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Ausgabe:

Juli/August/1996

Spalte:

706 f

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Allen, Diogenes u. Ernstpeter Maurer

Titel/Untertitel:

Philosophie für das Theologiestudium. Mit einer Einf. von G. Sauter.

Verlag:

Gütersloh: Kaiser/Gütersloher Verlagshaus 1995. 256 S. 8o = Theologische Bücherei, 91: Systematische Theologie. Kart. ISBN 3-579-02090-0.

Rezensent:

Günther Keil

"Philosophie für das Theologiestudium" - wenn man unter diesem Titel kein Lehrbuch der Philosophiegeschichte und keine unmittelbare Hilfe für das Philosophicum erwartet (was auch im Buch selbst nirgends versprochen wird), bietet es sich an als eine Einführung in die Probleme der Philosophie und vor allem ins eigene Philosophieren. Behandelt werden dabei einzelne Philosophen und ihr Umfeld, so Platon (Kap. 1 und 2), Plotin (Kap. 3), Aristoteles (Kap. 4 und 5), Immanuel Kant (Kap. 6 und 7), Friedrich Schleiermacher (Kap. 8), G. W. F. Hegel (Kap. 9 und 10), Søren Kierkegaard (Kap. 11, Karl Marx (Kap. 12), Martin Heidegger (Kap. 13), Ludwig Wittgenstein (Kap. 14). Im einzelnen läßt sich über eine solche Auswahl immer streiten (ob etwa vom philosophischen Standpunkt aus Schopenhauer interessanter wäre als Marx), aber aufs Ganze bleibt zuzugestehen, daß bei dem geringen Raum, den sich das Buch gönnt, die Auswahl verständlich ist. Auch innerhalb der einzelnen Philosophen wird eine Problemauswahl getroffen. Daraus ergibt sich der große Vorteil für das Buch, daß es die Probleme nicht nur aus Platzmangel oberflächlich erwähnen, sondern in ihrem philosophischen Gehalt wirklich durchdringen und - soweit das möglich ist, wenn philosophische Fragen nicht in unverantwortbarer Weise verkürzt werden sollen - auch verständlich und manchmal mit etwas Humor gewürzt darstellen kann.

Über die antike Philosophie (Kap. 1-5) schreibt Diogenes Allen, oder besser: Sie sind dessen Buch "Philosophy for Understanding Theology" entnommen und übersetzt worden. Die moderne Philosophie (Kap. 6-14) behandelt Ernstpeter Maurer original für dieses Buch. Die beiden Autoren erfordern eine getrennte Besprechung.

In Allens Teil ist sicher vieles gut und verständlich dargestellt. Auch wird versucht, Philosophie von innen her zu verstehen. Dennoch erheben sich Bedenken. Das beginnt schon bei manchem in sachlicher Hinsicht: "Die Philosophen von Milet... sind nicht antireligiös, sondern schlicht "nicht-religiös" (25). Gilt das auch für Anaximander mit seinem Prädikat "theion" in Bezug auf die Arche? Hier wäre zumindest eine Klärung notwendig. Oder: Unter "mittlerem Platonismus" (61 ff.) wird offensichtlich nicht die zum Skeptizismus neigende mittlere Akademie, sondern die bereits wieder zum Neuplatonismus tendierende platonische Philosophie verstanden. Das ist zumindest ungewöhnlich und kann in einem Einführungsbuch nur zu Verständigungsschwierigkeiten führen. Oder "Die ergiebigste Quelle für den frühen griechischen Stoizismus ist Epiktet" (58). Zumindest erweckt der Satz den Eindruck, als ob Epiktet Frühstoiker sei. Doch das sind nur einzelne herausgegriffene Beispiele. Ebenso bedenklich ist, daß immer wieder versucht wird, die antike Philosophie vom spätantiken Christentum abzusetzen. Das wirkt in einem schlechten Sinne apologetisch und ängstlich, vermeidet die Wahrheitsfrage und bleibt überdies stark von Interpretationsfragen abhängig. Das Christentum wird dabei stark von den Problemen der altkirchlichen Orthodoxie her verstanden, als ob das "die Theologie" wäre. Daß vom Vf. zugegeben werden muß, daß Origenes und Augustin den Graben zur Philosophie hin oftmals einebnen, bleibt dabei bezeichnend. Aufs Ganze ist dieser Teil als Einführung in die antike Philosophie gut zu lesen, aber er begegnet doch auch einigen Bedenken.

Ganz anders verhält es sich mit dem von Maurer geschriebenen zweiten Teil des Buches. Hier finden sich weder sachliche Unrichtigkeiten oder Ungenauigkeiten noch ängstlich-apologetische Abgrenzungen von der Philosophie. Die philosophische Problematik wird schlicht und verständnisvoll dargestellt. Der Vf. versucht, die Probleme so sachgemäß wie möglich abzuhandeln. Es ist erstaunlich, was er hier an wirklich philosophischem Gehalt zu bieten vermag. Dabei bemüht er sich, es interpretierend dem Leser so leicht wie möglich zu machen. Ob ihm das gelungen ist? Nun, wer nur leichte und oberflächliche Lektüre gewöhnt ist, für den gewiß nicht; wer aber schwierige Probleme möglichst leicht dargestellt erwartet, dürfte hier auf seine Kosten kommen. Dabei fällt besonders das gute Verständnis des Vf.s für den Deutschen Idealismus auf, ebenso für Kierkegaard und Wittgenstein (ob dagegen die Darstellung der Zeit bei dem sonst gut durchdrungenen Heideggerkapitel nicht etwas zu kurz kommt?). Wir können diesen zweiten Teil nur empfehlen. Vielleicht wäre Maurer zu gewinnen, bei einer 2. Aufl. auch die Kapitel über die antike Philosophie zu schreiben?

So ist ein Buch entstanden, dem man nur - wenn auch nicht ohne Vorbehalte im ersten Teil - eine gute Verbreitung wünscht, um Interesse und Freude an der Philosophie bei Theologiestudenten zu fördern. Oder um den ersten Satz der Einleitung dieses Buches, die Gerhard Sauter schrieb, zu zitieren: "Philosophie ist für das Theologiestudium unumgänglich." (7).