitet wurde. Nach einleitenden Bemerkungen zur Apologetik in Judentum und Christentum und zu den rhetorischen und literarischen Mitteln in Polemik und Apologetik (1-16) stellt der Vf. die fünf wichtigsten Vertreter der gebildeten philosophischen Kritik am NT und der frühchristlichen Theologie nach ihrem Leben und ihren Aussagen dar. Celsus steht dabei am Anfang (17-102), gefolgt von Porphyrios (103-167), Macarius Magnus (168-249), Hierokles (250-276) und schließlich Kaiser Julian "Apostata" (277-334). Im letzten Kapitel fasst der Vf. die Ergebnisse zusammen.

Die schiere Breite des minutiös aufgeschlüsselten Materials und die Fülle der theologischen, philosophischen und historischen Details beeindruckt und macht das Werk zu einer zuverlässigen Grundlage künftiger Forschungen. Freilich ist dies noch keine Geschichte des intellektuellen Ringens zwischen Christentum und Heidentum, doch wird diese in vielem verständlicher und facettenreicher. Weiterführende Fragen drängen sich auf: Was bedeutet es, dass christliche Apologeten und ihre paganen Kontrahenten oft genug aus ähnlichem Milieu stammten? Wie verhält sich die unaufgeregte, ja geradezu irenische Darstellung der heidnischen Position bei Minucius Felix zur beißenden Polemik und zunehmend resignierten Bekämpfung des Christentums bei Julian? Welche historische und soziale Entwicklung ist dafür verantwortlich, dass die heidnische Polemik für breitere Schichten der Bevölkerung des 2./3. Jh.s n. Chr. weitgehend wirkungslos blieb, zunächst ohne, dann aber zunehmend trotz physischer Gewalt des Staates als Äquivalent verbaler Aggression auf der literarischen Ebene?

Vielleicht ist C.s Aufbereitung des Stoffes manchmal etwas zu starr und zu eng an eigentlich christlichen Kategorien orientiert (so bes. in seiner Conclusion S. 337-340), während Fragen der sozialgeschichtlichen Verankerung des Disputs nur am Rande behandelt werden. Schade ist auch, dass ein zusammenhängender Abschnitt zu Lukian fehlt, der zwar kein Buch adversus Christianos verfasst hat, wohl aber durch seine spöttische Darstellung des Lebens der Christen indirekt auch einen wertvollen Blick auf ihr Denken ermöglicht.

All dies schmälert den Wert des Werkes freilich nicht. Dem Vf. gebührt uneingeschränkter Dank dafür, dass er mit der Präsentation der Fragmente und seinen grundgelehrten Kommentaren die Gegenseite der sonst viel bekannteren christlichen Apologetik wieder ins Blickfeld rückt. Erst so kann nämlich deutlich werden, dass es den Vertretern einer philosophisch gebildeten paganen Elite wie Celsus oder Julian nicht etwa nur darum gegangen ist, aus böswillig verzerrender Negation heraus das Christentum als unglaubwürdigen Unsinn hinzustellen. Der Vf. lässt vielmehr immer wieder erkennen, dass die paganen Kontrahenten der christlichen Literaten selbst eine Position vertraten, die sie als Gebildete im Strom einer vielhundertjährigen Tradition zu bewahren suchten. Durch ihren Scharfsinn haben sie dabei sicher nicht zu Unrecht auf manch Ungereimtes in der christlichen Lehre hingewiesen und wohl auch ungewollt zur Präzisierung der christlichen Position beigetragen. Vor allem aber ist es der Ernst der Auseinandersetzung um die Grundlagen des Römischen Reiches und damit letztlich des Abendlandes, in dem auch wir noch leben, der die Lektüre des Buches nicht nur für Theologen, sondern auch für philosophiegeschichtlich und altertumswissenschaftlich Interessierte zur lohnenden Aufgabe macht.