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Ausgabe:

Juli/August/1996

Spalte:

750

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Grözinger, Albrecht

Titel/Untertitel:

Praktische Theologie als Kunst der Wahrnehmung.

Verlag:

Gütersloh: Kaiser/Gütersloher Verlagshaus 1995. 159 S. 8o. Kart. DM 68,-. ISBN 3-579-02091-9.

Rezensent:

Rudolf Bohren

Die Ausgangsthese, wonach wir an der Schwelle einer multikulturellen Gesellschaft stehen, mag diskutabel erscheinen; unangefochten bleibt die Folgerung, wonach "komplexe Situationen... nach distinguierten Wahrnehmungen" rufen. Dazu hat Grözinger ein hilfreiches, ja notwendiges und schönes Buch geschrieben, das zur Wahrnehmung sensibilisiert, den Lesern wie den Leserinnen überraschende Ausblicke und Einsichten eröffnet, zudem in jedem Kapitel neue Impulse zu vermitteln vermag.

Auch wenn der Anfang mit den fiktiven Tagebucheintragungen eines Stadtpfarrers clichéhaft anmutet, vermag der Autor zu "zeigen": Ausgehend von einem Hitchcock-Film führt G. ins Thema ein mit einem Überblick über "Wahrnehmung im Horizont der Bibel" und stößt dann - von Schleiermacher her - auf "Wahrnehmung als (geheimes) Thema der Praktischen Theologie". In den kommenden sieben Kapiteln geht allemal ein Licht auf, so daß zuletzt ein siebenarmiger Leuchter vor dem Leser steht. Verschiedenartige künstlerische Phänomene markieren einen Sachverhalt, den der Autor zum Schluß theologisch auf den Punkt bringt. So macht er das Kunstwerk zum Arm, auf den er eben sein Licht setzt, das nun seinerseits das künstlerische Phänomen erhellt.- Auf das Ziel Praktischer Theologie deutet metaphorisch der weiße Fleck bei Cézanne. Weiß ist die Farbe des Himmels und Praxis beginnt beim Weiß, beim "Nullpunkt". Vom "Nullpunkt" her wäre m.E. deutlich zu machen, daß ein Sinn gestärkt wird nur in Reduktion der übrigen Sinne. Damit rückt das Bilderverbot in ein neues Licht, damit stellt sich die Frage, was die mortificatio für eine Wahrnehmungslehre bedeutet? Und weiter: Wie verändert sich die Kunst der Wahrnehmung, wenn diese als "Volkskunst" - als Kunst des Gottesvolkes - verstanden wird?

Die Qualität einer theologischen Arbeit zeigt sich auch an den Fragen, die sie weckt. Zum "Nullpunkt" gehört das Fragen. So stehe ich nicht an zu erklären, daß Grözinger der Praktischen Theologie einen Markstein gesetzt hat, der über unser Fach hinaus Beachtung verdient.