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Ausgabe:

November/2000

Spalte:

1200 f

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Luksch, Thomas

Titel/Untertitel:

Predigt als metaphorische Gott-Rede. Zum Ertrag der Metaphernforschung für die Homiletik.

Verlag:

Würzburg: Echter 1998. 303 S. gr.8 = Studien zur Theologie und Praxis der Seelsorge, 35. Kart. DM 48,-. ISBN 3-429-02055-7.

Rezensent:

Wiebke Köhler

Die am katholischen Lehrstuhl für Religionspädagogik und Kerygmatik in München entstandene Dissertation ermöglicht Einsichten in den Rezeptionsprozess von Metapherntheorien in der Homiletik. Dazu schreitet der Autor in drei großen Kapiteln die Felder der theologischen Wissenschaft ab, auf denen es zu Begegnungen mit Theorieansätzen und Theoremen aus dem Bereich der rhetorischen, philosophischen und sprachwissenschaftlichen Metaphernforschung kommt: "1. Horizonte der homiletischen Frage nach der Metaphorik tradierter Gott-Bilder" (25-149), "2. Grundzüge eines homiletischen Metaphernverständnisses" (149-239), "3. Leitlinien für die metaphorische Gott-Rede in der Predigt" (240-283).

Immer wieder fokussiert der Vf. die Darstellung also auf sein homiletisches Interesse: Der gedankliche Dreh- und Angelpunkt ist die fundamentalhomiletische Bestimmung der Predigt als "metaphorische Gott-Rede". Dieses Predigtverständnis erfüllt eine beherrschende heuristische Funktion für die Arbeit, zum einen stellt es eine These zur Verfügung, deren Plausibilität erprobt wird, zum anderen hat es topische Qualitäten. Es geht dem Vf. nämlich in besonderer Weise darum, sich mit den Aspekten des Verkündigungsgeschehens zu beschäftigen, die aus der inhaltlichen Gebundenheit an traditionelle Metaphernfelder entstehen. Weil die biblischen Texte von Gott als Vater, König, Richter oder Hirten sprechen, muss die Predigt über sie sich immer wieder neu dem Problem stellen, wie diese Metaphern noch ihre theologische und rhetorische Erschließungskraft halten können. Ausgangspunkt für diese Ebene des Darstellungsinteresses ist eine Lehräußerung der gemeinsamen Synode der deutschen Bistümer, in der es heißt: "Diese Bilder und Gleichnisse vom großen Frieden der Menschen und der Natur im Angesichte Gottes, von der einen Mahlgemeinschaft der Liebe, von der Heimat und vom Vater, vom Reich der Freiheit, der Versöhnung und der Gerechtigkeit, von den abgewischten Tränen und vom Lachen der Kinder Gottes - sie alle sind genau und unersetzbar." (49)

Dieses Zitat lässt erkennen, dass auch in der zu Lehräußerungen geronnenen katholischen Normaldogmatik vom instrumentellen Verständnis der Metapher als einer rhetorischen Figur abgerückt wird und die grundsätzliche Bedeutung der sprachphilosophischen Diskurse über die Metapher im Horizont einer hermeneutisch-kritischen Rhetorik für die unterschiedlichen Sprachebenen des Glaubens gewürdigt wird. Die Arbeit versucht also sowohl die entscheidenden Entwicklungen im außertheologischen Metapherndiskurs zu verarbeiten, deren innertheologische und besonders homiletische Rezeption zu verfolgen und nicht zuletzt immer wieder grundsätzlich zu plausibilisieren, dass eine theologisch reflektierte Metapherntheorie von berechtigtem Interesse ist.

Um den drei Polen seines Darstellungsinteresses gerecht zu werden, verarbeitet der Autor eine beeindruckende Menge von Material zum Thema. Für den Gesamtduktus der Arbeit ist die Verwobenheit der Darstellungsinteressen und die Fülle dessen, was der Vf. als Argumentationsmaterial immer wieder ins Spiel bringt, belastend. Zwar wirkt die Gliederung der Arbeit zunächst sehr transparent und streng am homiletischen Interesse orientiert. Die Einleitung weist aus, dass es der Arbeit "primär um einen Beitrag zur Entwicklung eines homiletischen Metaphernverständnisses und nicht um eine geschichtliche oder materiale Erforschung eines Teilbereichs" (23) geht. Andererseits nimmt der Autor von Beginn an eine materiale Eingrenzung im Bereich der Metaphern selbst vor: Es gehe um die "tradierte(n) Gott-Bilder" (24). Man kann vermuten, dass deren topische Qualität offensichtlich eine fundamental-homiletische Relevanz durchsetzen sollen. Aber wie?

An diesem Punkt scheinen sich Ebenen des Diskurses im theologischen Interesse zu vermischen. Denn haben die tradierten Gott-Metaphern und ihre bildlich-argumentative Kraft wegen ihrer besonderen Dignität etwa einen höheren theoretischen Status als jeder andere Metaphorisierungsprozess im sprachlichen Geschehen? Der Autor erweckt durch die konsequente Einschränkung auf materialer Ebene fast den Anschein, als ob gewissermaßen ,kryptoontologische' Argumentationsmuster weiterhin aus dem Hintergrund seinen Diskurs lenken. Dieser Eindruck wird auch dadurch verstärkt, dass der Vf. sein vielfältiges und im Aussageinteresse völlig unterschiedliches theoretisches Material so verarbeitet, dass sich in seiner Darstellung keine Hierarchien etablieren. Alles scheint sich theoretisch auf derselben Ebene zu befinden und wird nur im Bezogensein auf das Phänomen der Gott-Metaphern in der Predigt präsentiert. Weniger das Interesse an einem theoretisch homogenen Gedankenfortschritt bestimmt die Darstellung, sondern der Text stellt vor, wie viele Möglichkeiten der Bezugnahme des Metaphern-Themas auf homiletische Aspekte es inzwischen gibt.

Die Lektüre der Arbeit bleibt trotz der systematischen Schwächen interessant für jeden, der sich mit dem Themenkomplex "Metapher und Predigtlehre" auseinandersetzen will. Sie wirkt anregend und weist in Gesprächszusammenhänge ein- ohne wesentlich Neues beizutragen -, die für die Homiletik entscheidend sind. Leider fehlt ein Register, das die schnelle Orientierung innerhalb der Darstellung ermöglicht.