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Ausgabe:

Juni/1996

Spalte:

590–592

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Honnefelder, L. u. G. Krieger [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Philosophische Propädeutik. 1: Sprache und Erkenntnis.

Verlag:

Paderborn-München-Wien-Zürich: Schöningh 1994. 316 S. 8° = UTB für Wissenschaft. Kart. DM 29,80. ISBN 3-506-99460-3.

Rezensent:

Heimo Hofmeister

Das vorliegende Buch stellt den ersten Band einer auf vier Bände konzipierten philosophischen Propädeutik dar. Dieser erste Band widmet sich dem Thema ,Sprache und Erkenntnis'. Angesprochen werden in erster Linie Studenten des Diplomstudienganges Katholische Theologie. Die Autoren dieses UTB-Büchleins - es enthält fünf Beiträge - haben zum Teil selbst Theologie studiert und können von daher wohl auch die Bedürfnisse dieses Studienganges abschätzen. Wenngleich Themen wie Philosophie und Theologie, Wissen und Glauben, Theologie und Sprache ein prominenter Platz zugewiesen ist, kann nicht behauptet werden, daß theologische Probleme im Mittelpunkt stünden. Dort, wo sie angesprochen werden, bilden sie in Ausrichtung auf den erhofften Leserkreis die Anknüpfung zur Einführung philosophischer Problemstellungen. Die Titel der Einzelbeiträge, die unterschiedliche Verfasser haben, lauten: Philosophie und Theologie, Logik, Erkenntnislehre, Sprachphilosophie und, abschließend, Wissenschaftstheorie. Die Autoren des ersten Beitrages sind Ludgar Honnefelder und Matthias Lutz-Bachmann. Auch der zweite Beitrag hat zwei Vf., nämlich Hartmut Brands und Christoph Kann. Aus der Feder von Rudolf Teuwsen, Gabriel Jüssen und Gerhard Krieger stammen die übrigen Artikel.

Der erste Beitrag, der auf ein Begleitpapier zu einer Lehrveranstaltung an der Theologischen Fakultät der Universität Trier zurückgeht und in seinen Grundzügen bereits als Lehrbrief im Rahmen des Würzburger Fernkurses Theologie vorliegt, muß als Einführung zu den vier weiteren geplanten Bänden insgesamt verstanden werden. Er ist nicht wie die übrigen Beiträge dem speziellen Thema dieses Bandes gewidmet. Die Anordnung der Beiträge ist übersichtlich und neben dem Gesamtinhaltsverzeichnis, das jeweils die wichtigsten Unterabschnitte des folgenden Artikels nennt, ist jedem Beitrag noch ein detailliertes Inhaltsverzeichnis vorangestellt. Die Literaturverzeichnisse folgen am Beitragsende. Am Ende des Buches folgt ein Namensregister und ein Stichwortregister. Bemerkenswert ist auch, daß am Ende des ersten Beitrages sich ein kurzer Unterabschnitt "Hinweise zum Philosophiestudium" befindet. Es wäre schön gewesen, wenn alle Autoren sich diese Hinweise zu eigen gemacht hätten.

Wenn ein solches Vorgehen auch nicht unbedenklich ist, so gibt es doch gute Gründe dafür, das Thema "Sprache und Erkenntnis" mit einer systematischen Darstellung der Logik einzuleiten. Der Autor verheimlicht auch nicht, wie schwierig es ist, das Verhältnis zwischen Logik und Philosophie zu bestimmen, und wehrt sich zu Recht dagegen, die Logik ihres formalen Charakters wegen als defizitär zu charakterisieren. Einer Einführung in die Philosophie hätte es allerdings gut angestanden, darauf hinzuweisen, daß es neben der "Formalen Logik" mit all ihren modernen Spielarten auch noch eine "Transzendentale Logik" und eine "Dialektische Logik" gibt. Insgesamt sind die Erörterungen zur Logik mit ihren geschichtlichen Rückblicken gut leserlich und leicht faßlich geschrieben.

Läßt man Kant und auch Hegel oder Husserl außer acht, so ist das Gebiet, das durch den Begriff Logik umschrieben wird, außer Streit. Schwieriger ist es schon zu sagen, was unter einer Philosophie der Erkenntnis verstanden wird. Ist diese Erkenntnistheorie, oder ist sie Erkenntnislehre? Im dritten Beitrag werden wir jedenfalls mit einer Erkenntnislehre konfrontiert. Warum diese Erkenntnislehre dem Aufsatz über "Sprachphilosophie" vorangestellt ist, obgleich der Band "Sprache und Er-kenntnis" heißt, und nicht umgekehrt, hängt vermutlich damit zusammen, daß diese Erkenntnislehre unmittelbar auf den Ab-schnitten 1, 1.1, 1.2 des vorhergehenden Beitrags aufbaut und diese Teile auch im eigenen Inhaltsverzeichnis angeführt werden. Zwar versucht auch dieser Abschnitt, einen Bezug zur Geschichte der Philosophie herzustellen, wenn etwa die von Aristoteles tradierten Behauptungen über Platon referiert werden, doch bleibt er oberflächlich. Ist Platon wirklich der Auffassung, "daß es noch eine unveränderliche, ideale Wirklichkeit gibt" (131)? Teuwsen geht es aber primär gar nicht um die Differenz von Wissen, Glauben, Meinen bei Platon, sondern um die Darstellung dieses Problems vor allem bei Denkern der Gegenwart. Unter Bezug auf Johannes 20,29 wird festgehalten, daß Glauben und Wissen nicht durch den Anspruch auf Wahrheit und Gewißheit unterschieden werden, sondern durch die Art des Informationserwerbs (138). Die Art und Weise, wie der Begriff "Glaube" gerade für Theologiestudenten wichtig, aber auch ein Problem sein mag, wird als "existentielle Gewißheit" gefaßt, die sich als ein "Bedeutungsüberschuß" zeigt, wobei zugestanden wird, daß Sätze, die in dieser Weise den Begriff "Glauben" verwenden, durchaus für sinnvoll gehalten werden können (141). Daß es sich hierbei aber nicht nur um eine existentielle Gewißheit, sondern um eine existentielle Gewißheit von der Wahrheit des Ausgesagten handelt, also die Wahrheit durchaus konstitutiv für den religiösen Glaubensbegriff ist, bleibt leider ausgeblendet. Ausführlich widmet sich der Vf. in seinem Abschnitt auch noch den Wahrheitstheorien und dem Prozeß der Erkenntnis, der mit einer Kritik am Empirismus verbunden ist. Ganz im Sinne des ersten Satzes der Einleitung zur 2. Auflage der Kritik der reinen Vernunft von Kant stellt auch Teuwsen fest: "... daß unser Erkennen von der Erfahrung initiiert wird, besagt nicht notwendig, daß es sich auch darin er-schöpft." (169) Die nachfolgenden Ausführungen hierzu halte ich für die besten dieses Beitrags.

Die Abhandlung über Sprachphilosophie hat mir beim Lesen zugegebenermaßen einige Schwierigkeiten bereitet. Zum einen die Hinführung zum Thema "Theologie und Sprache": Der Autor G. Jüssen verweist darauf, daß das Kerygma der Botschaft des Alten und des Neuen Testaments als Selbstmitteilung Gottes verstanden werden kann, aber läßt es bei diesem Hinweis bewenden um festzustellen, daß das Angeredetsein des Menschen als auch dessen Antwort immer sprachlichen Charakter hat und daher eine philosophische Erhellung der Sprache für die Theologie von zentraler Bedeutung ist. Es folgt in diesem Beitrag noch eine historisch-systematische Einleitung unter Nennung einiger Namen wie Hume, Leibniz, Hamann, Herder, die die neuzeitliche Entwicklung der Sprachphilosophie bis zur Gegenwart in zwölf Zeilen darstellt, um dann festzustellen, daß sich die sprachphilosophischen Ansätze der Gegenwart in zwei Hauptströmungen einteilen lassen: in die analytische und in die hermeneutische Sprachphilosophie. In den weiteren Ausführungen mit den Überschriften "Einführung in die gegenwärtige Sprachphilosophie", "Sprache und Wirklichkeit: Referenz und Prädikation", "Sprache und Terminus" werden weder die Hermeneutik Gadamers (Philosophie am Leitfaden der Sprache) noch andere nicht-analytische sprachphilosophische Richtungen (E. Heintel) erwähnt. Dies erscheint mir doch eine Verengung des Begriffes Sprachphilosophie, die Studierenden in den ersten Semestern, und für solche ist wohl die Einführung geschrieben, nicht zugemutet werden sollte.

Der letzte Beitrag "Wissenschaftstheorie" ist gut zu lesen und in der Weise, wie er verfaßt ist, interessant geschrieben. Wer aufgrund seines Titels eine trockene Abhandlung über Wissenschaftstheorie erwartet, irrt. Der Autor versucht zwar, mit dem, was Wissenschaft ist, vertraut zu machen und sie im Wandel ihres Verständnisses zu zeigen, aber nicht ohne gleichzeitig deren Wirklichkeitsauffassung zu diskutieren. Auch die Fragen nach dem Verhältnis von Wissenschaft zu Philosophie bzw. zum Glauben wird nicht ausgespart. Der aristotelische Wissenschaftsbegriff wird ausführlich erläutert, um von diesem dann zu einem modernen Verständnis von Wissenschaft überzuleiten. Dies geschieht nicht, ohne die Wurzeln eines solchen Verständnisses im Mittelalter und in der Neuzeit freizulegen. Dieser Erörterung folgen vergleichende Verweise auf den aristotelischen und auf den gegenwärtigen wissenschaftlichen Naturbegriff, die in der Frage kulminieren: "Wozu Wissenschaft?" (273). Die Schwierigkeit einer Antwort läßt Krieger die Be-grenzung der Wissenschaft auf das durch Beobachtung zustande kommende Feld der Erfahrung in Frage stellen und die Möglichkeit von Sinnverstehen als solchem reflektieren. Mit diesem Gedanken ist der Übergang zu einem Verständnis von Wissenschaft als Sinnverstehen geleistet und philosophische Hermeneutik zum Gegenstand der weiteren Überlegungen geworden. Der zuletzt referierte Artikel ist fraglos der interessanteste in dieser philosophischen Propädeutik.

Das unterschiedliche Philosophieverständnis der Autoren läßt diese Propädeutik in sich nicht einheitlich erscheinen, sondern sie ist eher eine Sammlung unterschiedlicher Aufsätze zu unterschiedlichen Themen. Der Rez. muß zugeben, daß die Latte für eine ausgezeichnete Einführung in die Philosophie, die gerade auch katholisch-theologischen Interessen Rechnung trägt, durch die Einführung von Arno Anzenbacher sehr hoch gelegt und schwer zu überspringen ist.