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Ausgabe:

September/1996

Spalte:

887 f

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Bucher, Anton A.

Titel/Untertitel:

Einführung in die empirische Sozialwissenschaft. Ein Arbeitsbuch für TheologInnen.

Verlag:

Stuttgart-Berlin-Köln: Kohlhammer 1994. 144 S. gr.8o. Kart. DM 34,-. ISBN 3-17013174-5

Rezensent:

Karl-Fritz Daiber

Seit dem von C. Bäumler und seinen Mitarbeitern verfaßten Arbeitsbuch "Methoden der empirischen Sozialforschung in der Praktischen Theologie" von 1976 ist die Veröffentlichung von Bucher der erste weitere Versuch, speziell für Theologen eine Einführung in die empirische Sozialwissenschaft zu schreiben. Der Wert des Buches liegt zunächst in dem Signal, das es setzt: Empirische Sozialforschung hat innerhalb der Theologie ihren Platz. Ob dies wirklich so ist, bleibe dahingestellt. Daß dies so sein sollte, müßte im Grunde unter dem Aspekt der Praktischen Theologie unbestritten sein. Eigentlich wäre ein praktisch-theologisches Proseminar nötig, innerhalb dessen auch in die Methoden der empirischen Sozialforschung eingeführt wird. Es wird kaum falsch sein anzunehmen, daß weder innerhalb der katholischen Theologie noch der evangelischen Theologie ein entsprechendes Proseminar regelmäßig angeboten wird, wenn es denn überhaupt so etwas gibt. Buchers Einführung gibt Anlaß, über die hier angedeutete Problematik nachzudenken.

Die vorgelegte Einführung in die empirische Sozialforschung greift alle relevanten Problembereiche auf. Sie nennt Arten von empirischen Untersuchungen. Sie zeigt verschiedene Methoden empirischer Sozialforschung auf, die Methode des Beobachtens, der mündlichen Befragung, der schriftlichen Befragung oder der Gruppendiskussion. Schließlich werden Probleme der Inhaltsanalyse und der Codierung erörtert. Das Buch schließt mit Kurzeinführungen in die beschreibende und in die schließende Statistik ab.

Wer als Theologin oder Theologe einen Überblick über die Verfahren der empirischen Sozialwissenschaft gewinnen möchte, sollte auf Buchers Arbeit zurückgreifen. Man sollte allerdings dann wissen, daß empirische Sozialforschung nur gelernt werden kann, wenn man sie praktisch vollzieht.

Genau besehen setzt das Buch eine hohe Motivation voraus, sich auf die empirische Sozialforschung innerhalb der Theologie einzulassen. Von daher stellen sich Anfragen an seine Didaktik und an die Auswahl des Stoffes. Die Wahl von Beispielen aus dem religionspädagogischen bzw. praktisch-theologischen Arbeitsbereich reicht nicht aus, um eine derartige Motivation zu erzeugen.

Eine zweite Anfrage richtet sich darauf, ob der Vf. insgesamt in die Methodik eines empirischen Forschungsprojektes als ganzem zureichend einführt.

Zugegeben, dies ist nicht seine primäre Fragestellung, gleichwohl ist im Rahmen einer Einführung für Theologinnen und Theologen die Frage höchst relevant. Bucher bringt zwar ein praktisches Beispiel (15 ff.). Im Rahmen dieser Einführung stellt er die notwendigen Arbeitsschritte dar, aber gleichwohl hätte gerade in diesem Kontext der Zusammenhang von Theorie und empirischer Forschung gründlich vorgestellt werden müssen. Dies gilt für den Arbeitsschritt "Forschungsidee" ebenso wie für die Diskussion der Ergebnisse. Wer im Blick auf die empirischen Ergebnisse keine theoretische Idee hat, wer die empirischen Forschungsschritte nicht vor dem Hintergrund einer theoretischen Idee entwickelt, wird sich schwer tun, aus den empirischen Ergebnissen zureichende Schlüsse zu ziehen, eben wiederum theoretisch begründbare, einzuordnende Schlüsse. Auch Forschungsansätze, auf die Bucher mit Recht hinweist, die theoretische Erkenntnisse erst im Zuge der empirischen Forschung zu gewinnen versuchen, können auf die Theorieentwicklung, eben im Zuge der empirischen Forschung, nicht verzichten, und zwar immer dann, wenn sie mehr sein wollen, als ein Bericht beliebig ausdeutbarer Erfahrungen.

Schließlich eine letzte Problematik: Wer empirische Sozialwissenschaft als Theologe anwenden will, bedarf des Erfahrungsaustausches auch mit Soziologen. Wer das Buch von Bucher benützt, sollte es so verstehen, daß es Theologinnen und Theologen hilft, das Fachgespräch mit empirisch arbeitenden Sozialwissenschaftlern zu suchen. Man überschätzt Bücher, wenn man meint, sie könnten die personale Kommunikation über Fachprobleme ersetzen. Ich vermute, daß mir Anton Bucher hier voll zustimmt.