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Ausgabe:

Januar/2001

Spalte:

56–58

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Roose, Hanna

Titel/Untertitel:

"Das Zeugnis Jesu" Seine Bedeutung für die Christologie, Eschatologie und Prophetie in der Offenbarung des Johannes.

Verlag:

Tübingen-Basel: Francke 2000. 252 S. 8 = Texte und Arbeiten zum neutestamentlichen Zeitalter, 32. Kart. DM 86,-. ISBN 3-7720-2824-1.

Rezensent:

Traugott Holtz

Die Arbeit - offenbar eine unter U. B. Müller in Saarbrücken gearbeitete Hochschulschrift - will über eine umfassende Analyse der Wendung martyria jesu in der der Genitiv durchgehend als ein subjektiver verstanden wird, fundamentale theologische und historische Fragen der JohApk erhellen. Man kann freilich schon deshalb an der Tragfähigkeit dieses Programms zweifeln, weil die genannte Wendung in Apk eigentlich gar keine selbständige semantische Einheit bildet, sondern das erst in der Verbindung mit "Wort Gottes" ist, 1,1; 1,9; 20,4, aber auch 6,9; 12,17. Nur 19,10 steht sie für sich, allein hier aber bekommt für die Vfn. die Verbindung mit der Wendung ho logos toi theu, die 19,13 als Christus-Name erscheint, entscheidendes argumentatives Gewicht. Das ist methodisch gewagt. Gewagtes bietet die Arbeit auch sonst. So wird immer wieder zunächst ein erklärungsbedürftiger Textbefund konstatiert, dann eine theoretische Vermutung für seine mögliche Erklärung vorgetragen und schließlich diese Vermutung exegetisch zu verifizieren versucht.

Das Buch gliedert sich in zwei Hauptteile, einen (14-143), der ",das Zeugnis Jesu' in vertikaler Perspektive" untersucht, nämlich auf die "Entsprechung von Christen und Christus" hin, sowie einen (144-299), der ",das Zeugnis Jesu' in horizontaler Perspektive" behandelt und damit den Blick auf "das Verhältnis des Johannes zu seinen Adressaten" richtet. Durch das Zeugnis Jesu, das das (Heils-)Zeugnis des Erhöhten ist, partizipieren diejenigen, die es haben, an der (Heils-)Wirklichkeit des "treuen und wahrhaftigen Zeugen" (Apk 3,14), der sich in diesem Namen nämlich nicht als der Leidende, sondern als der Erhöhte darstellt. Die, die das Zeugnis Jesu halten, haben trotz ihrer "krisenhaften Wahrnehmung der Gegenwart" wirklich schon jetzt an der Erlösung und Erhöhung teil, und zwar einerseits über eine ",paradoxe' Vermittlung", andererseits über eine ",lokale' Vermittlung". Über die "paradoxe" Vermittlung kommt nun doch das Leiden in's Spiel (nicht über den Begriff "Zeugnis" oder "Zeuge"!), nicht indessen im Vorfeld des Heils, sondern als dessen Frucht und damit gerade nicht als Unheils-, sondern als Heilserfahrung. Diese Einsicht ergibt sich für die Vfn. aus einer Analyse von Apk 12, bes. V. 11, sowie der Abfolge von Apk 5 und 6 (bes. dem Bezug zwischen 5,5 und 6,1 ff.). Die "lokale" Vermittlung ereignet sich im Gottesdienst der Gemeinde in Gestalt einer ",analogen' Entsprechung", wobei dem Empfang des Lebenswassers sowie den Hymnen besondere Bedeutung zukommt.

Der zweite Hauptteil des Buches hat die Frage nach dem Charakter der JohApk als Prophetie zum Thema, wie diese historisch zu verorten ist und wie und wozu sie funktioniert. Allerdings übergeht die Vfn. weitgehend das merkwürdige Phänomen, dass der Verfasser der Apk sich selbst gerade nicht als Prophet bezeichnet, obwohl er Träger dieses Titels kennt in der Welt, aus der und in die er mit seiner Schrift (die er in der Tat prononciert als Prophetie bezeichnet) spricht. Wohl aber verortet sie ihn ganz präzise in einer urchristlichen Propheten-Tradition. Diese kann freilich nur höchst hypothetisch als für ihn gültig postuliert werden. Sie soll in Syrien/Palästina beheimatet sein; in ihr sei - nach Did 11,7 - jede inhaltliche Prüfung einer prophetischen Botschaft untersagt; nur anhand des Lebenswandels kann ein Prophet als Falschprophet entlarvt werden (Did 11,8-12). Demgegenüber herrscht in der von Joh angeredeten Gemeinde ein Propheten-Verständnis, wie es bei Paulus, insbes. 1Kor 14, vorausgesetzt ist. Die Vfn. "mutet Offb 22,6 ff. wie die ,Mitschrift' einer Praxis an, die 1Kor 14,29-33a voraussetzt" (226 u. ö.). Joh knüpft daran an, weil er so seine Botschaft zur Geltung bringen will; gleichwohl lehnt er die damit gegebene Möglichkeit der inhaltlichen Beurteilung der Prophetie (diakrisis pneumaton) auf das strikteste ab. Da nun wiederum die tatsächlichen Leiter der angeredeten Gemeinden der "prophetische[n] Offenbarung - zumindest aus der Sicht des Sehers - distanziert gegenüberstanden" (182), stilisiert er die - prophetische- Offenbarung als in der paulinischen Tradition stehenden Brief, um ihr auch auf der Ebene der eigentlichen Gemeindeleitung Akzeptanz zu verschaffen.

Die Apk ist indessen auch tatsächlich ein wirklicher Brief, da sie unmittelbar in die Situation der Gemeinde hineinwirken will, auch gerade in ihrem apokalyptischen Hauptteil. Das Problem, das sie zentral bewegt, ist nach R. offenbar die (Falsch-) Prophetie, die von der Prophetin Isebel ausgeht (Apk 2,20 ff.), mit der auch alle übrigen Verirrungen, die die Sendschreiben bekämpfen, verbunden zu sein scheinen. Das Sendschreiben an Thyatira bekämpft sie auf die einzige Weise, die Did 11,7 ermöglicht, nämlich über den Lebenswandel der Prophetin. Der inhaltliche Angriff aber wird, vorbereitet durch 16,12-16, in 19,(10.)11-21 geführt. Denn der "eschatologische Kampf Christi gegen den falschen Propheten in 19,11-21 konnte als apokalyptische Dramatisierung (u. a.) des Konflikts mit der Prophetin Isebel angesehen werden" (228). Das alles wird in einem verschlungenen, einfallsreichen, aber eben auch an zentralen Stellen (mich jedenfalls) willkürlich anmutenden Beweisgang aufzuzeigen versucht.

Das Buch hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Die inhaltlichen Ergebnisse sind im Einzelnen schwerlich überzeugend. Gleichwohl ist es anregend und in der grundsätzlichen Bestimmung der Theologie der Apk auch durchaus ernst zu nehmen.