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Ausgabe:

September/1997

Spalte:

847 f

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Waldenfels, Hans

Titel/Untertitel:

Einführung in die Theologie der Offenbarung.

Verlag:

Darmstadt: Wissenschaftl. Buchgesellschaft 1996. 208 S. 8 = Die Theologie. DM 39,80. ISBN 3-534-11864-2.

Rezensent:

Matthias Heesch

Die Frage nach dem für den christlichen Glauben und seine Reflexionsgestalt, die Theologie als Wissenschaft, konstitutiven Phänomen wird neuzeitlich überwiegend - teils implizit, teils ausdrücklich - mit dem Hinweis auf Offenbarung beantwortet. Der Begriff ist aber material erklärungsbedürftig, und zwar in historischer und systematischer Hinsicht. Unter ersterem Aspekt muß Anschluß an ältere Wesensbestimmungen des Christlichen gehalten werden (a). Die systematische Fragestellung betreffend, ist vor allem der spezifisch christliche Gehalt des Begriffs herauszustellen und im Rahmen der Anforderungen des gegenwärtigen Wahrheitsbewußtseins zu explizieren (b).

a) Der Autor unternimmt es zunächst, die historische Genese und die im Geschichtsverlauf unterschiedlichen Konkretisierungen des Begriffs Offenbarung - auch dort, wo für den gemeinten Sachverhalt andere termini technici verwendet werden - von den biblischen Quellen über die Dogmengeschichte bis in die Gegenwart zu verfolgen. Die hierfür gebotenen Skizzen sind knapp, aber arbeiten die jeweils wesentlichen Aspekte sicher heraus. Dem nicht auf eine Konfession bezugnehmenden Titel entspricht es, daß bei deutlich werdendem römisch-katholischen Standpunkt der Abhandlung auch evangelische Positionen (Reformation, F. Schleiermacher, K. Barth, G. Ebeling, W. Pannenberg) kompetent behandelt werden. Allerdings verwundert die eine oder andere Unvollständigkeit hinsichtlich neuerer Diskussionsbeiträge zum Thema Offenbarung in W.s Ausführungen und im Literaturverzeichnis.

b) Der spezifisch christliche Gehalt des Offenbarungsbegriffs und die an ihn anschließenden Explikationsaufgaben sind be-gründet in der für das Christentum fundamentalen Überzeugung von der überzeitlichen Bedeutung des Christusereignisses bei gleichzeitigem Festhalten an seiner Geschichtlichkeit (100 f., 171 f., 182 u. ö.). Sowohl das Lehramt und die ihm folgenden Theologen als auch einige als Modernisten von Rom abgelehnte Autoren versuchen auf jeweils unterschiedliche Weise, diesem Explikationserfordernis durch ein von W. so bezeichnetes "kommunikationstheoretisches Offenbarungsverständnis" zu entsprechen (122 u. ö.). Dieses bestimmt sich in der Gegenwart im Anschluß an K. Rahner als Selbstmitteilung Gottes im ge-schichtlichen Christusereignis (132), wobei die sich damit er-öffnende Heilsgeschichte "koextensiv" (134) zur Menschheitsgeschichte verläuft, was auch bedeutet, daß es so etwas wie ein implizites Christentum gibt, weil das Angesprochensein in der Christusoffenbarung letztlich für die gesamte Menschheit transzendental bedingend ist (134-138, im Anschluß an K. Rahner und E. Schillebeeckx). Das transzendentale Wesen der Christus-offenbarung realisiert sich in der Begründung eines thematisch umfassenden und handlungsleitenden christlichen Wirklichkeitsverständnisses (157 u. ö.). Die oben erwähnte kommunikationstheoretische Auffassung der Offenbarung bestimmt nach W. auch die lehramtlichen Festlegungen des Zweiten Vatikanischen Konzils (143). Für die Gegenwart sieht W. es als erforderlich an, den Anspruch der Christusoffenbarung festzuhalten und ihn, den Grundsätzen des kommunikativen Offenbarungsverständnisses entsprechend, in der Situation einer pluralistischen Weltgesellschaft geltend zu machen (181). Ein solcher Kommunikationsvorgang soll die die Gegenwartssituation be-stimmenden Relate der Christusoffenbarung einerseits und eines nicht grundsätzlich hinterfragbaren Pluralismus andererseits einander annähern (144-150, 171-182 u. ö.).

W.s klar geschriebenes und übersichtlich aufgebautes und ar-gumentierendes Werk vermittelt in historischer und systematischer Hinsicht, vor allem auch wegen der Verschränkung dieser beiden Gesichtspunkte, einen guten Überblick über das Thema. Bemerkenswert ist vor allem, daß die Kontinuität gegenwärtigen und früheren theologischen Fragens sehr deutlich wird. Da die derzeitige Situation oft auf der einen Seite von einem hektischen Eingehenwollen auf die vermeintlichen Anforderungen der weltanschaulichen Vielfalt bei gleichzeitigem Ignorieren der christlichen Überlieferung und ihrer Sachanliegen geprägt ist, während andererseits auch fundamentalistische Immunisierungsstrategien Anklang finden, ist W.s gelassenes Eintreten für den Wahrheitsgehalt des Christentums bei gleichzeitigem Respekt vor dem Pluralismus der Gegenwart eine bedenkenswerte Option.