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Ausgabe:

November/2000

Spalte:

1199 f

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Eberhardt, Hermann

Titel/Untertitel:

Pastorale Ethik. Praktische Seelsorge-Theologie II

Verlag:

Bielefeld: Luther 1999. 257 S. 8. Kart. DM 29,80. ISBN 3-7858-0411-3.

Rezensent:

Franz-Heinrich Beyer

Zehn Jahre nach Erscheinen des Bandes "Praktische Seelsorge-Theologie" (Bielefeld 1990; 2. Aufl. 1993 - Rez.: ThLZ 117, 1992, 220-222) hat der Vf. eine Fortsetzung veröffentlicht - "Praktische Seelsorge-Theologie II". Auf die pastorale "Dogmatik" lässt Hermann Eberhart eine "Pastorale Ethik" folgen, also eine Ausführung der "ethischen Implikationen des Seelsorgerkonzepts". Dieses Vorhaben wird vom Vf. damit begründet, "daß gerade die Wende vom paternalistischen zum partnerschaftlichen Seelsorgeverständnis die Forderung aus sich heraussetzt, die ethische Reflexion zu kultivieren" (13). Das Aufmerksammachen darauf ist wichtig - und es rückt eine bislang wenig thematisierte Fragestellung in den Blick.

Die beiden Teile der "Praktischen Seelsorge-Theologie" können als Entwurf einer Pastoraltheologie gelesen werden, einer Literaturgattung also, die ganz bewusst die Person des Seelsorgers als Bezugspunkt in das Zentrum stellt. Was in Seelsorgekonzeptionen sonst aus psychologischer Sicht zu Rolle und Person der Seelsorger und Seelsorgerinnen ausgeführt wird, das wird hier unter dem Aspekt einer "lebenstüchtigen Ethik" ausgebreitet: Die seelsorgerliche Beziehung wird in einem transmoralischen Raum etabliert; das Annehmen des Pastoranden als Beziehungspartner geschieht unabhängig von seiner moralischen Verfasstheit. Der Seelsorger übernimmt nur für seinen Teil Verantwortung für die Beziehung. Er lässt sich weder als Stütze oder als naiver Bestätiger eines untauglichen Lebenskonzepts missbrauchen, noch liefert er sich einer hilflosen Helferbindung aus. Er begegnet dem Pastoranden unter dem Ethos erwachsener Partnerschaft und mutet ihm zu, die Verantwortung für seine Lebensführung letztlich selbst zu tragen. Seelsorge ist mithin zumindest für den Seelsorger immer zugleich von ethischer Auseinandersetzung begleitet (232). Das bereits in Bd. 1 erarbeitete Grundverständnis von Seelsorge, bei dem es dem Vf. zufolge darum geht, "das In-Beziehung-Sein der ,Seele' wahrzunehmen" (I, 195), stellt auch die Grundlage für Bd. 2 dar. Allerdings gibt es formale Unterschiede zwischen beiden Bänden: Wurde in Band 1 das Inhaltsverzeichnis systematisch nummerisch strukturiert, so verzichtet der Vf. im zweiten Band darauf; hier werden Überschriften lediglich durch Fettdruck hervorgehoben. Dieser Unterschied scheint ein Indiz für die Schwierigkeit der Zuordnung der einzelnen Teile zu sein. Auf das Vorwort folgen eine Einführung, dann: Grundüberlegungen zur Ethik (37 S.), Grund-Sätze seelsorgerlicher Ethik (16 S.), Ethik seelsorgerlicher Haltung (24 S.), Konkretionen (35 S.).

Außerordentlich anregend ist die Lektüre der Konkretionen. Hier möchte der Vf. die Relevanz der zuvor entwickelten ethischen Reflexionen exemplarisch in einen pfarramtlichen Kontext einzeichnen. Als solche Kontexte werden beschrieben: Die Trauung, die Taufe, das freie Gespräch sowie der Kontext Amtsführung (Diakonie, Liturgie, Predigt, Verwaltung, Qualitätssicherung). Die Überschriften machen deutlich, dass den Leser hier eine kleine Pastoraltheologie erwartet, gegründet auf breit reflektierter Erfahrung und selbstverständlichem Umgang mit den Schriften der Bibel. Dabei gelingt es dem Vf. gleichsam spielerisch, die Bedeutung des transaktionsanalytischen Instanzenmodells von E. Berne für die Klärung der Beziehung in dem je konkreten Kontext deutlich werden zu lassen.

Weitere ansprechende Reflexionen sind ethischen Konfliktfeldern gewidmet - Schwangerschaftsabbruch, Generationenbeziehung, Umgang mit Fremden, Umgang mit Behinderten, der Zusammenhang von Frieden und Macht (Militärseelsorge). Von der Lektüre dieser Teile her ist dem Rez. auch der Stellenwert der voranstehenden ethischen Reflexionen deutlicher geworden. Insgesamt aber erscheint die Zuordnung nicht ganz einsichtig; bei zahlreichen Fragestellungen kommt es zu Überschneidungen. Neben solchen kritischen Anmerkungen soll aber noch auf einige pointierte Ausführungen verwiesen und deren Lektüre empfohlen werden: So zu der pastoralen Kompetenz und Haltung des Seelsorgers (81 f.), zum Moralismus unter Christen (93), zur Frage Amtshandlung und Kirchenmitgliedschaft (123 f.), zur Frage nach Solidarität oder Bevormundung im Umgang mit Behinderten (166) oder zur Frage des Ich in der Predigt (218). Diese ganz subjektiv getroffene Auswahl mag verdeutlichen, was dieses Buch zu leisten vermag und was nicht. Der zweite Band der "Praktischen Seelsorge-Theologie" von E. ist stärker als Arbeitsbuch zu verstehen denn als eine in sich stringente Grundlegung, aber als solch ein Arbeits- und Studienbuch, in dem insbesondere die Reflexionen zu den Konkretionen sich durch einen weiten Horizont und durch eine auslotende Tiefe auszeichnen, das darum zum Reflektieren der eigenen Praxis befähigt und ermutigt. Dazu ist dem Buch eine zahlreiche Leserschaft zu wünschen.