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Ausgabe:

Dezember/2000

Spalte:

1332

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Hirschfeld, Uwe, u. Ulfrid Kleinert [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Zwischen Ausschluß und Hilfe. Soziale Arbeit und Rechtsradikalismus.

Verlag:

Leipzig: Evang. Verlagsanstalt 2000. 200 S. 8 = Akzente der Entwicklung sozialer Arbeit in Gesellschaft und Kirche, 6. DM 24,80. ISBN 3-374-01771-1.

Rezensent:

Matthias Ahrens

Kann ein Buch vor dem Vergessen bewahren? Ist es das richtige Medium, um etwa den einmal erreichten Diskussionsstand zum Verhältnis von Rechtsextremismus und sozialer Arbeit abzusichern? Das jedenfalls erhoffen sich die Herausgeber. Anstatt nach jeder rechtsextremen Gewalttat die Debatte um die politische Einordnung und den angemessenen Umgang mit den Tätern wieder bei Null anzufangen, wünscht T. Simon sich, "daß es uns gelingt, so etwas wie ein fachliches Erbe zu erhalten" (25). In der Breite der Disziplinen, die in der wissenschaftlichen Sozialarbeit zusammenkommen, fächern die Autoren und Autorinnen das Thema auf. Die meisten Beiträge entstammen dem 3. Bundeskongreß Soziale Arbeit, der im September 1998 in Dresden stattfand.

Aus politikwissenschaftlicher Sicht weist U. Hirschfeld auf Parallelen zwischen rechtsextremen Positionen und der Standortdebatte, der "Auseinandersetzung um den Platz Deutschlands an der Sonne" (38) hin. H. Wagner zieht die soziologischen Kategorien "Milieu und Subkultur als Elemente eines empirischen Strukturmodells zum Phänomen des Rechtsextremismus" (76) heran. H. Brandes legt sehr genau Rechenschaft darüber ab, ob es angemessen ist, "psychologische Aspekte von Rechtsextremismus und fremdenfeindlicher Gewaltbereitschaft" (91) zu beleuchten, oder ob das zum verständnisvollen Freispruch für die Täter führt. L. Dorschky steuert "Anmerkungen zum Rechtsextremismus bei Frauen und Mädchen" bei. Es ist offenbar schwer, theologisch über Rechtsextremismus zu reflektieren. Stattdessen begründet R. Evers noch einmal die biblische Gegenposition mit "Überlegungen zum alttestamentlichen Fremdenliebegebot".

Spannend wird es da, wo es weniger um die Rechtsradikalen geht, sondern um den Alltag von Sozialpädagog/inn/en, die mit ihnen umgehen. Wie F. Affolderbach an Beispielen aus Leipzig schildert, hängt die erfolgreiche Abwehr der rechtsextremen Szene entscheidend davon ab, dass ihnen die Basis in Jugendzentren entzogen bzw. gar nicht erst zugestanden wird.

Kann also dieses Buch den einmal erreichten Diskussionsstand in der Debatte um Rechtsextremismus und soziale Arbeit bewahren? Es käme seinem Ziel näher, wenn es auch in der Form Dauerhaftigkeit ausstrahlte und gründlicher lektoriert wäre (Aktualisierung der Beiträge, Druckfehler, Abfassung in der alten Rechtschreibung). Und es hätte auch klarer sein Ziel erreicht, wenn die Perspektiven und Positionen stärker aufeinander bezogen worden wären, etwa in einem Hauptartikel. So dokumentiert das Buch solide die neuere Diskussion über Rechtsradikalismus und soziale Arbeit; die Titelfrage bleibt weiter offen.