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Ausgabe:

Juni/1996

Spalte:

602 f

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Saal, Holger

Titel/Untertitel:

Das Symbol als Leitmodell für religiöses Verstehen. Tiefenpsychologische Theoriemodelle und ihre Konsequenzen in didaktischen Vermittlungsprozessen.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1995. 306 S. gr.8o = Arbeiten zur Religionspädagogik, 11. DM 88,-. ISBN 3-525-61461-6.

Rezensent:

Christian Grethlein

Eingangs gibt der Vf. einen weiten Rahmen für seine vom Münchener Religionspädagogen H. J. Fraas betreute Dissertation an. Es soll um den tiefenpsychologischen Umgang mit biblischen Texten gehen. Dazu ist "die fundierte Aufarbeitung der methodischen Voraussetzungen und Denkschemata Freuds und Jungs" (13) unerläßlich, mit dem Ziel, "einen Kriterienkatalog an die Hand zu geben, der eine theologische Beurteilung des tiefenpsychologischen Umgangs mit dem Bibeltext gewährleistet". Endlich steht "eine Verhältnisbestimmung von Theologie und Tiefenpsychologie" an. (13)

Tatsächlich rekonstruiert der Vf., ohne daß es aus der systematisch unergiebigen Gliederung der Arbeit gleich ersichtlich wäre, das Symbolverständnis Freuds und einiger seiner Nachfolger und Jungs. Dabei arbeitet er vom - offensichtlich normativ gebrauchten - Symbolverständnis Lorenzers herkommend heraus, daß der Freudsche Symbolbegriff in der Gefahr steht, zum "Zeichen", der Jungsche Symbolbegriff dagegen zum "Klischee" zu werden. Der Freudsche Ansatz und dessen Weiterentwicklung durch Reik und Scharfenberg stellt der Vf. einfühlsam und mit manchen gelehrten Hinweisen in den Anmerkungen dar.

Leider verarbeitet er aber noch nicht das - etwa eineinhalb Jahre vor Drucklegung erschienene - Buch von E. Nase, Oskar Pfisters analytische Seelsorge (Berlin, New York 1993), das neues Licht auf die theologische Rezeption und Weiterentwicklung (!) Freuds durch den Schweizer Theologen wirft.

Weniger gelungen ist die Beschäftigung mit C. G. Jung. Immer wieder werden - teilweise recht herablassend vorgetragen - die aus der Literatur schon bekannten Kritikpunkte genannt, ohne daß hinreichendes Interesse für den Erkenntnisgewinn der Jungschen Arbeiten entwickelt wird. Schwer verständlich ist, wie selbstverständlich der Autor sein Urteil über die Wirkung Jungs fällen kann, ohne auf P. Tillich einzugehen. Die in einer Anmerkung genannte Begründung, daß das Symbolverständnis Tillichs bereits anderweitig ausreichend bearbeitet wurde (80 Anm. 53), könnte ähnlich auch für Freud oder Jung geltend gemacht werden und ist sachlich nicht stichhaltig. Vielmehr entgeht dem Vf. durch diese Auslassung die theologisch (und religionspädagogisch) wohl wichtigste Wirkung des Jungschen Symbolverständnisses.

Erstaunlich ist angesichts der Schärfe des Urteils, daß der Vf. die Rezeption Jungs in der US-amerikanischen Diskussion überhaupt nicht berücksichtigt. Sachlich tritt bei der Auseinandersetzung mit Jung auch der Bezug auf die Auslegung biblischer Texte, die im Freudschen Teil wenigstens manchmal thematisiert wurde, fast völlig zurück.

Den Abschluß bildet ein Kap., das die gewonnenen Erkenntnisse auf die Symboldidaktik, konkret die Ansätze von H. Halbfas und P. Biehl, anwenden soll. Leider wiederholt der Vf. bei seinen Ausführungen zu Halbfas nur das bereits gegen Jung Vorgebrachte. Didaktische Überlegungen bleiben vollkommen ausgespart. Der etwa von Büttner vorgetragene Hinweis auf die Bedeutung der Schulform und Altersstufe für die symboldidaktischen Differenzen zwischen Biehl und Halbfas oder auch die Diskussion um eine interreligiöse Didaktik könnten hier erheblich weiterführen.

Insgesamt liegt eine Arbeit vor, die vor allem in dem Freud, Reik und Scharfenberg betreffenden Teil gut informiert. Problematischer sind dagegen die Ausführungen zu C. G. Jung. Das Hauptproblem ist aber, daß der Arbeit eine klare Fragestellung fehlt und so der Leser/die Leserin auf die eingangs genannten, wichtigen Fragen keine hinreichende Antwort erhält.