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Ausgabe:

Juli/August/1997

Spalte:

639 f

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Mooren, Thomas

Titel/Untertitel:

Es gibt keinen Gott – außer Gott. Der Islam in der Welt der Religionen.

Verlag:

Würzburg: Echter; Altenberge: Oros 1996. 195 S., 70 Abb. auf Taf. 8 = Religionswissenschaftliche Studien, 39. Pb. DM 48,-. ISBN 3-429-01839-0 u. 3-89375-128-9.

Rezensent:

Andreas Feldtkeller

Die dem Buch aufgegebene Thematik wird konsequent anhand von Quellentexten behandelt. Das bewahrt den Vf. davor, im Umgang mit "dem Islam" und "der Welt der Religionen" mit unzulässigen Verallgemeinerungen zu operieren. Über lange Strecken hinweg findet ein Gespräch statt zwischen übersetzten Abschnitten aus den Quellen und Erläuterungen des Vf.s, die gut gegeneinander abgehoben sind, so daß auch für nicht spezialisierte Leser die Argumentation nachprüfbar bleibt. Für ein tiefergehendes Interesse sind Schlüsselbegriffe in Arabisch, Sanskrit und anderen Sprachen als Umschrift wiedergegeben und erschließen so den besonderen Vorzug des Vf.s, sich mit den jeweils wichtigsten Originalsprachen aller großen Weltreligion vertraut gemacht zu haben.

Sein Interesse in diesem Buch ist in erster Linie kein historisches, sondern ein systematisches. Die von ihm verwendeten Quellen überbrücken eine Zeitspanne von zweieinhalb Jahrtausenden, ohne dabei irgendeiner Art von Entwicklungsgedanken unterworfen zu werden. Ziel ist vielmehr, "dem Arbeiten und Funktionieren der Logik monotheistischer Theologie... auf die Spur zu kommen, damit größere Einsicht in die zur Debatte stehenden Sachverhalte uns vor falschen Hoffnungen und Kurzschlüssen bewahrt, aber auch den Blick eröffnet für das, was im interreligiösen Dialog eventuell wirklich möglich ist" (6). Mit diesem dialektischen Ziel vor Augen hat die Darstellung einen gewissermaßen symmetrischen Aufbau bekommen, bei dem die zweite Hälfte einen ähnlichen Weg zurückgeht, wie ihn die erste Hälfte gekommen ist:

Im 1. Kap. wird als ein Beispiel gelingenden Dialogs zwischen dem Islam und anderen Religionen die Beschäftigung von Al-Biruni (973-1048) mit indischer Religiosität vorgestellt, doch es fällt auch ein Blick auf die Fähigkeit dieses Autors, übliche Streitpunkte zwischen Islam und Christentum als vorwiegend sprachliche Probleme zu erkennen (39 ff.). Als Exempel für Grenzen des Verstehens folgt im 2. Kap. die "Konvergenztheorie der Religionen" von Ahmad Salabi, wo die gesamte Religionsgeschichte vom Maßstab islamischen Dogmas her beurteilt wird.

In der Mitte des Buches tritt die eigene religionstheologische Position des Vf.s in den Vordergrund: Im 3. Kap. stellt er Abraham, Paulus und Muhammad zueinander - vor allem unter dem Aspekt, daß sie in ihrer jeweiligen Umgebung zu Dissidenten wurden und einen Exodus vollzogen (74; 82 f.). Im 4. Kap. entfaltet er seine Deutung des islamischen Monotheismus: Der erste Halbsatz des Glaubensbekenntnisses "Es gibt keinen Gott" sei Ausdruck eines A-Theismus ("tabula-rasa-Logik"), in den dann der "Radikal-Monotheismus" des "außer Gott" hereinbreche (112 u. ö.). Solche "Theo-Logik" wird dem weicheren Prinzip einer "Mytho-Logik" entgegengesetzt, als deren Prototyp zu Be-ginn des Kapitels die Religion von Hawaii vorgestellt wird.

Nachdem diese Grundprinzipien der Religionsinterpretation des Vf.s eingeführt sind, lassen sich die darauf folgenden weiteren Beispiele für Begrenzung und Möglichkeiten islamischer Dialogfähigkeit darauf zurückführen: In Abd al-Dschabbars (gest. 1025) Widerlegung der Trinitätslehre und Christologie von Nestorianern und Monophysiten (5. Kap.) kommt die "tabula-rasa-Logik" zum Ausdruck (137). In der Mystik von Ibn al-'Arabi (1165-1240) dagegen, die im 6. Kap. mit der Svetasvatara Upanisad verglichen wird, ist es möglich, die Welt in Kategorien göttlichen Seins zu interpretieren, den Gegensatz zwischen der Einheit Gottes und der Vielheit in der Welt zu überbrücken, und so auch der Theo-Logik eine weichere Sprache zu geben.

Dem beschriebenen Aufbau entsprechend endet das Buch nicht mit zusammenfassender Deutung, sondern mitten aus der Besprechung der Quellentexte heraus. Es hinterläßt den Eindruck, in postmoderner Weise eine Reihe von Anstößen zu weiterem Nachdenken gegeben zu haben, aber keine systemisch in sich abgeschlossene Interpretation.

Leider stört die Häufigkeit orthographischer Fehler im Druck etwas das Gesamtbild. Ein Anhang enthält u. a. 70 schwarz-weiße Abbildungen, deren Beziehung zum Text manchmal etwas assoziativ wirkt. So ist die Erwähnung von israelitischen Hausgöttern im arabischen Quellentext (49) durch drei Abbildungen anatolischer Göttinnen aus dem 6. Jt. v. Chr. illustriert, und eine beiläufige Bemerkung darüber, was Paulus nicht mit Sünde ge-meint hat (78), ist durch nicht weniger als 6 Kunstwerke des 19. Jh.s breit ausgeschmückt, die der Rezeption des Buches durch muslimische Dialogpartner(innen) nicht unbedingt zuträglich sein werden.