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Ausgabe:

September/1996

Spalte:

893 f

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Stortz, Martha Ellen

Titel/Untertitel:

Pastor Power. Aus dem Amerik. von W. Stegemann.

Verlag:

Stuttgart-Berlin-Köln: Kohlhammer 1995. 168 S. 8o. Kart. DM 39,80. ISBN 3-17-013231-8.

Rezensent:

Manfred Josuttis

Zwischen Allmachtswünschen und Ohnmachtserfahrungen ist die Realität pastoraler Macht in der Gemeindearbeit schwer wahrzunehmen. Das Buch der amerikanischen Theologin, die an der Pacific Lutheran School of Theology in Berkeley lehrt, kann durch kategoriale Differenzierung helfen, die Schwierigkeiten und Möglichkeiten eines Dienstes, der an der Machtfrage nicht vorbeikommt, genauer ins Auge zu fassen.

Der Aufbau der Studie ist theoretisch fundiert und praktisch weiterführend. Im Anschluß an sozialwissenschaftliche Machtkonzepte unterscheidet die Vfn. drei Arten von Führungsstilen: "Macht über", "innere Macht" und "Macht mit". Was mit diesen Stichworten gemeint ist, wird an einer Fallstudie demonstriert, auf weitere Phänomene hin generalisiert und theologisch in trinitarischer Perspektive diskutiert. Ziel ist "eine Lektüre säkularer Machttheorien im Lichte der Trinität" (47).

Alle Typen von Machtausübung können positiv wie negativ praktiziert werden. Das zu betonen ist insbesondere im Fall der "Macht über" wichtig, die durch asymmetrische Beziehungen charakterisiert ist und z. B. in der Medizin, der Pädagogik, im Elternhaus und in der Bürokratie begegnet. Der Allmacht des trinitarischen Gottes gemäß gilt für die pastorale Praxis der Leitsatz: "Menschen, die Macht über andere ausüben, müssen immer dazu bereit sein, sie auf andere auszugießen" (75).

Bei der Beschreibung von "innerer Macht" folgt Stortz durchweg den Vorgaben M. Webers und seinen Aussagen zur charismatischen Autorität. Weiterführend ist der Vorschlag von D. Emmet, die noch einmal zwischen dem hypnotischen charismatischen Führer und dem inspirierenden charismatischen Führer differenzieren möchte (99). Für die pastorale Praxis ergibt sich daraus die Testfrage, ob jemand aus der Kraft des Geistes die Gemeinde verzaubert oder animiert (108 f.).

"Macht mit", "koaktive Macht", begegnet in solidarischen Gruppen, die ein gemeinsames Ziel anstreben, und wird hier durch die Stichworte "Zusammenarbeit und Freundschaft" eingeführt (110). Die trinitarische Lokalisierung verweist auf das grundlegende Problem. Die "Freundschaft Jesu" eröffnet den Jüngern die "Macht mit" durch die Wahrnehmung von "Macht über" und "innerer Macht" (135). Alle Bewegungen, die Gleichheit durchsetzen wollen, in den Gewerkschaften, im Feminismus, in alternativen politischen Gruppen, können ihre Intentionen in der Öffentlichkeit immer nur mit Hilfe starker Führungspersönlichkeiten durchsetzen.

Deshalb beschreibt der Aufbau des Buches nicht nur eine sachliche Systematik, sondern auch eine praktische Zielsetzung. Pfarrer und Pfarrerin sind gehalten, ihre jeweilige "Macht über" aus der "inneren Macht" so einzusetzen, daß daraus eine koaktive Gemeinde erwächst. Dazu dürfte es freilich notwendig sein, daß man zwischen der charismatischen Macht im soziologischen Sinn und der spirituellen Vollmacht noch genauer differenziert, als es in den Ausführungen der Vfn. geschieht (86 ff.). Auch und gerade beim Phänomen der Macht darf man Pneumatologie und Psychologie bzw. Sozialpsychologie nicht einfach identifizieren.

Auch wenn die Fallstudien innergemeindliche Konflikte be-treffen, ist die Thematik des Buches hilfreich für eine Kirche, die angesichts gesellschaftlicher Entwicklungen sehr schnell in Ohnmachtsgehabe oder Betriebsamkeit absinkt.