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Ausgabe:

Januar/2001

Spalte:

19–21

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Bsteh, Andreas [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Eine Welt für alle. Grundlagen eines gesellschaftspolitischen und kulturellen Pluralismus in christlicher und islamischer Perspektive. Zweite Internationale Christlich-Islamische Konferenz Wien, 13. bis 16. Mai 1997. Mit einer zusammenfassenden Wiedergabe der Diskussion durch A. Bsteh.

Verlag:

Mödling: Verlag St. Gabriel 1999. 431 S. 8 = Beiträge zur Religionstheologie, 9. Kart. öS 365,-. ISBN 3-85264-571-9.

Rezensent:

Volker Küster

Der vorliegende Band dokumentiert die Zweite Internationale Christlich-Islamische Konferenz, die vom 13.-16. Mai 1997 in Wien stattgefunden hat. Die von der österreichischen Regierung initiierte und in Zusammenarbeit des Bundesministeriums für Auswertige Angelegenheiten mit dem Katholischen Religionstheologischen Institut St. Gabriel vorbereitete Tagung sollte thematische Fragestellungen wieder aufnehmen, die durch die erste Konferenz zur Friedensverantwortung von Christentum und Islam im Jahre 1993 aufgeworfen worden waren (vgl. A. Bsteh [Hg.], Friede für die Menschheit. Grundlagen, Probleme und Zukunftsperspektiven aus islamischer und christlicher Sicht [Beiträge zur Religionstheologie, 8], Mödling 1994). Die "Grundlagen eines gesellschaftspolitischen und kulturellen Pluralismus in christlicher und islamischer Perspektive" standen diesmal auf der Tagesordnung.

An drei aufeinanderfolgenden Tagen sollten die theologische, die juristische und politische sowie die kulturelle Dimension des Themas ausgeleuchtet werden. Christian W. Troll formuliert in seinem Eröffnungsreferat "Religiöser Wahrheitsanspruch und gesellschaftspolitischer Pluralismus" die Problemstellung in aller wünschenswerten Klarheit: (1) Lässt der beiden Religionen eigene Wahrheitsanspruch überhaupt einen gesellschaftspolitischen und kulturellen Pluralismus zu? (2) Können Christentum und Islam ein gemeinsames Wertesystem generieren "für das gedeihliche Funktionieren pluralistischer demokratischer Gesellschaften und eines pluralistischen Miteinanders auf Weltebene" (63)?

Troll geht in seinem Vortrag der ersten Frage aus der Sicht der Lehre der katholischen Kirche nach. Sein Resumee lautet: "Auf der Grundlage d[ies]er Unterscheidung zwischen sittlicher und rechtlicher Sphäre kann die traditionelle katholische Lehre, dass Irrtum der Wahrheit gegenüber kein Recht hat, mit der Anerkennung der Religionsfreiheit versöhnt werden" (77). Im Hinblick auf die Missionsbestrebungen der beiden Religionen fordert er einen "gemeinsamen Verhaltenskodex" (97). Sein Ko-referent Seyed Mohammad Khamene'i, dessen Referat verlesen wurde, da er selbst nicht anwesend war, hat mit seinem Lobpreis der islamischen Revolution (126) und der Polemik gegen den westlichen Säkularismus (134 u. ö.) anscheinend auch einige der Konferenzteilnehmer irritiert (136 f.150 f.). An diesem Punkt wird das Dilemma des gesamten Unternehmens deutlich: auf der einen Seite ein theologischer Diskurs (Reflexion über den Wahrheitsanspruch bei Troll), auf der anderen Seite ein politischer (ein offensiv vertretener Wahrheitsanspruch bei Khamene'i). An der Verwendung des Schlüsselbegriffs "Pluralismus" wird bereits überdeutlich, dass, wenn zwei das Gleiche sagen, noch lange nicht dasselbe gemeint sein muss.

Die Problematik tritt in abgeschwächter Form auch bei dem zweiten Referentenpaar Nasira Iqbal und Heinrich Schneider zum Themenbereich "Rechtliche Strukturen und politische Garantien eines Pluralismus auf nationaler und internationaler Ebene" zu Tage. In der dritten Sektion "Kulturelle Identität und das Problem einer Weltkultur" wird dann in gewisser Weise mit vertauschten Rollen gespielt. Mit Mohamed Talbi betritt ein islamischer Wissenschaftler die Bühne, der das Sprachspiel des interreligiösen Dialogs perfekt beherrscht, während der deutsche Parlamentarische Staatssekretär a. D. Volkmar Köhler auf der politischen Klaviatur spielt. So harrt dieser Band mit seiner minutiösen Dokumentation der Gesprächsbeiträge im Plenum einer genaueren Analyse durch die Experten. Ein Buch für das breite Publikum am interreligiösen Dialog Interessierter ist es nicht.